Wo sie denn laufen
Wenn man einen Tangoblog betreibt, kriegt man es früher oder später mit Leuten zu tun, die meinen, auf diesem Gebiet mehr und Besseres bieten zu können als man selber.
Das allein wäre ja nicht schlimm – selber freue ich mich stets, an anderen Texten dazulernen zu können. Und wenn nicht, geben sie öfters Stoff für Satiren her. Auch damit muss jeder rechnen, der etwas publiziert.
Was ich aber nicht verstehe: Warum manche Zeitgenossen es als unerträgliche Zumutung empfinden, worüber und wie andere schreiben. Es muss doch keiner und keine lesen! Empörung ist also nicht angesagt. Ebenso wenig wie die ständige Reaktion, der andere habe etwas „nicht verstanden“. Es reicht doch völlig, sich selber um Verständnis zu bemühen!
Klaus Wendels Text zu „Spiraldynamik und Tango“ hat seinen Kollegen Jochen Lüders zu einer sehr amüsanten Glosse animiert, die ich – aus ähnlichen Gründen – ebenso empfehlen kann wie den Original-Artikel:
https://www.tangocompas.co/gedanken-ueber-tango-unterricht-25-teil/
https://jochenlueders.de/?p=17744
Der Essener Tangolehrer hat – im Gegensatz zu vielen seiner Kommentatoren – in Rekordzeit eine gewaltige Menge an Artikeln zum Erlernen des Tango veröffentlicht. Schon das könnte man einfach mal anerkennen! Seine Tragik ist halt, dass er vieles so genau wie möglich erklären möchte, was erstens nicht einfach ist und zweitens gerade ihm schwerfällt, da er nicht zu den Meistern sprachlicher Gewandtheit zählt. Dadurch gelingen ihm immer wieder hinreißende Stilblüten, welche Lüders in seiner obigen Besprechung genüsslich filetiert.
Wie üblich verteidigt sich Wendel in etwas holziger Art, was den Komik-Faktor lebendig hält. Im Zweifel kriege ich dabei ebenfalls mein Fett weg:
„Ich gebe Tipps, wie man Hürden überwinden kann, aber ich biete keinen Tango-Fernunterricht an – wie Riedl in seinem ‚Milonga-Führer‘.“
https://www.tangocompas.co/tango-masterclasses/
https://jochenlueders.de/?p=17744
Sorry, aber das war auch nicht meine Absicht! Als ich vor über 15 Jahren mein Tangobuch schrieb, dachte ich in meiner Naivität, es sollte auch einige Tipps zum Tanzen enthalten. Auf zirka 50 (von 380) Seiten verfasste ich ein Kapitel „Tango-Technik“ mit etlichen bodenständigen, aus der Praxis entstandenen Erklärungen. In einer „warnenden Vorbemerkung“ schrieb ich: „Ich bin kein Tangolehrer, habe keinerlei derartige Ausbildung und werde – schon aus Trotz – niemals Tangokurse geben.“ Was ich mir aber nicht nehmen ließe, seien tausende Stunden Erfahrung mit vielen Tänzerinnen – von der totalen Anfängerin bis hin zu „Spitzen-Tangueras“ mit zweistelligen Jahren Routine. Damit seien aber keine Tangolehrerinnen gemeint, da diese – außerhalb ihres Berufes – „kaum an einer zwanglosen Tangorunde interessiert“ seien. (S. 141)
Zu alledem stehe ich nach wie vor!
Vielleicht hätte ich mir das Kapitel sparen sollen. In den vielen Reaktionen auf mein Buch wurde der Abschnitt kaum einmal erwähnt, während meine Satiren über „Tango-Typen“ oder meine Musikvorschläge helle Empörung auslösten und immer wieder zitiert wurden.
Ich schließe heute daraus: Die meisten wollen keine schriftlichen Tipps zum besseren Tanzen. Lieber besucht man teure Kurse und Workshops, um einmal das Fluidum irgendwelcher „Maestros“ hautnah zu erspüren. Wie Klaus Wendel selber schon angedeutet hat, sieht man solche Unterrichtsveranstaltungen eher als sozialen Event denn als Lernmöglichkeit. Zum Schluss macht das Meisterpaar vor, was man eigentlich hätte lernen sollen – und die Teilnehmenden richten brav ihr Smartphone darauf. Und auf den Milongas tanzt man weiterhin den Kram, den man schon seit Jahren halbwegs hinbekommt.
Ich will das alles nicht kritisieren – lustig finde ich nur, dass man dafür (nicht wenig) Geld ausgibt!
Klaus Wendel macht hinter dem Begriff „Masterclass“ ein großes Fragezeichen: „Gibt es in Deutschland wirklich genügend Tänzer:innen, die auf diesem Niveau arbeiten?“
Abgesehen davon, dass ich Tango nicht als „Arbeit“ sehe, finde ich persönlich den Begriff „Masterclass“ schlicht lächerlich. Er würde ja bedeuten, dass weit Fortgeschrittene diesen Unterricht buchen, um sich zu „Meistern“ ausbilden zu lassen (oder es schon sind). Da frage ich doch: „Wo laufen sie denn?“ Der geniale Loriot hat die deutsche Bescheidwisserei einmal am Beispiel Pferdesport in einem Cartoon trefflich verulkt:
https://www.youtube.com/watch?v=wK-pPUbCr3A
Tja, „por una cabeza"...
2011 ehrte die Deutsche Post den Karikaturisten mit einer Briefmarke, welche ein Bild seines Cartoons zeigt. Die kriegt man also nicht nur fürs Tangotanzen!
Nach vielen Jahren Tangopraxis bin ich davon überzeugt: Schriftliche Tanzanleitungen, gar Videos, mögen im Einzelfall nützlich sein. Unterm Strich aber bin ich davon überzeugt: Tanzen lernt man vor allem durch Tanzen – in Übungsgruppen oder vor allem auf den Milongas. Was ich heute im Tango kann, habe ich mir auf dem Parkett ertanzt – ob daheim im Wohnzimmer oder in den Veranstaltungen. Auf dem Tanzboden, vor allem auch mit unbekannten Partnerinnen, lernt man immer wieder, gegenseitige Verständigung herzustellen und auf die Musik zu achten.
Daher kann ich nur versichern: Ohne die vielen Frauen, die sich meiner annahmen, mit mir tanzten und übten, wäre ich nie so weit gekommen!
Gibt es auch miesen Unterricht, wie Lüders beispielsweise in Richtung Pablo Verón behauptete?
Wendel schließt das nicht aus – aber:
„Andererseits kann ich auch nachvollziehen, dass sich nach Jahren mit den typischen Durchschnitts-Tango-Schülern eine gewisse Unterrichtsmüdigkeit einschleichen kann. Wer immer wieder dieselben Basics erklären muss, verliert vielleicht die Geduld.“
Ich rate in solchen Fällen zu der im Tango ansonsten beliebten Pause und zum Stellen der Sinnfrage: Vielleicht ist der klassische Tangounterricht doch nicht der Weisheit letzter Schluss?
Aber gut – jeder soll den Tango so unterrichten und lernen, wie es ihm zusagt. Es gibt keine Rechtfertigung für gegenseitige Vorwürfe.
Das sieht eine Kommentatorin namens „Brigitte“ (die natürlich ihren Nachnamen wohlweislich verschweigt) anders:
Sie sei eine „Frau“, „Tanzpartnerin“, zur Not noch „Folgende“ bzw. „Follower“, aber ganz sicher keine „Korrespondierende“ (denn sie „korrespondiere“ beim Tanzen nicht). Wendels Ansichten bezeichnet sie als „Quatsch“, fragt sich, ob er diesen „prätentiösen Käse“ auch so unterrichte. Wenn er anfange, vom „Schrittskelett der Korrespondierenden“ zu schwafeln, würde sie denken, dass er nicht mehr „alle Tassen im Schrank“ habe, und gehen.
Ja, so macht das Unterrichten und Erklären von Tango Freude!
https://jochenlueders.de/?p=17744
Über den Begriff „Schrittskelett“ habe ich lange nachgedacht. Die Kommentatorin hat Recht! Bei zahlreichen Vortanzvideos fällt mir immer wieder auf, wie Profitänzerinnen ihren ausladenden Hintern, zart verhüllt von einem Satinröckchen, stolz in die Kamera recken.
Mir ist dabei etliches eingefallen – der Begriff „Schrittskelett“ war nicht dabei!
Wie niedlich: Da schreibt mein herzallerliebster Riedl, dass er kein Tangolehrer ist und niemals Tangokurse geben wird. So viel Quatsch auf einmal habe ich selten wo gelesen. Denn Herr Riedl gibt begeistert Ratschläge und macht sich über Tangolehrer und -tänzerInnen lustig. Aber das ist ja Riedls Masche: Tipps geben und andere niedermachen und gleichzeitig schreiben, dass man ja kein Fachmann sei und eigentlich von Nichts eine Ahnung hat. So entstehen ja auch Riedls "Lehr"videos, die selbst seine Gattin widerlegt hat - allerdings versteht Herr Riedl offenbar nicht einmal seine Frau und beharrt störrisch auf seiner Lehrmeinung.
AntwortenLöschenUnd mein herzallerliebster Riedl wird nicht müde zu erklären, dass er Tango ohne Unterricht erlernt hat. Wie bitte? Haben Sie Ihre unzähligen Trainerstunden im Tanzsport vergessen, die Sie jahrzehntelang genossen haben? Auch wenn diese Ausbildung nicht von Erfolg gekrönt war ...
Lieber Thomas Schön,
Löschendass jemand auch mal beschreibt, wovon er wenig weiß, muss Ihnen sehr seltsam erscheinen, klar!
Ich bedauere auch, dass Sie ständig „Quatsch“ lesen müssen – ein wirklich bedauernswertes Schicksal!
Dabei könnten Sie doch Herrn Wendel geistvolle Beiträge liefern. Auf seinem Blog ist gerade Flaute, da freut der sich sicher!
Ansonsten bin ich sehr zuversichtlich, dass sich die meisten meiner Leserinnen und Leser längst ein Urteil darüber gebildet haben, wovon ich wieviel verstehe. Geistige Hilfestellung benötigen die nicht.
Beste Grüße aus Pörnbach!
Da muss ich Sie ausnahmsweise wirklich loben, herzallerliebster Riedl: Sie haben erkannt, dass sich die Leserschaft ein Urteil gebildet hat und keine Hilfestellung benötigt - man kann es ja in den Kommentaren nachlesen (und erst recht in all jenen, die Sie zensuriert haben) .... :-)
AntwortenLöschenHerzliche Grüße aus Wien!
Ich glaube, man muss schon unterscheiden zwischen den vielen Lesenden meines Blogs und einigen wenigen Provokateuren, welche immer wieder versuchen, hier die Atmosphäre zu vergiften. Die bilden nicht die Mehrheit – auch wenn sie sich so aufspielen.
LöschenSelber lese ich täglich eine Menge Blogartikel – einen Kommentar hinterlasse ich kaum einmal. Wer meine Ansichten kennenlernen will, kann sie ja auf meinem Blog erfahren.
Und ich war noch nie so größenwahnsinnig zu glauben, andere Blogger müssten meine werten Ansichten veröffentlichen. Schließlich habe ich ja meine eigene Seite. Das unterscheidet mich von den beschriebenen Maulhelden.
Bei einer über einer Million starken Leserschaft sollten sich wohl etlich Befürworter Ihrer Ansichten finden. Ich sehe aber keine .....
LöschenDanke für die Anregung zu einem neuen Artikel - bis demnächst!
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