Tango als Steckenpferd

 

Kürzlich stieß ich auf ein sehr lustiges Vortanzvideo des Berliner Tangolehrers Rafael Busch. Es ging wohl mal wieder darum, den Schülerinnen und Schülern vorzuführen, dass man Tango auch auf engstem Raum tanzen kann. Also zirkeln die beiden auf etwa anderthalb Quadratmetern herum, die von Gläsern begrenzt werden, in denen jeweils ein Teelicht steht.

Dummerweise kickt der Tangolehrer schließlich ein Glas weg – im wahren Milonga-Leben hätte der Gute also wohl ein anderes Paar behindert oder gar gerempelt!

Der Ablauf ist sehr realistisch: Meist sind es die Männer, welche ein solches Malheur hinbekommen – und zwar typischerweise bei einem Rückwärtsschritt.

Immerhin ist Busch wie üblich recht locker drauf und quittiert das Missgeschick mit einem Lächeln. Und findet nichts dabei, die Szene ins Internet zu stellen. Das ehrt ihn. Ich nehme an, er hat sich hinterher auch beim Teelicht entschuldigt.

Zur Ironie passt es, dass zum Vortanzen die historische D’Arienzo-Schnulze „Pensalo bien“ dudelt:

„Pensalo bien

Antes de dar ese paso

Que talvez mañana acaso

No puedas retroceder“

„Überlege gut

Bevor du diesen Schritt tust

Vielleicht kannst du morgen

nicht mehr zurück“

Quelle: https://www.facebook.com/reel/720138150627450

In diesem Sinne sollten wir vielleicht einmal darüber nachdenken, ob unser Tanzen besser wird, wenn wir es auf einem Quadratmeter unternehmen. Und was der ganze Scheiß eigentlich soll.

Platzsparende Bewegungen, so wird uns heute im Tango eingetrichtert, seien der Ausweis höchster Tanzkunst.

Ich halte das eher für eine geniale Marketing-Strategie der Veranstalter: Größere Räume würden ja mehr Miete kosten – stattdessen kann man den Laden bis zur Decke vollstopfen: Sollen die Gäste halt klein-klein tanzen, ist doch wurscht! Und viele Besucher freuen sich, dass ihnen lediglich ein paar Trippelschrittchen abverlangt werden. So bleibt ihnen die Alternative, besser tanzen zu lernen, erspart!

Und man schwelgt in argentinischen Traditionen. Eine Win Win-Situation...

Man kann ja auch reiten, indem man den Zossen in der Box lässt und lediglich raufklettert. Auch so kann man ein Hobby gefahrlos betreiben. Spricht man deshalb von einem Steckenpferd?

Zu dem Behufe haben die Finnen nicht nur eine übersichtliche Tangoform, sondern auch das Hobby Horsing erfunden:

Beim Hobby Horsing reiten die Sportler keine echten Pferde, sondern Steckenpferde oder Hobby Horses. Diese sind oft selbst gefertigt. Das Hobby Horsing ist eine Sportart, die aus Gymnastik-Elementen, etwas Akrobatik und Bewegungsabläufen wie beim Dressurreiten oder beim Springreiten mit Hindernissen besteht. Bisweilen erinnert der Trendsport auch an Parcours, denn es geht beim Hobby Horsing sprichwörtlich über Stock und Stein und zahlreiche Hindernisse.“

https://www.stallbedarf24.de/ratgeber/hobby-horsing-interessanter-trendsport-aus-finnland/?srsltid=AfmBOopAGvektCNm2Rf8jIhz-gJZy0E-4KK9xHwvzYPXTHiK37l8d1xS

Zirka 5000 Menschen betreiben hierzulande diese Sportart – immerhin! Und natürlich wacht eine gestrenge Jury über die Einhaltung der Regeln. Wir sind ja in Deutschland...

https://www.youtube.com/watch?v=ECQO5zuxYMQ

Tja, die einen klemmen sich ein Holzpferd zwischen die Beine, die anderen treten zu historischen Klängen auf der Stelle: Jeder sollte ein Hobby haben!

Von einem Sportlehrer las ich einmal den Satz: Früher haben die Grundschulkinder bereits eine Kerze zustande gebracht. Heute höchstens ein Teelicht!

Let‘s dance:

 

https://www.youtube.com/watch?v=nwQsd4LRQrY&list=RDnwQsd4LRQrY&start_radio=1

Kommentare

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