Ungeimpft sollst du nicht tanzen gehn
In der Tango-Facebookgruppe, aus der man nicht zitieren darf, stellte ein Mitglied gestern eine interessante Frage:
„Es geht um das Begrüßungsritual beim Betreten der Heimatmilonga, wo jeder jeden kennt. Usus vor Corona: Jeder umarmt jeden, egal, ob man gut befreundet ist, sich nur flüchtig kennt oder nie miteinander tanzt. (…) Auch wenn alle geimpft, getestet oder genesen sind, sollten wir nicht dennoch bestrebt sein, das Risiko der Virusverbreitung zu minimieren?“
Wie üblich gingen die Meinungen auseinander. Jeden und jede abzuküssen sei ja schon vor Corona nicht üblich gewesen. Nur Auserwählte seien in den Bussi-Genuss gekommen:
„Bei mir ist jede gegenseitig gewünschte Umarmung ein Ausdruck echter Zuneigung, die ausschließlich positive Gefühle hervorrufen soll.“
Manche erkennen nun, das Ganze sei sowieso ein Schmarrn gewesen:
„Diese Bussi Bussi Rituale sind eh dämlich! Weglassen!!!“
Weiterhin erfahren wir, wieso es in Berlin eh recht wenige Infektionen – egal womit – gegeben habe:
„Ich glaube, das ist regional verschieden. In Berlin beispielsweise begrüßt dich keiner!“
„Stimmt, da wird auch das sture ‚Durch-den-anderen-hindurch-schauen‘ schon in U-Bahnen geübt.“
„In Berlin kennen sich die Leute vom ‚Wegschauen und Nichtgrüßen‘, war also immer schon ein safe place.“
Schön, dass uns ein altgedienter Tangolehrer aus der Zeit vorm Krieg berichtet:
„Vor Tangozeiten war das Begrüßungsritual ein Händeschütteln. Unter Männern war ein vertrauliche-zärtliches ‚Na, Du altes Arschloch‘ ein üblicher Gruß unter Freunden, Küsschen waren selten, wurden auch dann oft homophob abgelehnt. Ein Küsschen unter Frauen war allerdings schon üblich.“
Na eben – lesbische Beziehungen waren ja nicht mal unter Adolf offiziell verboten…
Den Vogel schoss wieder einmal ein Kommentator ab, der schon mehrfach versucht hat, Corona-Generaldebatten vom Zaun zu brechen. Wie immer geht es von Zahlenspielereien zu Behauptungen, man werde durch die böse Mehrheit von den Milongas ferngehalten:
„Mal die Wahrscheinlichkeit ausrechnen, dass was passiert. (…) Vorsicht, man braucht viele Nullen nach dem Komma, bevor der Unterschied kommt. Die Anzahl der Nullen, die man nicht sehen will, weil man alle umarmen alle für unglaublich verantwortungslos und gefährlich hält, entspricht ungefähr der Indoktrinierung und Paranoidität bei der Angelegenheit.“
„Also, es gibt hier Leute, die wollen nur Geimpfte in Milongas reinlassen, und die Ungeimpften aus der Tango-Kultur ausgrenzen, oder? (…) Aber ich soll derjenige sein, der die Gesellschaft spaltet ???“
Ja, sicher: Weil solche Leute jede Gelegenheit nutzen, sich als ausgegrenzt und verfolgt darzustellen. Das spezielle Thema einer Diskussion ist ihnen dabei egal. Hauptsache, mal wieder eine Generaldebatte zu inszenieren!
„Das Problem dabei ist, dass diese Übergriffigkeit von den allermeisten nicht bemerkt wird, weil sie eben dem medial-politischen Mainstream, d.h. der aktuell laufenden Indoktrinierung entspricht.“
Das demokratisch höchst Verdächtige solcher Leute besteht darin, dass sie Mehrheitsentscheidungen nur akzeptieren, wenn sie ihnen in den Kram passen. Ansonsten sind diese nur Ergebnisse einer Manipulation oder (siehe Sachsen-Anhalt) einer Wahlfälschung.
Nach einer aktuellen Umfrage halten 61 Prozent der Befragten die Anti-Corona-Maßnahmen für angemessen, 13 Prozent gehen sie nicht weit genug – insgesamt also mehr als eine Zweidrittelmehrheit.
https://de.statista.com/infografik/23810/umfrage-zur-angemessenheit-der-aktuellen-corona-massnahmen/
„Für ‚Gejammer‘ über ‚böse‘ Politiker usw. gibt es meiner Meinung nach allen Grund, die ganze Sache ist ja nachweislich ohne Ende korrupt, geplant und vorbereitet und wird machtpolitisch und finanziell ausgeschlachtet ohne Ende; nur allerdings von den Mainstreammedien wird alles vertuscht und bestritten.“
„Ah, ja, wir leben ja in der Zeit des Impffaschismus.“
Ach so – jetzt verstehe ich endlich: Die Nazis haben 6 Millionen Juden umgebracht, weil die sich nicht impfen lassen wollten – wogegen auch immer. Muss einem doch gesagt werden…
Was mich immer wieder fasziniert: Diese Leuten scheint es nur darum zu gehen, dass sich die Erde (soweit sie nicht als Scheibe gesehen wird) einzig und allein um ihren werten Hintern dreht.
Seit Jahren werde ich belehrt, dass Milongaveranstalter die freie Auswahl hätten, welche Musik gespielt werde, welche Tanzregeln einzuhalten seien und wie man aufzufordern habe. Obwohl ich das nie bestritten habe, erhielt ich zwei Hausverbote – wegen meiner abweichenden Gesinnung.
Darf man dann einmal zart darauf hinweisen, dass dies alles Kinkerlitzchen gegenüber dem Schutz vor einer potenziell tödlichen Infektion sind? Ich hoffe sehr, dass die Veranstalter hier ihrer Verantwortung gerecht werden. Klar, es ist – innerhalb des behördlich vorgegebenen Rahmens – ihre Entscheidung. Aber sie sollten sich nicht von solchen Krakeelern beeindrucken lassen.
Übrigens ist es überhaupt nichts Neues, dass man nicht in jede Veranstaltung eingelassen wird – beispielsweise bei Encuentros. Oder in angesagte Clubs – die Türsteher geben da gerne Auskunft. Auch bei Impfungen gibt es längst solche Auflagen: Über 100 Länder fordern beispielsweise eine Gelbfieberimpfung, wenn man aus einem Infektionsgebiet kommt.
Selbstverständlich werden auch wir in Pörnbach auf Schutzmaßnahmen bestehen, wenn wir demnächst eine reduzierte Gästezahl zu unserer Wohnzimmer-Milonga einladen. Ich glaube aber, das wird für unsere Besucher kein Problem sein: Ich kenne sie als verantwortungsvolle und zuverlässige Menschen.
Querulanten wie den obigen Facebook-Kommentator brauchen wir ganz sicher nicht. Aber die haben sich noch nie in unser Tangodorf verirrt.
Ungeküsst zu tanzen halte ich für vertretbar. Wer die Anspielung im Titel nicht verstanden haben sollte: Ungeimpft dagegen sollte man lieber nicht zum Tango gehen – ungeküsst schlafen gehen erst recht nicht. Robert Stolz schrieb diesen wunderschönen Slowfox für die gleichnamige österreichische Filmkomödie mit Heinz Rühmann und Liane Haid aus dem Jahr 1936.
Maßgeschneidert ist dieser Titel sicherlich für den Charmebolzen Peter Alexander:
Quelle: https://www.facebook.com/groups/tangoforum/ (Post vom 20.6.21)
„Vor Tangozeiten war das Begrüßungsritual ein Händeschütteln. Unter Männern war ein vertraulich-zärtliches ‚Na, Du altes Arschloch‘ ein üblicher Gruß unter Freunden, Küsschen waren selten, wurden auch dann oft homophob abgelehnt. Ein Küsschen unter Frauen war allerdings schon üblich.“
AntwortenLöschenMuss man eigentlich bei Kommentaren immer einen Smiley dazusetzen, damit es als Satire erkannt wird? Na gut, das hole ich jetzt nach.
:-)
Das beschriebene Begrüßungsritual war selbst noch in den 90ern bei älteren Herren als durchaus üblich zu beobachten.
Im Übrigen zähle ich auch als "altgedienter" Tangolehrer zur Nachkkriegsgeneration.
Und was meine Verantwortung als Veranstalter angeht, werde ich auch noch auf unserer Milonga Anfang Juli Schnelltests und Impfnachweise verlangen.
Ich hab das schon als Satire erkannt und versucht, es im gleichen Tonfall zu kommentieren.
LöschenUnd ja, schon klar: Die Vorkriegsgeneration stirbt derzeit so langsam weg...
Was die Verantwortung der Veranstalter betrifft, sehe ich das genauso!
Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.
AntwortenLöschenDer Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.
AntwortenLöschenGelöscht wegen des beleidigenden Inhalts - und der Verwendung eines Falschnamens.
LöschenEs war für micht nicht einfach, nach Deinem Versuch, einige alte Generaldebatten (Umgangsformen, Encuentros, Hausverbote) vom Zaun zu brechen, die Kernaussage zu finden, ich vermute diese ist: "Ungeküsst zu tanzen halte ich für vertretbar ... ungeimpft dagegen sollte man lieber nicht zum Tango gehen"?
AntwortenLöschenAlso wenn ich mit jemandem tanze, dann glaube ich nicht, dass eine vorherige Umarmung bei der Begrüßung das Risiko noch deutlich erhöht. Und ich glaube auch nicht, dass ein Veranstalter das reglementieren wird
...
und es gibt ja nicht "geimpft oder nicht", sondern wie alt, wann geimpft, womit geimpft, welche gesundheitliche Verfassung, wie ist die Mutationslage? Ich glaube beispielsweise nicht dass jemand mit +20 Jahren, vor 6 Monaten geimpft, mit Astra Zeneca, einem BMI +10, sich einem geringeren Risiko aussetzt als ich. Mir hat also aus gutem Grund noch niemand ein Impfangebot gemacht.
Ich empfehle immer, auf der Suche nach der Kernaussage eines meiner Artikel auf den Titel zu sehen.
AntwortenLöschenUnd klar, wenn ich eh mit jemandem tanze, darf ich ihn vorher auch abbusseln. Bei den restlichen Gästen wäre ich vorsichtiger.
Sicherlch hat das Problem etliche Facetten. Ich habe lediglich dafür plädiert, dass die Veranstalter eigenverantwortliche Entscheidungen treffen und sich nicht mit Vorwürfen unter Druck setzen lassen.
Ach so - ich bevorzuge Veranstalter die angemessen Lüften und GGG durchsetzen, selbst wenn es keine behördliche Vorschrift ist. Oder halt Open-Air-Milongas.
LöschenNa, dann sind wir uns ja durchaus einig.
Löschen