„Mit Schnuttenpullis tanze ich nicht"
Mit der Münchner DJane und Tangoveranstalterin Theresa Faus verbindet mich seit Jahren eine herzliche Meinungsverschiedenheit über Tangomusik sowie Tanz- und Aufforderungsriten. Wobei ich nie einen Zweifel daran ließ, dass ich sie für eine ausgewiesene Expertin der traditionellen Tangomusik halte. Anerkennendes über mich konnte ich ihr nie entlocken. Wobei sie über eine sicher zwanzigfach zahlreichere Fangruppe verfügt, welche auf Geheiß durchaus gewillt war, mir den einen oder anderen Shitstorm zu bescheren.
Dabei liegen unsere Positionen gar nicht so weit auseinander, was ich vor zwei Jahren einmal ziemlich differenziert dargelegt habe:
https://milongafuehrer.blogspot.com/2020/01/cabeceo-schau-mer-mal.html
Auch hier inzwischen: keine Reaktion. Die Botschaft lautet offenbar: Meine Ideen sind es nicht wert, zur Kenntnis genommen zu werden – zumindest offiziell. Heimlich lesen ja doch viele mit, sonst wären die Zugriffszahlen nicht zu erklären.
Das kann mich aber nicht von meinem Prinzip abbringen, Lob und Kritik ohne Ansehen der Person zu verteilen.
Heute heißt das konkret: Ich kann den vorsichtigen Pandemie-Kurs, den Theresa Faus bei ihren Veranstaltungen fährt, nur rückhaltlos unterstützen! Es ist ihr sicher nicht leicht gefallen, ihre Münchner Milonga ein ums andere Mal ausfallen zu lassen, weil ihr die Infektionszahlen zu hoch waren. Wir haben das ja in Pörnbach ebenso gehalten.
Auf Facebook kündigt sie nun ihr „Bailongo“ für den 15. März so an:
„Wir veranstalten unsere Milonga mit den maximalen Corona-Sicherheitsvorkehrungen, die möglich sind. Denn leider gibt es keineswegs Corona-Entwarnung, im Gegenteil, schon wieder steigen die Zahlen, und es ist meiner Meinung nach wirklich nicht der Moment, ‚Freiheit‘ auszurufen.
Es gelten also folgende Maßnahmen:
Maximal 45 Teilnehmer, Anmeldung erforderlich, bitte per Email (…)
Teilnahme nur mit 2Gplus = geimpft oder genesen und ZUSÄTZLICH ein zertifizierter Test, auch für Geboosterte. (…)
Vor Ort selbst testen ist nicht möglich.
Wir werden viel lüften. Und wenn jemand sich sicherer damit fühlt, mit Maske zu tanzen, nur zu! In anderen Ländern ist das Tanzen mit Maske Normalität - schaut euch mal aktuelle Videos aus z.B. Spanien oder Argentinien an.“
Aber nein - seit wann nehmen wir denn Argentinien zum Vorbild?!
Wie gesagt: Kompliment, dass Theresa Faus sich traut, bei ihrer sehr vorsichtigen Linie zu bleiben! Dies scheint man ja in München und auch anderswo eher locker zu sehen. Auch darüber habe ich bereits berichtet:
https://milongafuehrer.blogspot.com/2021/08/munchen-muss-abstriche-machen.html
Was mich besonders freut: Die Veranstalterin erhält für ihre restriktive Haltung sehr viel Zustimmung. Na gut - inzwischen hauen sich dort wieder drei Männer (wer sonst?) die Statistiken und Grafiken um die Ohren. Von „Tschau mit Au" steigert man sich über „Nörgelei" und „dumm daherschwätzen" bis zum Lieblingswort „Diskriminierung". Der am meisten Beleidigte von den Dreien kündigt schließlich den Totalrückzug an: „Wer mir einmal ins Gesicht spuckt, der kriegt nie wieder die Chance dazu."
Leute... wir streiten doch momentan über die Ukraine, nicht um Corona!
Ansonsten kann ich nur sagen: Jeder Veranstalter hat das Recht, seine Milonga so zu gestalten, wie er es gerne hätte. Hab ich jedenfalls vor Jahren gelernt, als ich für mehr musikalische Abwechslung und weniger Regeln plädierte...
Eindrucksvoll finde ich den Kommentar einer Tänzerin:
„Finde ich super und würde mir wünschen, dass unsere lokalen Milongas das ebenso hielten. Was mich besonders getroffen hat: Vor Weihnachten, als Delta noch vorherrschend war, bin ich mehrere Male mit FFP2 Maske tanzen gegangen. Nicht mit schnöder weißer Pappmaske, sondern schön schwarz und elegant aus Baumwolle. Einige Männer, mit denen ich sonst wirklich dicke bin, haben mich daraufhin gemieden. ‚Mit Schnuttenpullis tanze ich nicht‘, ‚so kommt für mich kein Tango feeling auf‘ und der Beste war ein schlichtes, lautes und aggressives Nein, als ich ihn begrüßen wollte, drehte sich um und ließ mich stehen.
Seid also gewarnt, es erfordert einiges an LMA-Einstellung, auf deutschen Milongas Maske zu tragen. Eins steht jedenfalls fest: Wer mich mit Maske gemieden hat und mich sozusagen dafür bestraft, dass ich mich und vor allem meine Eltern schützen wollte, braucht nicht zu meinen, dass ich jemals nochmal ohne Maske mit ihm tanze.“
Quelle: https://www.facebook.com/theresa.faus (Post vom 11.3.22)
Abgesehen davon, dass „Schnutenpulli“ jetzt zu meinem Lieblingswortschatz gehört: Ich kann die Schreiberin nur voll und ganz unterstützen. Mit einem solchen Hansel würde ich auch nie mehr tanzen! Nur darf ich schon daran erinnern, seit Jahren immer wieder darauf hingewiesen zu haben, welch männliche Hedonisten sich beim Tango herumtreiben. Hauptsache, sie haben ihr Vergnügen – dass eine Frau vielleicht deshalb mit Maske tanzen will, damit sie Corona nicht an Ältere, Schwache und Vorerkrankte überträgt, geht solchen Kerlen am Hintern vorbei.
Gut, dass es im Tango noch Frauen gibt, die sich von solchen Einstellungen nicht beeindrucken lassen! Nochmal: Kompliment. Vielleicht gelingt es mittelfristig doch, gewisse Leute aus der Szene zu graulen. Bei den Menschen, welche sich mehr musikalische Abwechslung wünschen, hat man’s ja auch geschafft.
Nun muss aber niemand befürchten, dass ich vor lauter Begeisterung am 15. März am Giesinger Bahnhof erscheine! Ich will die Toleranz von Theresa ja nicht überstrapazieren. Zudem… 45 Leute – das sind mir momentan noch ein paar zu viel. Aber man muss der Tangoszene wohl eine gewisse persönliche Abwechslung bieten. Auch wenn dann alle ziemlich gleich tanzen. Bei Wohnzimmer-Formaten ist halt das Jagdrevier zu klein.
Illustration: www.tangofish.de |
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