Tango, bis die Federn fliegen



Bekanntlich ist die Balz der Vögel gekennzeichnet durch einen starken Geschlechtsdimorphismus: Die meist größeren Männchen besitzen zur Brutzeit oft ein bunteres, manchmal auch längeres und dichteres Gefieder, das durch entsprechende Bewegungsmuster zur Schau gestellt wird. Mittels Balzrufen und -gesängen machen sie auch akustisch auf sich aufmerksam. Die optische Dominanz wird gelegentlich durch Aufpumpen der Luftsäcke verstärkt; bei deren Entleerung kann es ebenfalls zu Lautäußerungen kommen. Verbreitet sind ritualisierte Verhaltensweisen aus der Brutpflege (Futterlocken, Geschenkübergabe) sowie die rhythmische Koordination von Körperbewegungen („Tänze“). Das männliche Imponierverhalten dient vor allem der Vertreibung von Rivalen; gegenüber dem anderen Geschlecht soll es durch Umorientierung den Aggressionstrieb mindern, um die zur Paarung nötige Verringerung der Individualdistanz zu bewirken. Balzverhalten führt stets zu einer verstärkten Ausschüttung von Sexualhomonen.

Aus alledem ist klar erkennbar, dass sich die Vögel hierbei Verhaltensmustern des Tango bedienen.

Einige eindrucksvolle Beispiele:

Das Balzverhalten des Argusfasans (Argusianus argus) ist relativ monoton: Durch Futterlocken und Schlagen eines „Pfauenrades“ versucht er, den Blick (mirada) des Weibchens zu erhaschen, welchem er sich stets wieder von vorne nähert. Blickfang ist hierbei das tangotypisch aufgestellte männliche Hinterteil – verstärkt durch die überlangen Schwanzfedern:

https://www.youtube.com/watch?v=3IrlBKv1sE0

 
Eher als Solotänzer ist der Langschwanz-Strahlenparadiesvogel (Parotia wahnesi) aktiv: Auf seinem Balzplatz (Parkett) macht er die Dame (als Zuschauerin vom Rang aus) per Balzrufe auf seine Performance aufmerksam. Neben den gespreizten Flügeln beeindrucken vor allem die binnenkörperlichen Bewegungen mit boleoartigem Schwingen des Kopfschmucks:


So richtig von der Stelle kommt der Raggi-Paradiesvogel (Paradisaea raggiana) trotz heftigen Hupfens nicht wirklich – auch das soll es ja im Tango geben! Egal, Hauptsache die Federn schwingen schön mit:


Der ebenfalls zu den Paradiesvögeln zählende Fadenhopf (Seleucidis melanoleuca) hat die schwingenden Puschel am Hinterteil. Obwohl das Futter fürs Weibchen wohl lediglich aus heißer Luft besteht, ist dieses sichtlich fasziniert vom eleganten Umgang des Herrn mit seiner Achse in verschiedenen Raumorientierungen. Die Balzrufe erinnern an Francisco Canari:


Beim Beifußhuhn (Centrocercus urophasianus) spielt die heiße Luft eine andere Rolle: „Die Männchen beanspruchen Reviere und werben in den Dämmerungsstunden um Weibchen. Sie stolzieren umher und fächern ihre Schwanzfedern und Handschwingen. Gleichzeitig pumpen sie ihre Luftsäcke auf und entleeren sie mit kullernden und ploppenden Lauten wieder. Die ranghöchsten Hähne begatten die meisten Hennen, aber auch rangniedere Hähne kommen, je nach sozialer Stellung, noch mehr oder minder oft zur Paarung.“ (Wikipedia)

Ähnliche Imponierfotos findet man auf vielen Tangolehrer-Webseiten!


In keinem Tangounterricht kommen die Darstellung des Viervierteltakts und die Bedeutung einer stabilen Achse (unter Einbeziehung der Partnerin) schöner zur Geltung als beim Viktoria-Paradiesvogel (Ptiloris victoriae). Motto: Schnabel hoch und durch!


Schuhe sind das halbe (Über)leben – auch beim Blaufußtölpel (Sula nebouxii):

„Eine bedeutende Rolle spielen beim Balzverhalten die blauen Füße der Männchen: Weibchen bevorzugen Männchen mit kräftig blau gefärbten Füßen und verschmähen Männchen, deren Füße nur matt graublau aussehen. (…) Die Weibchen bevorzugten aber kräftig gefärbte Männchen nicht nur bei der Partnerwahl, sondern reagierten auch nach der Eiablage noch auf Farbveränderungen (sprich: Veränderungen der Ernährungssituation) ihrer Partner. Verlor der Partner nach der ersten Eiablage seine Färbung, so legten die Weibchen ein deutlich kleineres zweites Ei als jene Weibchen, deren Partner weiterhin optimal ernährt worden war.“ (Quelle: Wikipedia)

Merke: Wie die Schuhe, so die Eier!

Im vorliegenden Beispiel endet die Balz allerdings mit einem Korb – Ursache sind wohl, trotz heftiger Geschenkübergabe, nicht die Füße, sondern die zu geringe Körpergröße des Herrn:


Hier das menschliche Vorbild für den Blaufußtölpel:


Das seltene Beispiel einer Gruppenbalz erleben wir beim Chileflamingo (Phoenicopterus chilensis): Die Koordination vieler kleiner Bewegungen führt zu einem encuentroartigen Dahingleiten der Staksfüßler. Freilich müssen sie die Ronda noch üben…


Vergleicht man abschließend hiermit den Tanz des Gemeinen Südamerikaners (Homo tangoensis australis), so sind Parallelen zu den obigen Merkmalen nicht erkennbar: Der Geschlechtsdimorphismus ist – bezogen auf Körpergrößen und Gefiederlängen – uneindeutig. Die Balzlaute werden nicht von den Individuen erzeugt, sondern von außen eingespielt. Die Eleganz ist mit den Bewegungen der Vögel nicht vergleichbar; schon gar nicht kommt es hier zu eindeutigem Imponierverhalten oder gar Futterlocken.


Fazit: Der Vogel macht den Tango nach, nicht der Mensch den Vogel!

Kommentare

  1. Herrlich! Brehms Tierleben für Tangotanzende - oder Tangounterricht in der Biologiestunde!

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    1. Vielen Dank!

      Manchmal kann Biologie doch sehr nützlich sein...

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