Vier Jahre „Gerhards Tango-Report“
Kaum
zu glauben, wie die Zeit vergeht: Am 26.10.2013 erschien hier der erste
Artikel:
Ungefähr
alle 14 Tage, so hoffte ich damals, würde mir schon ein neuer Text einfallen
und der – neben den anderen damals existierenden Tangoblogs – von einigen
Leuten gelesen werden. 10 bis 20 Zugriffe täglich hielt ich für halbwegs erreichbar.
In
diesem Jahr sind es nun schon 171 Posts und damit einer in weniger als zwei
Tagen – die durchschnittliche Zugriffsrate liegt in diesem Jahr ziemlich genau
bei 400 pro Tag. Und mein Tangoblog ist der einzige in unserem Land, in dem
überhaupt noch neue Beiträge erscheinen – beim Rest ist seit Monaten oder gar
Jahren Sense.
Eine
rühmliche Ausnahme bildet allerdings meine Kollegin Manuela Bößel, in deren
Blog es ja – neben anderen Themen – meist auch um Tango geht:
Dennoch
macht mir diese „Monopolstellung“ schon ein bisschen Sorgen. Offenbar fühlt
sich seit längerer Zeit niemand mehr motiviert oder imstande, seine Stimme
inhaltlich zugunsten des „traditionellen“ Tango zu erheben. Schade, ich würde
mich über Diskussionen, welche sehr spannend werden könnten, sehr freuen!
Stattdessen
begnügt man sich damit, in immer wieder gleichen bunten Bildchen für das zu
werben, was ich für eine musikalisch und tänzerisch reduzierte Form des Tango
halte. Nachdem überhebliches Getue und Shitstorms gegen mich (bis auf die
Steigerung meiner Zugriffszahlen) nichts gebracht haben, übt man sich nun in
schweigender Wagenburg-Mentalität.
Ich
kann davon nur abraten: Die Klagen über Langeweile auf den Milongas durch
beinahe identische Beschallung häufen sich – und jede Mode geht einmal zu Ende.
Wer nicht mit der Zeit geht, geht mit der Zeit…
Zu
meiner Freude gibt man aber an vielen Orten „still und heimlich“ DJs eine
Chance, die nicht nur traditionell auflegen – die Playlist in meinem vorigen
Beitrag zeigt ein deutliches Beispiel. Und ich kenne eine große Zahl von
Milongas, bei denen das starre Festhalten an historischen Verhaltensregeln nie
ein Thema war oder jedenfalls immer weniger Beachtung findet.
Weniger
werden auch die Stimmen, die mir vorhalten, ich würde langweiligerweise zu ständig
gleichen Themen schreiben. Die Realität zeigt ein anderes Bild: Unter den 10
seit 2013 meistgelesenen Artikeln stammen 7 aus diesem Jahr:
Und
das Thema ist bei allen ähnlich: soziale Defizite und Verhaltensprobleme im
Tango. Wenn denn in diesem Metier alles so locker, nett und unkompliziert liefe
– wieso dann das immense Interesse an diesen Fragen?
Gerne
wird auch behauptet, auf meinem Blog würde es nicht zu Diskussionen kommen, da
ich nur Kommentare unter realem Namen zuließe. Ich habe gestern einmal alle
Wortmeldungen dieses Jahres zusammengezählt – ohne meine eigenen sowie
gelöschte Beiträge: Im Schnitt sind es 30 pro Monat, heuer also bislang an die
300. Damit bin ich recht zufrieden, zumal sich dadurch eine höfliche und
sachliche Diskussionskultur etabliert hat. Beschimpfungen und Hasstiraden
überlasse ich gerne anderen „sozialen“ Foren.
Weiterhin
sollte man berücksichtigen, dass Manuela Bößel und ich seit einem knappen Jahr
eine geschlossene Facebook-Gruppe gegründet haben, welche aktuell 277
Mitglieder hat. Da wir dort viele unserer Beiträge verlinken, hat sich ein Teil
der Leserstimmen auf diese Seite verlagert. Hier gibt es ebenfalls fast nur
namentlich gezeichnete Posts – und auch weil wir in bislang zwei Fällen
bewiesen haben, dass es uns mit einem respektvollen Umgang ernst ist, verlaufen
die Diskussionen stets in einem sehr netten Ton. Weitere Interessenten können
sich gerne anmelden:
Was
uns ebenfalls sehr viel bedeutet: Es gibt keine Werbung für
Tangoveranstaltungen, Unterricht, Kleidung, Schuhe und sonstige Ausstattung.
Viele Tangoseiten sind zu reinen „Reklameblättchen“ verkommen. Auch gegen
diesen Trend wollen wir ein Zeichen setzen.
Vielleicht
wirkt es überzeugend, dass meine Kollegin und ich – ebenso wie die meisten Gastautoren
und Kommentatoren, sich nicht theoretisierend hinter Pseudonymen verstecken,
sondern im Tango als reale Personen greifbar sind. Man kann mit ihnen reden und
auch tanzen.
Womit
wir bei unserer „Wohnzimmer-Milonga“ wären: Letzthin war es bereits die 36.
Veranstaltung dieser Art und mit 17 Gästen mehr als voll – und wir werden mit
Sicherheit weitermachen, auch wenn wir einmal nur zu Dritt oder Viert sein
sollten! Alle drei bis vier Wochen mit ideologiefreien, kreativen Menschen zu möglichst
vielfältiger Musik tanzen zu können, gibt mir wahnsinnig viel. Aber auch hier suchen
natürlich meine werten Gegner nach dem Haar in der Suppe: Erst kürzlich durfte
ich im Internet lesen, bei uns herrschten ganz strenge „Códigos“ – wer sich
nicht dem Tanzstil des Hausherrn anpasse, sei unwillkommen. Ich kann nur jedem,
der dies glaubt, eine Anmeldung bei uns empfehlen: Er wird dann erleben, dass
er tanzen darf, wie er kann und mag – und mit wem er möchte…
Cliquenwirtschaft
ist mir verhasst – es gibt gerade im Tango mehr als genug davon. Daher schreibe
ich auch nicht für eine bestimmte „Fraktion“ oder gar „Fangruppe“. Bisweilen
gefallen mir eben rein traditionelle Milongas – ebenso wie ich manche
Veranstaltungen, die sich angeblich dem modernen Tango verschrieben haben, zum
Abgewöhnen finde. Beides wird man dann gleich deutlich hier im Blog lesen
können, ohne ideologische Scheuklappen und Rücksicht auf „die eigenen Leute“.
Stets ist es zu hundert Prozent meine eigene Sichtweise, vielleicht schräg,
nicht mehrheitsfähig oder auch mal falsch – jedenfalls aber authentischer als
so mancher Tango, der uns hierzulande parfümiert, pomadisiert und mit
Erotik-Mimikry serviert wird.
Dies
wird auch nach diesem 543. Beitrag so bleiben – und im Gegensatz zu gewissen
Kollegen muss ich mich nicht von früheren Texten distanzieren. Für die nächsten
zwei Texte ist das Material bereits vorbereitet. Und es wird weiterhin ein „garantiert
unanonymes“ Blog sein. Ich habe nie verstanden, was denn bei einem
Gesellschaftstanz (!) so gefährlich sein könnte, dass man seine Identität
verschleiern muss. Kollegen, die zu anderen Themen und in weniger freien
Ländern scheiben, riskieren da wesentlich mehr – so wie Daphne Caruana
Galizia auf Malta. Sie hat sich mit
Großkonzernen, Steuerhinterziehern und korrupten Politikern angelegt und dennoch
mit ihrem wahren Namen dazu gestanden:
Vor
zehn Tagen hat sie das mit ihrem Leben bezahlt. Ein solches Heldentum wäre im
Tango nicht verlangt. Vielleicht denkt der eine oder andere einmal darüber nach…
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