Von Chacarera, Rassismus und Wanderdünen

 

Die Facebook-Gruppe „KoKo Tango“ scheint ihren Sitz wahrlich in Absurdistan zu haben. Nur so ist es erklärbar, dass ein Beitrag des Neu-Bloggers Klaus Wendel zum Thema „Chacarera“ bislang zu 77 Kommentaren führte, von denen viele mit dem argentinischen Folkloretanz genau nichts zu tun haben.

Nun muss ich gestehen: Was Wendel mit seinem tangofernen Exkurs wollte, ist mir auch nur schemenhaft klar. Schon deshalb hätte ich seinen Text sicher nicht kommentiert.

https://www.tangocompas.co/chacarera/

Es geht aber auch einfacher: Alt-Blogger Cassiel tut seine Meinung kund, obwohl er nach eigenem Eingeständnis den Beitrag noch gar nicht gelesen hat. Stattdessen gibt er Wendel zur Kenntnis: Es hat mich schon bei Deinen vorherigen Artikeln ein wenig gejuckt, das Stichwort ‚Kulturimperialismus‘  in die Diskussion einzuführen.“  Klar, solche Begriffe jucken einen stets und völlig anlassfrei…

Die Mutter der Themaverfehlungen aber war eine studierte Musikethnologin, die mal völlig unabhängig von deinem eigentlichen thema 'chacarera' eine vorsichtige anmerkung zu einigen formulierungen des textes machen“ wollte. Flugs attestierte sie Wendel „ethnische vorurteile“: Dass Völker generelle ethnische Eigenschaften hätten, sein „eine these, die zuletzt 1945 vertreten wurde“.

Daher kommt die Fachfrau zur Diagnose: „insofern schrammt dein artikel in manchen aussagen hart am (nicht bös gemeinten, schon klar, aber leider unbewusst existenten) rassismus vorbei.“

Cassiel hat die Debatte inzwischen um die Begriffe „Verbal-Grätsche“ und  „ostfriesische Wanderdüne“ erweitert. Es ist schon schlimm für ihn: Vor Jahren noch hätte er mindestens dreißig hymnische Kommentare erhalten, wenn er auch nur den aktuellen Wetterbericht veröffentlicht hätte – und nun Widerspruch zuhauf… Da weht mich ein Hauch von „Sunset Boulevard“ an.

In diesem Fall hat er sich nun ausgerechnet Michael Paul zugezogen, der auf Facebook berüchtigt für seine intellektuell verbrämten Bösartigkeiten ist. Kein Wunder, dass der den Finger in eine seit Jahren offene Wunde legt:

Oh, ich verstehe jetzt besser, wer Du bist und was Du meinst. Unter Pseudonym - Pseudo ‚plaudern‘. Und wie heißt Du im bürgerlichen Leben?Zart deutet er dann noch an, dieser Mangel widerspreche den AGB von Facebook.

Da wird es nun Zeit, dass die (ebenfalls pseudonyme) Administratorin eingreift:

„Niemand braucht dir oder uns hier Name und Adresse zu nennen, um mitzureden. Es gibt gute Gründe, im Netz einen Alias zu pflegen. Nicht jeder heißt Peter Meier und ist damit super unauffindbar. Bitte unterlasse es, Personen hier wegen ihres Namens anzugehen.“

Was sie dann noch weiter schreibt, finde ich höchst spannend:

„Die AGB von Facebook stehen hier nicht zur Debatte. Ich mache es mal deutlich: du willst nicht von Mit-Teilnehmenden einer Debatte zuhause aufgesucht und bedroht werden und weiteres. Ist schon vorgekommen und füllt dann mein Postfach und das von denen, die auf die Nr. 110 hören. Es gibt sehr sehr sehr gute Gründe, v.a. für weibliche Personen, ein Pseudonym zu wählen. Wer in Facebook alle seine Daten korrekt eingibt, hat vielleicht den Charakter dieses Datenkraken nicht richtig auf dem Schirm.“

Echt, kann es wirklich sein, dass Kommentatoren im Tangobereich (!) dann von Kritikern an der Haustür bepöbelt oder gar bedroht werden? Sogar noch Weiteres" passiert? Dass diese dann die Polizei rufen? Weibliche Personen eventuell gestalkt werden?

Auf jeden Fall bestätigen mir diese Andeutungen, was ich schon früher einmal vermutet habe: Offenbar läuft in dieser Facebook-Gruppe sehr viel hinter den Kulissen. Da gibt es dann wohl Strategie-Absprachen und sonstige Vereinbarungen. Ich kann daher nur jeden warnen, die dort veröffentlichten Texte als alleinigen Maßstab anzusehen.

Meine persönliche Erfahrung nach zirka zehn Jahren Internet-Aktivität ist jedenfalls: Obwohl mein Name, meine Anschrift und andere Verbindungsdaten in meinem Impressum stehen, habe ich nie persönliche Belästigungen dieser Art erlebt. Vielleicht auch, weil ich dagegen juristisch und öffentlich vorgegangen wäre.  

Auf jeden Fall halte ich die Flucht zum Pseudonym, selbst wenn sie mal begründet sein sollte, für wenig hilfreich. Im Gegenteil sollte man dann geeignete Maßnahmen ergreifen, Belästiger und Stalker zur Rechenschaft zu ziehen. Und sich vielleicht mal überlegen, warum man eine FB-Gruppe so moderiert, dass sie auch die schlimmsten Marodeure anzieht.

Ich fürchte aber, es handelt sich bei der Beschwörung solcher Szenarien eher um wohlfeile Ausreden. Die meisten, die sich im Internet – zumal bei einem harmlosen Thema wie dem Gesellschaftstanz – nur unter Pseudonym äußern, wollen halt keine Verantwortung für das übernehmen, was sie schreiben. Und einiges davon ist ja auch wirklich unverantwortlich.

Kürzlich kam es zu einem Artikel von mir über die Musik der Show „Forever Tango“ zu etlichen Kommentaren. Nur ging es dabei überhaupt nicht um die vorgestellte Tanda – fast so wenig wie im vorliegenden Fall um Chacarera. Da mein Blog gerne Sachinformationen liefert, hier wenigstens noch ein Lehrvideo zum argentinischen Folkloretanz – von einem Paar, das es wirklich kann:

https://www.youtube.com/watch?v=NCN2aMVE1kc

Quelle: https://www.facebook.com/groups/tangoforum/ (Post vom 27.5.21)

Kommentare

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