Schatz, wir müssen reden!


„Wenn ein Mann seine Meinung sagt, ist er ein Mann. Wenn eine Frau ihre Meinung sagt, ist sie ein Miststück."
(Bette Davis)

Erwartungsgemäß hat mein Text „Sexuelles Fehlverhalten in der Milonga“ viel Aufmerksamkeit erregt (klar: „Sex and Crime“). Auch angesichts von Kommentaren dazu kam mir die Frage: Warum reden die Geschlechter gerade in solchen Situationen nicht mehr miteinander? Vor allem den Männern, so mein Eindruck, verschlägt es in erotischen Situationen vollends die Sprache – stattdessen wird umso mehr gefummelt, öfters ohne Erfolg oder sogar von Abstrafung begleitet. Dann ist das Geschrei groß!

Liegt es daran, dass die Herren per se die großen Schweiger sind? Nach einem bekannten Ondit habe ja der Männe, wenn er abends von der Arbeit nach Hause komme, sein geringeres Vokabular bereits verbraucht, während die Gattin noch über deutliche Reserven verfüge, welche sich dann über den armen Kerl ergössen.

Wissenschaftliche Untersuchungen belegen aber keinen großen Unterschied:

„Das Forscherteam um Matthias Mehl von der University of Arizona hat nun erstmalig sechs Jahre lang die Gespräche von fast 400 Studenten aus den USA und Mexiko mit einem selbst entwickelten Spezialrekorder aufgenommen. Dabei kamen Frauen im Schnitt auf 16.215 Wörter am Tag, Männer auf 15.669. Die Damen sprechen also jeden Tag ein paar Worte mehr, das sei aber kein signifikanter Unterschied, so die Forscher.“

Dort, wo man genügend Zuhörer hat, sprechen Männer sogar deutlich mehr. In Hollywood-Filmen beispielsweise haben die Schauspielerinnen vergleichsweise wenig zu sagen:

„Bei drei Vierteln aller Filme haben Männer mehr Zeilen zu sprechen, in 15 Prozent aller Filme sprechen Männer sogar 90 Prozent aller Sätze - nur in 0,4 Prozent der Filme sprechen Frauen mehr als 90 Prozent. Das hat die amerikanische Rechercheplattform The Pudding errechnet. Sie untersuchte 2000 Drehbücher und ordnete die gesprochenen Zeilen den Darstellern zu.“

Dies lässt sich im Berufsleben ganz allgemein beobachten: Ab 6 Personen in einem Meeting sinkt der durchschnittliche weibliche Redeanteil dramatisch – ebenso, je mehr männliche Kollegen anwesend sind. Und, wer hätte das gedacht: Gerade mächtige Männer gehören zu den Dauerrednern.

Frauen sprechen in solchen Situationen schneller und kürzer, denn die Wahrscheinlichkeit, dass man ihnen ins Wort fällt, ist deutlich größer.
„Redezeit ist ein Statussymbol", sagt Marianne Schmid Mast, Professorin für Organisationsverhalten an der wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Universität Lausanne.

Dies gilt nach den Feststellungen der deutsch-türkischen Schriftstellerin Hilal Sezgin auch für Fernseh-Talkshows:
Männer könnten vor laufender Kamera etwa anderthalbmal so lange reden, ohne dass irgendwer etwas dabei finde. Männer im vorgerückten Alter gäben jede noch so periphere Anekdote von sich, 90 Sekunden oder gar 120 Sekunden lang. „Aber wenn du als Frau in einer schnellen Talkshow 45, gar 60 Sekunden am Stück ergattern willst, musst du deine Argumente gut sortieren und die Sätze möglichst präzise raushauen, Stück für Stück", sagte Sezgin in einem Interview.
(Quelle: siehe oben)

Doch Vorsicht: Nach einer Studie der Yale Universität werden Frauen mit hoher Rede-Intensität von beiden Geschlechtern als aggressiv empfunden. Bei Männern dagegen gilt es als normal, wenn sie ihren Standpunkt deutlich und energisch vertreten.

Was ich auch immer wieder beobachte, wenn eine Rednerin auftritt (beispielsweise bei Begrüßungen auf Milongas): Die Damen sind schwerer verständlich, da sie zu schnell, zu leise und zu hoch sprechen. Noch eindrucksvoller ist das Baby-Gequäkse von jungen Damen, die sich für kommende Stars in der Unterhaltungsbrache halten. Die Tragik ist halt: Ein höherer Tonfall – gar noch mit dem Kindchenschema garniert – wirkt weiblicher. Tiefere, sonore Stimmen aber empfinden auch weibliche Zuhörer als angenehmer und überzeugender. Kein Wunder, dass die Mehrzahl der Hörbücher von Männern vorgelesen wird!

Höchst aufschlussreich finde ich auch ein Interview mit der Unternehmensberaterin Marion Knaths:

Schon kleinen Jungs gehe es beim Spielen ums Gewinnen, bei Mädchen eher um die Gemeinschaft. Die wichtigste Gesprächs-Strategie bei männlichen Konferenzteilnehmern laute: Rangordnung vor Inhalt. Und bei einem männlichen Chef würden sich alle Männer „wie Kompassnadeln nach Norden zur Eins hin ausrichten“. Frauen dagegen versuchten, sich an die gesamte Gruppe zu wenden. Das funktioniere halt nicht. Daher: „Immer an die Eins sprechen!“

Die Hoffnung: In männlich dominierten Gruppen kippe das System ab einem Frauenanteil von zirka 30 Prozent.

Allein bei Beziehungsgesprächen versagt die männliche Beredsamkeit. Nach einer Umfrage sprechen Paare durchschnittlich täglich zirka 100 Minuten miteinander, nur höchstens 15 Prozent der Zeit (also eine Viertelstunde) geht es um mehr als Alltägliches – mit abnehmender Tendenz, je länger die beiden zusammen sind.

Warum besitzen solche Unterredungen für Männer die Attraktivität eines Zahnarztbesuchs? Frauen zielen bei verbaler Kommunikation eher auf Harmonie und zwischenmenschliche Kontakte, sie verwenden viel häufiger Personalpronomina wie „ich“ oder „wir“ und fügen relativierende Wendungen wie „vielleicht“ und „irgendwie“ ein. Sie streben danach, gemocht zu werden.

Die Herren beschäftigen sich lieber mit Fakten und klaren Ansagen – Dinge, die sie im Beruf oder Hobby gut einsetzen können. Haben sie eine gute Idee, wollen sie diese sofort verwirklichen. Wenn sie über Gefühle sprechen sollen, hilft ihnen das allerdings gar nichts. Und bei Kritik fühlen sie sich schnell in ihrem Stolz verletzt.   

Seien wir daher froh, im Tango ein nonverbales Kommunikationsmittel zu besitzen, das uns über viele dieser Schwierigkeiten hinweghelfen kann.
Benützen wir es zum Tanzen und nicht zum Fummeln!

Und Sturmangriffe zur Eroberung einer Dame sind eher unnötig:

„Jeder Mann kann eine Frau dorthin bringen, wo sie ihn haben möchte."
(Dustin Hoffman)

Noch ein paar schöne Beispiele:

Kommentare

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