Will er nur spielen?


Eigentlich war es vorherzusehen: Mein Artikel „Sexuelles Fehlverhalten in der Milonga“ hat es innerhalb eines Monats geschafft, (an den Zugriffen gemessen) in der „ewigen Bestenliste“ auf Platz 9 von 912 Veröffentlichungen zu landen. Klar, „Sex and Crime“ wird immer gern gelesen.

Ebenso abschätzbar war es, dass sich kaum eine Frau öffentlich dazu äußern mochte – privat jedoch habe ich einige hoch interessante Gespräche mit Tänzerinnen geführt: Zweifellos ist es ein Thema, das beim Tango „hinter vorgehaltener Hand“ intensiver diskutiert wird als viele andere.

Resümee: So ganz direkt (wie es die Tänzerin im Text berichtet) angetatscht oder abgeschleckt werde man hierzulande kaum. Was allerdings häufiger vorkomme, seien gewisse Manöver, die der Tanguero offiziell als „tänzerisch“ hinstellt, bei denen man allerdings das Gefühl habe, sie seien eher das Mittel zu ganz anderen Zwecken.

Beliebt ist da natürlich alles, was hart macht: Klebrige enge Umarmungen, Beinhaken aller Couleur, welche einen intensiven Kontakt (wenn man Glück hat, nur) der Oberschenkel erzwingen und den Rock gegen die Schwerkraft bewegen – gerne auch zehnmal hintereinander – Aufsitzerle und Posen, bei denen die Tänzerin horizontal gen Erden abgesenkt wird. Und bei sehr modernen Tangointerpretationen sind sowieso fast alle Griffe erlaubt – natürlich ohne Hintergedanken und lediglich zum Ausdruck der Musik sowie erhabener Gefühle…

Als Mann beobachte ich derlei „Spompanadeln“ natürlich öfter und mit leisem Amüsement. Na bitte, wenn’s ihnen Spaß macht! Erstens bin ich nicht der Hüter meiner Schwestern, zweitens der Letzte, der nun irgendwelche „Tanzregeln“ aufstellen möchte – und bei Showpaaren fliegen die Röcke zumeist noch höher. So what?

Was mich gelegentlich nervt, ist das laute Gegacker und Gekreische, mit dem manche Tangueras auf derlei körperliche Begegnungen der Dritten Art reagieren – aber gut, das Vergnügen scheint ja grenzenlos zu sein. Nur manchmal beschleicht mich gerade wegen solcher übersteigerter Reaktionen die zarte, aber bange Frage: Fühlt sich das wirklich so schön an oder möchte man eher seine Unsicherheit, das „komische“ Gefühl dabei, lautstark übertönen, auf dass man nicht „uncool“ herüberkomme?

Persönlich handhabe ich solche „körperintensiven“ Aktionen mit Vorsicht. Zwar bin ich der Letzte, welcher im laschen Herumtappen die Krone der Tangoschöpfung sieht – im Gegenteil: Ich liebe große, dynamische Moves – wenn sie denn zu Musik sowie Platzangebot passen – und vor allem von der Tanzpartnerin keine Signale kommen, dass sie sich unwohl fühlt. Es gibt halt Frauen, die mögen keine Ganchos oder Boleos – das merke ich dann spätestens beim dritten Versuch und lasse es. Asentadas gar, Hebefiguren oder Sprünge tanze ich ausschließlich mit Partnerinnen, die ich sehr gut kenne und weiß, dass sie keine Schreckreaktion liefern, was die Sache dann ziemlich behindern, unelegant wirken lassen oder sogar gefährlich machen würde.

Weiterhin bin ich zwar alles andere als ein Experte für Damenmode, mir ist allerdings schon klar, dass man Tangueras in diversen knappen Kleidungsstücken bestimmte Bewegungen nicht zumuten sollte, weil es dann abwechselnd oben oder unten zu kurz werden könnte. Das Parkett ist kein angemessener Platz für eine Peepshow! (Gut, man könnte auch ein geschlossenes Oberteil und eine bequeme Hose tragen – aber das ist nicht mein Problem.)

Trotz allem bin ich mir gelegentlich nicht sicher, ob meine etwas heftigere Tanzweise der Partnerin wirklich Freude bereitet oder sie eher „gute Miene zum bösen Spiel“ gemacht hat: Akustische Lust- und Angstäußerungen klingen beim zarten Geschlecht leider manchmal ähnlich. Daher wäre ich im Zweifelsfall froh, wenn man mir Bedenken ehrlich anvertrauen oder meine gelegentliche Frage, ob es „zu stressig“ gewesen sei, wahrheitsgemäß beantworten würde. Selbstverständlich würde ich die Dame ein anderes Mal wieder auffordern – schon, weil man mich mit Aufrichtigkeit beeindrucken kann.

Ich fürchte nur, genau da liegt im Tango der Pferdefuß: Die Frauen fürchten, als Tänzerin, die sich „zickig“ verhält, nicht mehr aufgefordert zu werden. Und außerdem hat es der Typ doch gar nicht böse gemeint – es ging ihm doch ausschließlich ums kunstvolle Tanzen, oder?

Nein, meine Damen: Verlasst Euch auf Euer Bauchgefühl! Es liegt weniger an den anatomischen Abläufen, ob sich eine Berührung „clean“ oder „dirty“ ausnimmt. Und ich garantiere Euch: In 95 Prozent der Fälle ist Euer Unwohlsein völlig berechtigt.

Die Kerle wissen fast immer ganz genau, was sie tun! Ich behaupte einmal, wenn Frauen keine Brüste hätten, würde sich die im konservativen Tango geradezu vorgeschriebene „enge Umarmung“ von selber erledigen. Wie nahe ich nämlich aus tänzerischen Gründen meiner Partnerin wirklich kommen muss, hängt von vielen Einflüssen ab und ist daher variabel. Und dann passt es auch.

Nun will ich natürlich niemandem den Spaß verderben: Ich kenne auch Frauen, die sich ranschmeißen wie nichts Gutes, denen kein Griff zu eng oder zu verboten ist. Bitte sehr – nichts dagegen, wenn man sich einig ist. (Und selber schau ich halt dann weg, weil sich meine Begabung zum Voyeur in Grenzen hält und sich, wenn schon, auf Ästhetischeres bezieht.)

Andernfalls – und diesen Appell äußere ich gerne auch noch zehn Mal, wenn es denn hilft: Signalisiert dem Tanzpartner, wenn Ihr gewisse Aktionen nicht mitmachen wollt! Das klappt manchmal ohne Worte und ziemlich sicher, wenn man es ausspricht: „Ich möchte solche Sachen nicht mit Dir tanzen.“ Punkt. Ohne Begründung. Keine Frau muss sich wegen ihrer persönlichen Grenzen rechtfertigen oder erklären, warum sie etwas mit dem einen Tänzer gerne ausführt und mit dem anderen nicht.

Übrigens ist der letzte Beweis dafür, dass man mit seinem Argwohn recht hatte, wenn der Kerl dann auch noch eine Debatte anzetteln möchte nach dem Motto: „Ja, warum denn nicht? Hast du etwa Angst? Ich bringe es dir bei, das üben wir beim nächsten Mal.“ Ja, Pfeifendeckel!

Wenn solche Tänzer einen dann zukünftig ignorieren, würde ich dies als große Gnade empfinden. Wenn nicht, darf man ausnahmsweise mal einen Korb geben: Ladies, solche Kerle braucht ihr wahrhaftig nicht! Vielleicht fordern euch dann andere Tänzer umso lieber auf. Und da plaudere ich gerne aus dem Nähkästchen: Wenn ich sehe, was manche Tangueras auf dem Parkett (oft mit Verzweiflung im Blick) mit sich anstellen lassen, erhöht das ihre Chancen, von mir aufgefordert zu werden, eher nicht. Ich stehe nämlich auf Persönlichkeit.

„Der will doch nur spielen“ – der Satz, den jeder Hundebesitzer auswendig kann, mag ja im Einzelfall stimmen. Doch auch von einem prinzipiell gutartigen Köter muss ich es mir nicht gefallen lassen, wenn er an mir hochsteigt und mein Gesicht abschleckt!  

Und so gut sieht Erotik auch nur aus, wenn man es wirklich kann:

Kommentare


  1. Manche scheinen es ja nicht zu glauben.
    Wollte aber mal meine Erfahrungen zu dem Thema berichten:

    Als ich als Anfängerin einen Tanzpartner gesucht habe, geriet ich an einen erfahrenen Tänzer der mir was beibringen wollte. Er erzählte mir was der Tango ihm alles gegeben hätte und dass er es weitergeben möchte und wohl auch schon oft hat. Nach dem 2.Treffen (verliefen beide sehr gut, fast professionell) hat er mich bis nach Hause verfolgt! Das bekam ich leider nicht mit, umso größer war der Schrecken und ich hatte wahnsinnige Angst. Hab ihm natürlich angeschriehen. Er hat sich entschuldigt. Ende vom Lied: wir gehen uns aus dem Weg

    Eher ältere, wenn überhaupt mittelmäßige Tänzer werden gerne übergriffig.
    Ich bin schon während des Tanzens
    geküsst (2x);
    gestreichelt;
    betascht (Busen und Po);
    in die Ecke gedrängt worden;
    beim Gancho schaffen es tatsächlich einige wenige Exemplare , dass ich das "gute Stück" zu spüren bekommen...
    einer hat es auf die Spitze getrieben: er führte den Gancho relativ häufig, ich führte ihn nur halbherzig aus in der Hoffung er lässt es. beim letzten Versuch griff er mir in die Kniekehle und zog mein Bein zu sich hoch und meinte: so gehört es sich!
    und einer war ganz direkt und wollte mich mit ins Hotelzimmer nehmen und ließ auch trotz Verneinung kaum locker
    und natürlich oft der Klassiker: eng tanzen, ohne Rücksicht ob ich es auch möchte..

    Und ich bin zwar klein und schlank, aber weiß Gott keine Schönheit.
    Ich ziehe mich ordentlich an. Röcke immer kniebedeckt und oben rum nicht ausgeschnitten, da ich eh kaum Busen habe. Habe auch schon zu hören bekommen ich sollte mich doch sexier anziehen...

    Das sind meiner Erfahnungen der letzten 2 Jahre. Wenn nicht auch ein paar nette Tänzer dabeigewesen wären, hätte ich schon längst entnervt aufgegeben.


    Ich möchte meinen Namen zu diesem Thema hier nicht stehen sehen.
    Vielleicht ist das verständlich

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. In diesem Fall akzeptiere ich ausnahmsweise den anonymen Kommentar. Übrigens kenne ich solche Beispiele auch aus persönlichen Berichten von anderen Tangueras, die ebenfalls nicht namentlich genannt werden wollen.

      Ich kann nur raten, Tänze solcher Art sofort abzubrechen, solchen Männern in Zukunft einen Korb zu geben und in krassen Fällen auch einmal mit dem Veranstalter zu sprechen. Und vor derartigen "Privatstunden" zu zweit kann ich nur abraten.

      Dennoch glaube ich, solche Verhältnisse werden sich erst ändern, wenn öffentlich Ross und Reiter genannt werden - also auch die Milongas, auf denen so etwas häufiger passiert.

      Löschen

Kommentar veröffentlichen

Hinweis zum Kommentieren:

Bitte geben Sie im Kommentar Ihren vollen (und wahren) Namen an und beziehen Sie sich ausschließlich auf den Inhalt des jeweiligen Artikels. Unterlassen Sie herabsetzende persönliche Angriffe, gegen wen auch immer. Beiträge, welche diesen Vorgaben nicht entsprechen, werden – ohne Löschungsvermerk – nicht hochgeladen.
Sie können mir Ihre Anmerkungen gerne auch per Mail schicken: mamuta-kg(at)web.de – ich stelle sie dann für Sie ein.