Mein „Tango-Erweckungserlebnis“: Pampero



Der Pampero ist ein oft stürmischer Südwestwind in den argentinischen Pampas. Er bringt dabei kalte, trockene Luft aus Patagonien in die Pampas, nach Buenos Aires und bis nach Paraguay und Uruguay. Mit dem Pampero einhergehen häufig beträchtliche Niederschläge und Temperaturabfall.

In meiner „Tangovitrine“ hebe ich fein säuberlich meine „Sternstunden“ auf – Eindrücke einer besonders gelungenen Milonga, einzelne Traumtänze, bei denen wirklich alles gepasst hat – und auch Tangomusik.

Den Titel „Pampero“ hörte ich erstmals in einem Münchner Tangostudio, dessen Besitzer heute grüne Erbsensuppe spucken würde, wäre er gezwungen, die Version aus dem 2004 gedrehten Film „12 Tangos – Adiós Buenos Aires“ nochmal aufzulegen. Eine gestopfte Trompete in einem Tango – das geht halt wirklich nicht, gell? Tempi passati…

Jedenfalls war ich schlagartig verzaubert von der einschmeichelnden Melodie (meine Akademikerfreunde dürfen auch „Schnulze“ sagen…), der wunderbar dazu passenden Stimme von Lidia Borda und dem Arrangement ihres Bruders Luis, der mit einem extra für die Produktion zusammengestellten „All Star Orchester“ eine der schönsten Filmmusiken schuf, die ich kenne.

Schon daraus geht hervor, dass diese Aufnahme keine Chance hat, je auf einer „traditionellen Milonga“ gespielt zu werden. Dabei ist die Komposition des berühmten Osvaldo Fresedo aus dem Jahr 1935 absolut „EdO-konform“. Der Meister hat sie mindestens zweimal eingespielt – meine Lieblingsversion ist die mit dem (offenbar ebenfalls „verbotenen“) Sänger Héctor Pacheco von 1952:




Den Text schuf Edmundo Bianchi:

Soplo de nuestro espíritu indomable
Viento bagual, aliento de salud,
Alma de nuestra tierra inigualable
Respiración de América del Sud.

Grito a la llanura que reclama
Su fiera y orgullosa soledad,
Sos viento de una estirpe que proclama
La altivez de su ruda libertad.

¡Pampero!
Viento macho y altanero,
Que le enseñaste al gaucho
Golpeándole en la cara,
A levantarse el ala del sombrero.

¡Pampero!

Viento indómito y mañero,
De ti aprendió la raza
A corcovear furiosa,
Cuando quiso montarla un extranjero.

Im Internet gibt es tatsächlich bis heute keine deutsche Übersetzung – lediglich der Film bietet via Untertitelung eine. Daran habe ich mich orientiert und diese etwas bearbeitet.

Die Metapher des Windes aus der Pampa beschreibt den Stolz und die Unbeugsamkeit des argentinischen Volkes – sehr patriotisch, aber nicht nationalistisch. Vor allem aber hat die spanische Sprache halt für die Sänger den Vorzug, wunderschön zu klingen, auch wenn der Inhalt vielleicht etwas pathetisch und naiv daherkommt:

Hauch unseres unbezähmbaren Geistes,
ungebärdiger Wind, Atem des Wohls,
Seele unseres unvergleichlichen Landes,
Atmung Südamerikas.

Ruf der Ebene,
der seine wilde und stolze Einsamkeit einfordert.
Du bist der Wind eines Geschlechts,
das den Stolz seiner unverfälschten Freiheit verkündet.

Pampero!
Männlicher und hochmütiger Wind,
der den Gaucho erzog,
indem du ihm ins Gesicht peitschtest,
sodass die Krempe seines Sombreros hochschlug.

Pampero!
Unbeugsamer und störrischer Wind,
von dir lernte das Volk,
wütend zu bocken,
wenn ein Ausländer die Zügel übernehmen wollte.

Ich habe es inzwischen gefasst zur Kenntnis genommen, dass der Mehrzahl der heutigen Tangobesucher die Texte der Stücke, zu denen sie tanzen, völlig egal sind. Für die Minderheit allerdings werde ich weiterhin gelegentlich Übersetzungen anbieten. Es soll ja auch Menschen geben, die Zeitungen zuerst lesen, bevor sie mit ihnen nasse Schuhe ausstopfen…

Leider gibt es die wunderschöne Version von Lidia Borda in Arne Birkenstocks Film nicht auf YouTube. Wer sie hören will, muss sich schon die CD kaufen:

Aber ich habe eine Aufnahme gefunden, die ihre Interpretation ebenfalls gut zur Geltung bringt:




P.S. Als ich meinen Artikel vorhin mit der Blogger-Freundin Manuela Bößel besprach, erfuhr ich von einem ganz ähnlichen „Erweckungs-Erlebnis“ bei ihr: Es war der Vals „El paisaje“, und – so ein Zufall – aus demselben Film!

Kommentare

  1. Lieber Gerhard, dann spiel ich es doch glatt bei der nächsten EDO ;)
    Liebe Grüße Alessandra

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    1. Oh, vielen Dank! Aus der Filmmusik kann man eine schöne Tanda zusammenstellen - wird stets gern dazu getanzt!

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  2. ..."Wer sie hören will, muss sich schon die CD kaufen".
    Oder er hat ein Deezer Konto...yeah..

    Von Fresedo gibt es übrigens einige Aufnahmen (ich habe 3 gefunden) mit Trompete, gespielt von Maestro Dizzy Gillespie. Das Beste davon Vida Mia. Hab ich in zehn Jahren vielleicht drei mal auf Milongas gehört. Die jazzigen Phrasierungen Gillespies könnten doch die Tanzgemeinde zu sehr aus dem Takt werfen.

    Ein Erweckungs Erlebnis war für mich wohl ein Milongabesuch vor laaanger Zeit, auf der eigentlich keine "wirkliche" Tangomusik gespielt wurde.
    Irgendwie hat das nicht so richtig gefunzt.
    Und am Ende meinte ein Tangokollege: "Da fehlt halt die Kraft der alten Tangos" Wie wahr...

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    1. Die legendären Aufnahmen von Fresedo mit Gillespie („Rendezvous porteño“ aus dem Jahr 1956) sind
      Vida mía
      Adiós muchachos
      Capricho de Amor
      Preludio Nr. 3

      Auf unserer “Wohnzimmer-Milonga” werden sie gelegentlich gespielt. Ich habe „Vida mía“ schon mal auf diesem Blog vorgestellt, was damals zu wütenden Diskussionen führte:
      http://milongafuehrer.blogspot.de/2014/09/vida-mia-osvaldo-fresedo-dizzy-gillespie_10.html

      Mit den „alten Tangos“ habe ich kein grundsätzliches Problem – vor allem, wenn sie von zeitgenössischen Musikern gespielt werden, wie ich erst gestern wieder erleben durfte!

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  3. Huih, ich komme mal wieder zum lesen :-)

    Das gesamte Filmalbum gibt es bei Spotify, suchen nach "12 Tangos – Adiós Buenos Aires", et voila!

    Wem zeitgenössisches gefällt, dem empfehle ich unbedingt Vanina Tagini und Gabriel Merlino live zu erleben.
    Ich durfte im Wiesbadener Staatstheater auch schon einmal mit meiner Partnerin zu den beiden tanzen, groß"art"igst.

    Auch diese kann man bei Spotify finden :-)

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    1. Danke für den Tipp!

      Zu Tagini und Merlino live haben wir auch schon getanzt, ist wirklich toll. Morgen gibt es eine Tanda bei der Pörnbacher Milonga.

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