Die Daheimgebliebenen: ein Jahr „Wohnzimmer-Milonga“
Für
den Faschingsdienstag vor einem Jahr luden wir zum ersten Mal zu einer Milonga im
heimischen Wohnzimmer ein. Schon öfters
hatten wir vorher mal den Teppich weggerollt und zu Dritt oder Viert auf
unsere Lieblingsmusik getanzt, die man in deutschen Milongas nur sehr selten
(oder gar nicht) hört.
Warum
nicht den kleinen Kreis erweitern – bis zur maximalen Fassungsgrenze unserer
Behausung von zirka einem Dutzend Gästen? Die kamen auch schon beim ersten Mal –
und der nächste Termin (netterweise der Karfreitag) war dann mit insgesamt 17
Personen am Limit dessen, was wir unseren Besuchern hinsichtlich Platzbedarf
zumuten können.
Einige
Monate später boten wir erstmals Livemusik mit den beiden Damen unserer „Pörnbacher
Hauskapelle“: Für einen solchen Rahmen schon ein ziemlicher Luxus – vielleicht bewerben
wir uns beim Guinness-Book einmal unter dem Stichwort „kleinste Milonga der
Welt mit lebenden Musikern“…
Von
2007 bis 2009 veranstalteten wir einen öffentlichen monatlichen Tangoabend. Obwohl
wir im Schnitt 35 Gäste hatten, konnte ich die „Schere im Kopf“ nie ganz
loswerden: Ja niemanden verärgern, allen Wünschen entsprechen, musikalisch nicht
zu schwierig werden – es könnten ja Besucher wegbleiben! Und deren
Anspruchsdenken ist teilweise schon heftig: Musikwünsche sind ja noch
verständlich – nur wenn mir dann in der
Hektik des Auflegens ein Titel lediglich vorgesummt wird, ich mich um die
Behebung von Zugluft, Zigaretten- bzw. Sicherheitsnadelmangel kümmern muss oder
um Vorhersage der voraussichtlich erscheinenden Herren gehobener Tanzqualität gebeten
werde, reicht es irgendwann.
Diesmal,
so mein fester Vorsatz vor einem Jahr, ziehen wir auf rein privater Basis unser
Ding durch, und wer will, kann kommen – und wem’s nicht passt, darf ebenso
gerne wegbleiben! Und ich würde – außer bei sehr guten Freunden – nie mehr
öffentlich auflegen und mir dann, wie mehrfach geschehen, für meine Auswahl
noch dumme Sprüche abholen. Nein, unseren Musikgeschmack gibt es künftig „live
und in Farbe“ nur noch exklusiv in Pörnbach! Und wenn es keinen interessiert,
tanzen wir halt im kleinsten Kreis, kann auch sehr schön sein.
Heute
Morgen, knapp vier Wochen vor unserem „Einjährigen“, waren wir für den 13.2.
bereits ausgebucht, ohne auch nur eine einzige Werbemail verschickt zu haben. Es
scheint also doch Interesse an einem weiten Musikspektrum im Tango zu herrschen
– und je weniger dieses von den „offiziellen Veranstaltern“ berücksichtigt
wird, desto mehr Zulauf werden solche privaten Initiativen haben! Es freut mich
ebenfalls sehr, dass meine monatlichen Playlists inzwischen jeweils Hunderte
von Lesern finden – allmählich wird offenbar bekannt, was es nach 1960 an
moderner Tangomusik gibt.
Und
noch eine Erkenntnis steht für mich inzwischen fest: Es ist ein Märchen, dass
Tanzflächenbenutzungs-Ordnungen, Trippelschrittchen und langweilige Musik nötig
sind, um ein „Chaos“ oder gar Verletzungsgefahren auf dem Parkett zu verhindern
oder andere Paare psychisch nicht zu beeinträchtigen (was immer das heißen
soll). Das Geheimnis lautet schlicht: tänzerisches Improvisationstalent. Bei
uns darf jede(r) nach eigenem Gusto tanzen. Und warum? Weil er (bzw. sie) es
kann! Wenn ich erlebe, wie sich bei uns bis zu sieben Paare auf zwanzig
Quadratmetern völlig verletzungsfrei und fantasievoll bewegen, bin ich jedes Mal von neuem
fasziniert. Irgendwie tanzen gleichzeitig "alle mit allen" - nur nicht nach verkopften "Códigos". Zudem erzeugen unsere Gäste immer wieder eine wunderbare, schwer zu
beschreibende Stimmung, für die ich mich ganz herzlich bedanken möchte.
Zweifellos:
Unser Konzept ist aufgegangen und wird inzwischen auch von anderen übernommen. Und wir denken uns für jeden Termin etwas Besonderes aus - sei es Livemusik, die Vorstellung eines "vergessenen" Interpreten, eine Buchlesung oder sogar eine Breakdance-Einlage.
Vor fast einem Jahr schrieb ich zu unserer Idee:
Vor fast einem Jahr schrieb ich zu unserer Idee:
„Wenn wir zukünftig immer
mehr vor die Alternative ‚Traditionsgeplürre oder Discogewaber‘ gestellt
werden: Bleiben wir doch zu Hause – aber nicht auf dem Sofa, sondern dem
heimischen Parkett! Legen wir dort die Musik auf, die uns gefällt, schaffen wir
expertenfreie Zonen, wo wir noch tanzen dürfen, wie es uns passt! Und das
nächste Mal lädt uns vielleicht ein anderes Paar zu seiner ‚Hausmilonga‘ ein.
Man könnte sogar in der ersten Stunde ein bisschen miteinander üben und Ideen
austauschen – und plötzlich wären wir an den Wurzeln des Tango angelangt: So
muss es ja einmal mit diesem Tanz angefangen haben am Rio de la Plata, an einer
Straßenecke, irgendwer spielte Bandoneon, der nächste brachte eine Flasche Wein
mit, ein paar Stühle wurden hingestellt – und man tanzte, unbelästigt von
Fachleuten, Workshopveranstaltern, Tangoideologen, Tanzschuh-, Boutiquenfummel-
und Schritteverkäufern. Und auch das Label ‚Tangoreisen‘ würde sich wieder mehr
auf den Nahverkehr beziehen. Könnte das schön sein – vor allem aber: so traditionell…
und die GEMA muss draußen bleiben!“ (http://milongafuehrer.blogspot.de/2015/02/bleiben-wir-doch-einfach-daheim.html)
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