Delta Tango

 

Nach übereinstimmenden Schätzungen ist die Coronavirus-Mutante B.1.617.2, besser bekannt als Delta-Variante, um die 60 Prozent ansteckender als die bislang bei uns dominierende Form B.1.1.7 (Alpha). Der Immunschutz durch Impfungen ist geringer. In England macht sie schon über 90 Prozent der Neuinfektionen aus. Bei uns ist dieser Wert bereits auf zirka 50 Prozent gestiegen. Wer im Unterricht Evolutionslehre nicht geschwänzt hat, weiß: In kurzer Zeit wird auch Deutschland den englischen Wert erreichen.

Indiens Gesundheitsministerium vermeldete vor einer Woche, es seien bereits rund 40 Fälle einer sogenannten „Delta Plus“-Variante (B1.617.2.1) registriert worden. Diese sei besonders ansteckend und binde sich stärker an Lungenzellen. Sie unterscheidet sich von der herkömmlichen Delta-Variante durch eine weitere Mutation am Spike-Protein, das für das Andocken an menschliche Zellen verantwortlich ist.

Zudem bewirkt die Delta-Variante mit laufender Nase und Kopfschmerzen andere als die klassischen Corona-Symptome und ist daher leicht mit einer „Sommergrippe“ zu verwechseln. Die Gefahr ist größer, dass man die Anzeichen missdeutet und unvorsichtig ist.

https://www.deutschlandfunk.de/delta-variante-wie-gefaehrlich-ist-b-1-617.1939.de.html?drn:news_id=1274416

Warum man dann heute im Londoner Wembley-Stadion zuließ, dass sich dort etwa 45000 Zuschauer drängten, kann man nur mit der Geldgier der Verantwortlichen erklären. Zudem sitzt man in solchen Bauten nur zum kleineren Teil „an der frischen Luft“, weil der ganze Kessel nur über dem Spielfeld oben offen ist. Und Gebrüll plus Gesänge sind ideale Aerosol-Produzenten. Derzeit beträgt in Großbritannien die Inzidenz über 170 – der höchste Wert seit dem Januar dieses Jahres.

Neulich bei unserem Open Air-Auftritt hatte Karin die Auflage, beim Singen einen Abstand von 2 Metern zum Publikum einzuhalten. Aber Kurkonzerte haben eben nicht den Stellenwert der Balltreterei…

Auch in der Münchner Allianz-Arena hat man es neulich zähneknirschend hingenommen, dass sich über 10000 Zuschauer nicht an die Maskenpflicht hielten. Merke: Fußballanhänger stellen ein großes Wählerpotenzial dar! Aber immerhin hat man die Regenbogenfarben geschwenkt…

Heute Vormittag bekam ich auf N-TV eine Umfrage mit: „Sind EM-Spiele in vollen Stadien zu gefährlich?“  Der aktuelle Stand lautete: 97 % ja, 3 % nein. Das heißt, fast alle wissen ganz genau, was Sache ist. Für bestimmte Ego-Projekte ist es aber manchen egal.

Die gibt es nicht nur im Fußball, sondern auch beim Tango. Hier einige Fundstücke der FB-Veranstaltungsseite „Tango München“:    

Levent Göksu verlautbart für seinen Tango am Königsplatz am 27.6.21:

„Gestern...voller stolz

Otra, Otra, Otra Wow, gestern haben wir mit Lo de Laura München am Königsplatz eine Megalonga erleben dürfen. Die Tanzfläche war stundenlang überfüllt. Super tolle Stimmungsmusik von Baki. Super tolle Milonga. Viel durften wir voller Stolz unsere Hüften schwingen. Wir freuen uns auf die nächste gemeinsame Milonga Otra Vez.“

Susanne Mühlhaus kündigt am selben Tag an:

„HEUTE Sonntag, Milonga Tango Sur mit DJ Christian Beyreuther. Tanzen auf Parkettboden und lauschiger Außenbereich  Vorher: 17:00 Anfängerkurs, 18:15 Workshop Fortgeschrittene, ab 19:30 Milonga. Alles ohne Anmeldung. Wir freuen uns auf Euch“

Bei Fabián Lugo klingt es einen Tag vorher ähnlich:

„Tango Tanzen super safe und super schön im atemberaubenden Festsaal des Augustiner Schützengartens im Obergeschoss! 300qm bestes Parkett, magischer Sundowner Terrasse und bayerisch-majestätischem Flair - COME and ENJOY mit den besten TänzernInnen in und um München! Geöffnete überdimensionale Fensterfronten auf 2 Seiten versorgen uns ständig mit frischer Luft - Ready for Gänsehaut und Glücksgefühle? Dann sei dabei!

18.30h - 19.30h Workshop - paarweise Anmeldung erforderlich

19.30h - 24.00h Milonga - KEINE Anmeldung erforderlich“

Trotz heftigen Suchens entdeckte ich in keinem dieser Fälle irgendwelche coronabedingte Einschränkungen oder Hinweise auf Hygieneregeln. Nein, das Motto lautet schlicht: Kommet zuhauf und macht Tanzboden und Kasse voll!

Martha Giorgi weht es bei ihrem Werbefoto am 28.6.21 wenigstens nur den Rock bis fast zum Nabel hoch. Da halte ich die Infektionsgefahr für begrenzt. 

Darf man also jetzt wieder ohne alle Beschränkungen tanzen? Wahrscheinlich sind diese Angebote sogar irgendwie mit den behördlichen Vorschriften kompatibel. Ich halte sie dennoch für absolut verantwortungslos.

Natürlich kann ich nach weit mehr als einem Jahr Pandemie die Sehnsucht nach „Normalität“ verstehen. Nur: Es sind doch momentan – ob beim Einkaufen, in der Gastronomie oder bei Krankenbesuchen – schon wieder viele Aktivitäten möglich, die wir schmerzlich vermisst haben. Können wir es nicht ein wenig langsamer angehen lassen?

Ich sehe eine deprimierende Parallele zwischen Fußball und Tango: Eigentlich sollte es doch um die Freude an der Bewegung, am Sport oder an der Musik gehen. Stattdessen müssen viele ihre Freizeit zu Klumpen geballt verbringen. Man sucht nicht den Sport oder den Tanz, sondern die Fan-Horde oder das Ronda-Rudel.

Klar ist es oft schön, beim Tango andere Menschen zu treffen. Darf man ja. Aber ab wieviel Teilnehmer macht es Spaß? Erst ab hundert?

Ich habe mich bereits im August letzten Jahres bei den „Corona-Vollidioten“ bedankt, die uns durch ihre Unvernunft die winterliche Welle bescherten:

http://milongafuehrer.blogspot.com/2020/08/allmahlich-werd-ich-sauer.html

Es könnte heuer wieder ähnlich kommen – vielleicht durch eine weitere leckere Variante, welche die Impfungen unterläuft. Dazu noch etwas Genetik für Anfänger: Das Zufallsereignis einer solchen Veränderung des Erbgutes hängt vor allem von der Zahl der Replikationen ab. Sprich: Je mehr Infektionen, desto mehr Mutanten.

Das wäre dann das Omega für den Tango – falls der Mensch sich blöder verhält als das Virus.

https://www.youtube.com/watch?v=YyztFeHNmUU  

Quelle: https://www.facebook.com/groups/13265391185

Kommentare

  1. Gerade schrieb Theresa Faus auf ihrer Facebook-Seite:

    "Mein Plan, im Giesinger Bahnhof die erste ‚3G‘ Milonga in München zu veranstalten, ist leider bis auf weiteres nicht durchführbar. 3G‘ bedeutet, dass nur Geimpfte, Genesene und Getestete teilnehmen können, und das ist momentan Standard in einigen Bundesländern, z.B. Nordrhein-Westfalen.
    In Bayern ist bei Tanzveranstaltungen das ‚Rahmenkonzept Sport‘ anzuwenden. Dieses sieht 3G nur für Inzidenzen von über 50 vor und hat ansonsten Abstandregeln, nach denen, wohlwollend gerechnet, im Giesinger Bahnhof allerhöchstens 8 Paare tanzen dürften. Meine Klärung mit den Behörden hat ergeben, dass es dazu momentan keine Alternative gibt.
    Nach meiner Einschätzung ist auch bei intensivem Lüften und stets eingehaltenem Abstand von 1,5 m (was enorme neue Anforderungen an die Ronda-Fähigkeiten stellen würde!) das Risiko größer, als wenn an der Milonga nur Geimpfte, Genesene und Getestete teilnehmen und sich dann nicht mehr um Abstände kümmern müssten und unbeschwert Partner wechseln könnten. Als Veranstalterin möchte ich jedenfalls das Risiko so weit wie möglich minimieren, dass meine Milonga zum Corona-Hotspot wird, und es soll trotzdem eine ‚normale‘ Milonga sein."

    Na, das ist doch mal eine Stimme der Vernunft!
    Wobei ich eine Milonga mit 8 Paaren durchaus schön fände...

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