Die Rolle der Frau im Tango
In den letzten Tagen bin ich ja auf meinem Blog mit etlichen Experten zusammengerumpelt, die mir den Tango genau erklärt haben. Zumindest, dass ich dringend Tanzunterricht bei exklusiven Lehrern brauche – und wieso der bei mir vermutlich vergeblich sei.
Ja, es wimmelt in unserem Tanz von Männern, die es ganz genau wissen. Und selbst hierzulande soll es welche geben, die den Tango voll und ganz kapiert haben.
Was mir auffiel: Kaum einer der Kommentatoren spricht von seiner Partnerin, obwohl zu vermuten ist, dass sie alle nicht allein auf dem Parkett umherirren. Wie ist die Rollenverteilung? Kommt es da irgendwie auch auf die Tänzerin an? Anscheinend nicht! Man braucht sie halt beim Tango, ohne dass sie einer Erwähnung wert wäre.
Meine Suche nach Aufklärung führte mich zu einem Aufsatz des ehemaligen Tangobloggers Heikvaldo, der sich auf einen Text von Annett Welsch bezieht. Der Kollege nennt sein Opus „Die Rolle der Frau im Tango argentino“. Als Satiriker war ich begeistert.
Anfangs wird eine toll aussehende Tänzerin beschrieben, um die Leserschaft schließlich doch etwas abzukühlen: „Im normalen Leben ist sie Mutter zweier Kinder, an den wöchentlichen Tanzabenden verwandelt sie sich in einen Männertraum.“
Dass eine zweifache Mutter im realen Leben Männer zum Träumen bringen kann, ist selbstverständlich ausgeschlossen – da müssen wir die Kirche schon im Dorf lassen! Und den Laufstall im Kinderzimmer.
Ferner sei es in der weiblichen Gefühlswelt vorgesehen, „sich dem Tanz ganz hinzugeben“. Sich sogar „darin zu verlieren“ – na hoffentlich findet sie nachher ihren Partner wieder, bevor man den im Bällchenbad abgibt! Das „Zerfließen im Kontakt“ sei frauentypisch. Die Dame könne „sich fallenlassen, alle Kontrolle aufgeben“. Der Mann dagegen müsse jede Sekunde über den nächsten Schritt entscheiden, sei „gezwungen, die Form zu wahren“. Na, hoffentlich gelingt es ihm!
Die Frau jedenfalls „soll und darf ihre Weiblichkeit ganz in den Vordergrund stellen.“ Sicher, bei Kurzsichtigkeit hat die geringe Entfernung deutliche Vorteile. Schließlich will man ja was zum Gucken haben!
Grob unterscheiden könne man beim Weib die „Verführerin“ und die „Genießerin“. Wobei es noch weitere Subspezies gebe:
Die „Schauspielerin“ falle durch gewagte Kleidung auf. Der Schlitz im Rock ende deutlich oberhalb des Knies. Muss einem doch mal genau gesagt werden!
Die „Träumerin“ hingegen gleiche Dornröschen. Sie genieße im Stillen. Ob sie auf dem Parkett penne, sei zweifelhaft.
Die „Temperamentvolle“ hingegen erinnert den Autor an „wilde Rassepferde“. Aber Vorsicht, die können den Reiter auch abwerfen!
Als Mann müsse man jeden Abend herausfinden, welche Rolle die Dame gerade spiele. Das Tanzen, so meine ich, sollte man ebenfalls nicht vergessen…
Und welcher Frauentyp sei uns Männern am liebsten? Tja, das komme halt drauf an!
Eine Tangofreundin bemerkte einmal zu einem Musiker, der seine Konzertina misshandelte: „Männer spielen gerne an kleinen Dingen herum, die sich vergrößern“. Eine ähnliche Ursache könnte zu solchen Artikeln führen.
Vielleicht sollte man stattdessen einmal stocknüchtern von zwei Personen reden, die miteinander tanzen. Und jede von ihnen kann auf das reagieren, was die andere mittanzt oder führt. Beide können initiativ werden, Bewegungen vorschlagen oder halt diesen folgen. Gleichberechtigt, mit wechselnder Initiative und auf Augenhöhe. Dann würde der Paartanz zur Kommunikation zweier Individuen. Ob Mann oder Frau wäre zweitrangig.
Und ja – ich spreche und schreibe sehr häufig von meinen Tanzpartnerinnen. Für mich tragen sie mindestens die Hälfte zum Tanz bei. Und ich habe von guten Tänzerinnen eine Menge gelernt. In den ersten Jahren war ich froh, wenn sie das machten, was ich noch nicht kannte respektive konnte. Oder Aktionen vorschlugen, die mir nicht eingefallen wären. Mich bei heftigen Bewegungen stabilisiert haben. Und mir verschwiegen, wie sie mein Getanze wirklich fanden.
Die Rolle der Frau im Tango? Sie
wird fast immer unterschätzt! Man betrachtet sie als passives Versatzstück. Ich halte das für einen gefährlichen Fehler.
Hier zum Nachlesen der besprochene Artikel:
https://tango-nordbayern.de/heikvaldo-blogs-162/121.html
P.S. Vielleicht sollte man auf den Milongas Frauengold anbieten. Doch leider ist die Mixtur (16,5 Prozent Alkohol) seit 1981 verboten.
https://de.wikipedia.org/wiki/Frauengold
Unglaublich, dass sowas heute noch veröffentlicht wird. Andererseits: gut, dann weiß ich ja wenigstens schon, dass da sicher nichts. Sinnvolles mehr kommen wird
AntwortenLöschenNa ja, der Text ruht wohl schon viele Jahre im Archiv. Aber ich habe schon Aktuelles veröffentlicht, das nicht besser ist.
LöschenZwischen Mythos und Realität – Die Rolle der Frau im Tango
AntwortenLöschenTango gilt als Tanz der Leidenschaft – ein Spiel zwischen Mann und Frau. Doch bei genauerem Hinsehen wird klar: Die Rolle der Frau im Tango ist oft stark verklärt oder unterschätzt.
Frühe Bilder: Erotik statt Augenhöhe
Historisch war der Tango eine Männerdomäne. In Buenos Aires um 1900 tanzten Männer unter sich – oder mit Frauen in Bordellen. Daraus entstand ein Frauenbild, das bis heute nachwirkt: die schöne, verführerische Begleiterin, die folgt, sich hingibt, zerfließt.
Bis heute werden Frauen im Tango oft auf Äußerlichkeiten reduziert – ihre Kleidung, ihr Ausdruck, ihre „Weiblichkeit“. Dabei übersehen viele: Die Frau ist kein passives Accessoire. Sie ist gleichwertige Partnerin und Gestalterin.
Wandel – und doch alte Muster
Heute prägen Frauen die Szene entscheidend mit: als Lehrerinnen, Veranstalterinnen, DJanes, Musikerinnen und Tänzerinnen in beiden Rollen. Viele von ihnen tragen mit Organisation, Ideen und künstlerischer Kompetenz wesentlich zur Entwicklung des Tango bei.
Und dennoch: Auf vielen Milongas überleben alte Denkweisen. Das „Führen und Folgen“ wird weiterhin oft als Hierarchie statt als Dialog verstanden. Und auch viele Tänzerinnen – wie Tänzer – entwickeln sich nicht weiter.
Wer tanzt, entwickelt sich
Ich habe viel von Tänzerinnen gelernt: Musikalität, Ausdruck, Ideenreichtum. Gleichzeitig sehe ich Frauen, die kaum üben, sich wenig fortbilden – und dann auf Milongas sitzen. Dabei geht es nicht um Alter, sondern um Qualität, Präsenz, Kommunikation.
Dasselbe gilt für Männer. Es gibt Herren, die seit 25 Jahren das Gleiche tanzen, nie Kurse besuchen – aber sich für Experten halten. Manche von ihnen schreiben dann mit missionarischem Eifer Blogbeiträge. Doch Entwicklung sieht anders aus.
Die Realität: Viele Frauen, wenige Männer
Ein strukturelles Problem bleibt: Es gibt deutlich mehr Frauen als Männer im Tango. Kurse scheitern am Männermangel, Fortbildungsmöglichkeiten sind begrenzt. Frauen wollen sich weiterentwickeln – aber oft fehlt der passende Partner. Auch das beeinflusst, wer auf der Milonga tanzt – und wer nicht.
Fazit
Tango ist ein Dialog. Ein Spiel auf Augenhöhe. Wer etwas zu sagen hat – tänzerisch, musikalisch, menschlich – wird gehört. Die Frau ist kein hübsches Beiwerk, sondern gleichwertige Stimme im Tanz. Und der Mann sollte nicht nur führen wollen – sondern auch zuhören lernen.
Tango braucht Entwicklung – nicht nur bei den Figuren, sondern auch im Denken.
Ob sich Frauen beim nächsten Mal genau überlegen, ob sie wirklich mit Gerhard Riedl tanzen möchten, bleibt offen. Tänzerisch ist bei ihm kaum Entwicklung erkennbar – dafür umso mehr Beharrlichkeit im Rechthaben.
Wahrscheinlich wird Gerhard in seiner Welt auch weiterhin Recht behalten. Weil er es eben immer so macht.
Die Menschen jedoch, die Tango wirklich tanzen und leben, haben zum Glück oft andere Meinungen.
Ein Kommentar von
Christian Beyreuther
Lieber Christian,
Löschenbei deinem Aufsatz hast du dir wirklich viele Mühe gegeben – Kompliment! Für mich klingt der Text ein wenig nach KI, aber in dem Bereich bin ich kein Fachmann.
Ob die Frauen den heutigen Tango wirklich so entscheidend prägen wie die Männer, bezweifle ich. Nach meinem Eindruck geben männliche Veranstalter, DJs, Lehrer etc. doch eher den Ton an.
Beispielsweise habe ich mir Hunderte von Tango-Unterrichtsvideos angesehen. Das Wort führen dort zu einem sehr hohen Anteil die Männer, während die Partnerin oft nur als stummes „Tanzsportgerät“ danebensteht bzw. eine Schrittfolge mitmachen muss.
Ebenso sieht man auch bei den heutigen Tangomusikern einen sehr hohen Männeranteil. Bei den historischen Stücken, die man auf „traditionellen“ Milongas spielt, sind Musiker, Komponisten und Texter fast ausschließlich männlich.
Auch auf meinem Blog führen bei Kommentaren Männer das Wort. Insbesondere, wenn es darum geht, andere mit heftigen Worten zu bekämpfen und die eigenen Leistungen herauszustreichen.
Nach meinen Erfahrungen geht die Auswahl der Tanzpartnerinnen vor allem auf konservativen Milongas weniger nach deren tänzerischen Fähigkeiten, sondern vor allem nach Alter und Aussehen. Ich habe in vielen Artikeln O-Töne von Frauen veröffentlicht, die das bestätigen. Männer haben da weniger Probleme – auch wenn die das Gleiche tanzen wie ihre Kollegen vor 80 Jahren.
Blogger, die sich für Experten halten, gibt es sicherlich. Kommentatoren auch. Glücklicherweise habe ich diesen Anspruch nie vertreten.
Es gibt immer mehr Frauen, die kein Problem damit haben, keinen Tanzpartner zu finden. Die führen dann selbst – und das tun sie oft besser als durchschnittliche Tänzer.
Ja, Tango braucht Entwicklung. Daher habe ich nie verstanden, wieso man auf vielen Veranstaltungen nur hundertmal abgenudelte Aufnahmen aus grauer Vorzeit auflegt – und Verhaltensnormen propagiert, die vor bald hundert Jahren in einem ganz anderen Kulturkreis üblich waren.
Schade, dass dieser ganz nette Aufsatz gegen Ende wieder im „Riedl-Bashing“ verkommt. Wenn ich mir all die Bemühungen durchlese, mich ins Unrecht zu setzen, frage ich mich immer wieder, wozu man das nötig hat. Sollte es wirklich nur Quatsch sein, was ich veröffentliche, könnte man doch gelassen darauf vertrauen, dass es eh die meisten so sehen. Offenbar aber stellen meine Texte eine große Gefahr für den kommerziellen Tango dar.
Darauf bin ich ein wenig stolz.
Tango braucht Entwicklung auch im Denken. Wie wahr!
Danke und beste Grüße
Gerhard