Karin Law Robinson-Riedl: Lesungsreise
Mein Bericht von
unserer „Sachsentango-Tour“ hat mir einigen Ärger eingehandelt. Nun, vielleicht
habe ich manches zu subjektiv gesehen. Daher hat es mich gefreut, heute Morgen
von meiner Gattin (unaufgefordert) einen Reisebericht aus ihrer Sichtweise zu
erhalten. Glücklicherweise darf ich ihn – mit einigen Anonymisierungen – hier
veröffentlichen:
Grimma – Leipzig – Chemnitz
1.9.2017 – 3.9.2017
Lesungsreise
Freitag, 1.9.17
Wir fahren am späteren Vormittag los – im Gepäck die Bücher
und Gerhards Lesungsmanuskript.
Nach einer fast völlig problemlosen Fahrt langen wir in
unserem Quartier an: ein zuckersüßes kleines Hotel in der Altstadt von Grimma.
Von der Hotelchefin angewiesen, parken wir das Auto im Innenhof, allerdings das
erste und letzte Mal, denn die Einfahrt ist so schmal, dass es unsere Nerven zu
sehr strapaziert, da durchzufahren. Zum Glück gibt es auf der Straße genug
Parkplätze! Unser gemütliches Zimmer weist zur Straße hin, die aber nicht sehr
befahren ist.
Nach einer Ruhepause und einem Stadtrundgang machen wir uns
auf nach Leipzig zur Milonga. Die Fahrt dauert etwas über eine halbe Stunde,
alles ist eigentlich gut erreichbar, nur, die dortige Straßen sind vollgeparkt bis zum Eichstrich! Trotzdem
erobern wir noch ein Plätzchen. Die Milonga findet, wie es sich gehört, in
einem Hinterhof statt – erster Stock, dunkel, man muss aufpassen, dass man
nicht „fehltritt“. Durch die geöffneten Fenster klingt schon Musik, denn vorher
ist noch Kurs – die Klänge verheißen nicht unbedingt „Gutes“, es schrammelt
schon kräftig.
Als es Zeit ist, quälen wir uns die Stiege hinauf und kommen
in die Garderobe. Bald werden wir vom DJ entdeckt und auch recht freundlich
begrüßt. Man kennt sich…
Am gegenüberliegenden Ende des Saales finden wir zwei
Stühlchen und einen Tisch zum Abstellen der Getränke, die es an der Mini-Theke
nebenan gibt. Die Dame dort – deutlich als VIP der Milonga erkennbar, ist
freundlich, aber distanziert. Ihr Partner, mit dem sie (fast ausschließlich)
auch später tanzt, nimmt uns eher nicht wahr.
Gerhard und ich stürzen uns gleich bei der ersten Milonga
(immerhin!) auf die Tanzfläche und erregen wahrscheinlich da schon ein gewisses
Misstrauen, indem wir hemmungslos Spaß beim Tanzen ausstrahlen.
Die Musik bleibt – mit Ausnahme der berühmten
Alibi-moderne-Musik-Tanda wie von Anfang an befürchtet… Die Tänzer sind scharf
auf die Ronda, die enge Haltung usw. bedacht – das ganze übliche Programm! Der
DJ – eine verlorene Seele des abwechslungsreichen Tangos? – fordert mich den
ganzen Abend nicht auf. Gehört sich eigentlich nicht, ist mir aber auch egal.
Und doch:
Ein „Milonga-Klein Bonum“ gibt es - für Gerhard und mich,
außer uns beiden natürlich, noch jeweils eine(n) weitere(n) Tanzpartner(in),
die eine Traumrunde wahr machen…
Im Hotelzimmer dann das traditionelle „Ballgeflüster“ nebst
Rotwein und mitgebrachter Brotzeit. Danach erstmal schlafen, denn das war schon
eine stramme Sache, dieser Tag!
Samstag, 2.9.
Feines Frühstück im Hotel, bestens betreut von der Chefin
und deren Sohn, beide ultimativ freundlich und sehr um das Wohl der Gäste
bemüht.
So sind wir wohl gesättigt und machen uns auf den Weg, um
die Umgebung zu erkunden. Ziel ist gleich das Kloster Nimbschen, die ehemalige
Wohnstätte der Katharina von Bora, Luthers späterer Frau. Bekanntlich wurde sie
einst (mit einigen Kolleginnen), organisiert vom Reformator, aus dieser Klausur
befreit.
Leider ist nicht mehr viel von dem Kloster übrig, aber darum
herum ist ein ganzes Kulturzentrum nebst Hotellerie und Gastronomie entstanden.
Von dort aus fahren wir zu der berühmten Hängebrücke in
Grimma:
Hier können wir auch einen Blick auf das Schlosshotel
Gattersburg werfen, wo wir vor ein paar Jahren einmal Quartier bezogen hatten –
ebenfalls auf Lesungs- und Tangotour in der Gegend.
Ein wunderschöner Spaziergang entlang der Mulde, die so
friedlich in ihrem Bett dahinfließt, als täte sie nie etwas anderes! Vom
Gegenteil zeugen die Hochwassermarken in den Häusern und an den Gebäuden der
Stadt, ein wenig angenehmes Andenken an 2002.
Nach unserem Spaziergang fahren wir in die Innenstadt, wo es
uns der Ratskeller kulinarisch angetan hat. Unsere Erwartungen werden sogar
übertroffen, auch wenn wir, vom plötzlichen Regenguss überrascht, mitten
während des Essens ins Innere flüchten müssen.
Danach Siesta und später ein Kaffee im hübschen Innenhof
eines Cafés nahe der Stadtmitte.
Rechtzeitig machen wir uns dann auf den Weg nach Chemnitz,
wo Carsten Walther mit seinen Tangotänzern auf die Lesung wartet.
Die Fahrt nach Chemnitz ist zunächst problemlos, wenn auch
länger als nach Leipzig. In der Stadt selbst beginnt allerdings ein kleiner
Albtraum: Die Adresse der Tanzschule, „Rosenhof“, wo die Milonga stattfindet, entpuppt sich als
Sammelbegriff für ein riesiges Einkaufszentrum plus Fußgängerzone, vergleichbar
vielleicht mit Ingolstadts Westpark oder Münchens Olympia-Einkaufszentrum. Eine
Katastrophe! Vom Navi (das wir „Frau Berger“ nennen) eine Weile im Kreis
geleitet, fahren wir schließlich in die am dicksten angezeigte Tiefgarage,
parken das Auto, packen Tanzschuhe, Lesungsmanuskript, Bücher und – vergessen
prompt den Schirm. Das veranlasst zu einem erneuten Lauf durch den inzwischen
strömenden Regen zurück. Fragen bei Passanten, wo diese vermaledeite Hausnummer
sich befinde, sind nach längerem Hin und Her dann doch erfolgreich. Zur Krönung
des Ganzen befindet sich der Eingang zur Tanzschule auf der Rückseite des
Gebäudes!
Derangiert und leicht angefressen kommen wir also an. In der
recht schönen Tanzschule erwarten uns der erleichterte Gastgeber (wir waren
natürlich etwas verspätet) und seine rund 20 Gäste. Carsten ist wirklich sehr
nett, dass er uns das neben (!) der Tanzschule gelegene Parkhaus nicht genauer
definiert hat – es sei ihm verziehen, weil er auch mit mir getanzt hat und sich
alle Mühe gab, schöne, abwechslungsreiche Musik aufzulegen!
Nach einer Weile – wir waren aufgefordert worden, uns doch
mit an einen Tisch zu anderen Gästen zu setzen – begann Gerhards Lesung.
Ich muss hier nochmal schriftlich das große Kompliment
festhalten, das ich ihm natürlich auch mündlich machte: Bestnote!
Frei gesprochen, nur selten abgelesen, aber das war dann
auch plausibel, denn es war ja eine Lesung! Locker, dem Publikum zugewandt,
deutliche Artikulation. Also wirklich toll!
Die Lesung kam gut an und führte auch zu Bücherkauf.
Allerdings hatten einige den „Milonga-Führer“ wohl schon bzw. es waren auch
„Hartgesottene“ dabei, also Gegner von Gerhards Ideen.
An solche Exemplare gerieten wir anschließend! Man begnügte sich
weitgehend damit, uns die eigenen Ansichten vorzuhalten, mit vielen
Wiederholungen, Fangfragen usw. Tanzen war eher kein Thema.
Carsten verriet mir, dass er diverse Scharmützel wegen seiner
Musik zu bestehen habe. Zum Glück lässt er sich aber (noch) nicht verbiegen.
Gerhard konnte mit zwei fremden Damen sehr schöne Tänze genießen.
Eine höchst versierte Tänzerin und eine etwas weniger routinierte, deren Lachen
aber die Sonne scheinen ließ. Sehr erfreulich!
Beschenkt mit argentinischem Wein, Bio-Kaffee und Schokolade
fuhren wir dann wieder nach Grimma zurück. Selbst der Weg zum Parkhaus war nun
stresslos, da der Regen aufgehört hatte!
Insgesamt – trotz der Schwierigkeiten – ein gelungener
Abend.
Sonntag, 3.9.
Heimfahrt – unter Mitnahme der im kleinen Geschenkladen des
Hotels erworbenen Mitbringsel.
Wir hatten es recht eilig, denn nachmittags stand eine der
schönsten derzeit existierenden Milongas auf dem Programm: Blumenthal bei
Aichach – gut 400 Kilometer entfernt. Aber wir schafften auch diesen Termin!
Grimma wird uns bestimmt wiedersehen – so eine nette Stadt
in herrlicher Umgebung, wo es einiges zu erforschen gibt. Aber vermutlich
werden wir dann eher in Chemnitz als in Leipzig zum Tanzen gehen!
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