Von Kommentaren und weißen Mäusen

Immer wieder wird mir mitgeteilt, ein Blog ohne Kommentare sei wertlos – natürlich per Kommentar! Streng genommen gilt das aber nur für mich. Meinen Konkurrenten macht man diesen Vorwurf nie – auch, wenn ihr Aufkommen an Zuschriften sich vor allem darin erschöpft, dass sie zu ihren Veröffentlichungen gegenseitig Stellung beziehen (manchmal sogar auf Spanisch). Ist ja auch was!

Und außerdem seien alle gegen mich. Eine Zuschrift lautet: „Bei einer über einer Million starken Leserschaft sollten sich wohl etlich Befürworter Ihrer Ansichten finden. Ich sehe aber keine ...“

Na ja, ich hoffe, der Schreiber hat sich durch einen Großteil der bislang 5659 veröffentlichten Kommentare zu den aktuell 2159 Posts gekämpft. Auf jede Veröffentlichung fielen also im Schnitt 2,6 Anmerkungen. Ich finde das ganz okay.

Und von den eingegangenen 6129 Kommentaren habe ich „nur“ 5659 veröffentlicht, also schlappe 92 Prozent! Dass also hier vorwiegend „Zensur“ herrsche, ist ein Ammenmärchen. Wenn ich selber auf anderen Seiten eine Zuschrift hinterließ, habe ich mich noch nie beschwert, wenn diese nicht veröffentlicht wurde. Ich weiß, dass ich darauf keinerlei Anrecht habe.

Ein Kollege sieht das lockerer: Er selber hat mir mal mitgeteilt, dass meine Kommentare auf seinem Blog unerwünscht seien. Daran habe ich mich gehalten. Selber aber deckt er mich bis heute mit ganzen Serien von Zuschriften ein. Aber als Tangolehrer hat man offenbar mehr Rechte als der gewöhnliche Plebs…

Dazu kommt, dass ich in den ersten Jahren meist namentlich gekennzeichnete Zuschriften erhielt, während man inzwischen mehrheitlich anonyme Bemerkungen schickt, was ich eigentlich nicht möchte. In der Regel lösche ich sie – Ausnahmen eingeschlossen.

Aber klar – bei der Qualität dessen, was viele da zusammenstümpern, würde ich auch keine Verantwortung übernehmen! Man hält sich nicht an die Vorgaben, wirft mir aber „Respektlosigkeit“ vor.    

Was schon stimmt: Im Lauf der Zeit sind die Kommentare kritischer geworden. Liegt es daran, dass ich inzwischen „schärfer“ formuliere? Wenn ich mir ältere Artikel ansehe, vermute ich eher das Gegenteil.

Ich glaube, dass es früher beim Tango mehr Menschen gab, die modernere Musik bevorzugten, denen die ganzen Reglements, die man heute in diesem Tanz installiert hat, der pseudoreligiöse Rummel zuwider waren. Die freuten sich dann, wenn ich solche Tendenzen nach Kräften veralberte. Mit der Zeit wuchs der Anteil der Leute, welche das alles für voll nahmen, daher meinen Spott als „Gotteslästerung“ begriffen und talibanöse Shitstorms vom Zaun brachen. Heute gibt es im Tango eine zunehmende Zahl Vernagelter, für die Toleranz und Liberalität Fremdwörter sind. Und die nicht mal über andere lachen können, geschweige denn über sich selbst.

Es ist der gleiche Menschentyp, der 1951 (also zur besten Empör-EdO) gegen den Film „Die Sünderin“ zu Felde zog. Kirchlicherseits nahm man heftigen Anstoß an den Themen Prostitution, Selbstmord und Tötung auf Verlangen. Auch der bedauerlicherweise in größerer Entfernung zu sehende Busen von Hildegard Knef erregte wohl die Gemüter. Die moralisch Empörten setzten in den Kinos weiße Mäuse und Stinkbomben ein. In Regensburg (der Stadt, in der ich zunächst Tango lernte) inszenierte man ein dreitägiges Remmidemmi inklusive des Einsatzes von Polizei und Wasserwerfern.     

https://www.deutschlandfunkkultur.de/70-jahre-die-suenderin-paradebeispiel-fuer-einen-skandalfilm-100.html

https://de.wikipedia.org/wiki/Die_S%C3%BCnderin

Hier der Trailer:

https://www.youtube.com/watch?v=mfeWhSAPg8g

Es kam, wie es kommen musste: Die Skandale verhalfen dem Streifen zu einem großen Erfolg.

Was ich nie verstehen werde: Keiner musste sich doch damals den Film ansehen, wenn er denn so verwerflich war – oder muss heute mein Blog lesen. Aber warum etwas zu verhindern trachten, nur weil es einem nicht gefällt?

Manche Tangoautoren haben diesen Zusammenhang bis heute nicht kapiert.

Das mich betreffende wahre Motiv wurde mir einige Male mitgeteilt: Ich könnte Ahnungslose, welche ansonsten bei Tangounterricht sowie teuren Festivals inklusive Lachshäppchen anbeißen würden, davon abhalten, sich mit dem Tango zu beschäftigen – Stichwort: „Geschäftsschädigung“!

Na ja, immerhin liefere ich doch das Vorbild, wie man es über 25 Jahre beim Tango aushält – und Veranstalter mit einer ungefähr sechsstelligen Summe von Zeche und Eintrittsgeldern unterstützt, auch wenn uns manche von ihnen dafür nicht mal mit dem Hintern angeschaut haben!

Und ich würde mich nur zu gerne mit Kommentatoren (ich gendere absichtlich nicht) geistig auseinandersetzen. Nur: Wo soll ich den Geist in Zuschriften wie den folgenden finden?

„ich kenne nur einen der hier respektlos provoziert: der heißt gerhard riedl.“

„Als Veranstalter von High Caliber Tango Events schlage ich vor, dass Sie eine andere Foto zu illustration von dem type Edeltanguera selectiren, weil diese celebs have mostly less than 18bmi.“

„habe gehört, KW arbeitet an einem Oberlehertest.“

„Können Sie eigentlich nicht lesen?“

„Aufgrund eines Darstellungsfehlers, konnte der Artikel Zwischenzeit nicht komplett dargestellt werden.“

„sie denken über gar nichts nach: sie können gar nicht denken!“

„Schreib doch ein buch: die ansichten eines verbitterten boomers – lol“

„wissen sie eigentlich, was sie wollen? vielleicht sollten sie mal ihren psychiater fragen“

(aus Zuschriften seit dem 26.9.25)

Daher sage ich: Natürlich freuen mich Kommentare, die halbwegs einen Sinn ergeben – ob nun ablehnend oder zustimmend. Und wenn sie von einem Menschen mit richtigem Namen eingereicht werden, den Mutti halbwegs mit Benimm ausgestattet hat, veröffentliche ich sie gerne. Von Zahl und Art der Kommentare habe ich mich aber noch nie abhängig gemacht. Ich habe genug mit dem zu tun, was ich selber schreibe.

Und wen es zu irgendwelchen dummen Sprüchen drängt: Es gibt noch viele unbeschriftete Klotüren!

Kommentare

  1. Klaus Wendel schreibt nun in einer Ergänzung seines Artikels mit Blick auf Jochen Lüders und mich:
    „Lehrer:innen glauben in allen Fachgebieten besser Bescheid zu wissen als die jeweiligen Spezialisten. Fragt man Autowerkstätten, Juristen, Ärzte oder Handwerker, bestätigen alle: Mit Lehrer:innen zu diskutieren ist schwierig – sie wissen alles, erklären alles und hören ungern zu.“
    Mag sein. Der Autor sollte nur nicht vergessen, dass er auch selber Lehrer ist – Tangolehrer halt. Und gerade in seinem Metier ist der Trend zur grenzenlosen Bescheidwisserei durchaus bemerkbar.
    „Lüders und Riedl scheinen ihr Tango-Wissen vor allem aus ihren pädagogischen Erfahrungen in ihren eigenen Fachgebieten zu ziehen. Sie tanzen ein bisschen, lesen ein paar Blogs – und glauben, mehr über Tango-Unterricht zu wissen als jemand, der seit Jahrzehnten Tango lebt, tanzt und lehrt.“
    Aha, ich „tanze ein bisschen“ und „lese ein paar Blogs“ – im Gegensatz zum großen Meister. Mit dieser Arroganz schlägt Wendel jede Vollzeit-Lehrkraft!
    https://www.tangocompas.co/tango-masterclasses/

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Lieber Gerhard Riedl,

      zum Thema "Lehrer und Tango" brennt mir schon länger ein Thema unter den Nägeln, und zwar die Didaktikkompetenz. Ich hoffe, es passt zu diesem Blogbeitrag bzw. Kommentar.

      Ich hatte als Tangoanfänger zum Glück Tangolehrkräfte, die neben einer soliden Tangolehrerausbildung auch eine zertifizierte didaktische Ausbildung in ihrem Hauptberuf als Hochschullehrer vorweisen konnten. Diese generelle Didaktikkompetenz war äußerst fruchtbar für deren Tangokurse, und vor allem von diesen Kursen habe ich im Laufe meiner vielen Tangojahre profitiert. Bei den "Maestros" oder Tangolehrprofis war das Didaktikbild eher durchwachsen. Schade also, dass ich zur Didaktikkompetenz in der Lehrpraxis des Tango nicht mehr zu Lesen finde. Oder habe ich das übersehen?

      Weiterhin habe ich sporadisch bei einzelnen Kursanbietern und auch in einem anderen Tangoblog zu "Erfahrungen mit Lehrevaluation" nachgefragt, leider ohne brauchbare Antworten. In vielen anderen Bereichen der Erwachsenenbildung aber gehört dieses Instrument verpflichtend zu einem Didaktikkonzept. Nochmal schade: im Tangounterricht bei etwa einem Dutzend Anbieter ist es mir nie begegnet, was ich aus didaktischer Sicht für verbesserungswürdig erachte. Und mich würde interessieren, ob es nicht doch Kursanbieter gibt, die evaluieren und die über Erfahrungen berichten können.

      Hier eine Übersicht zur Lehrevaluation:
      https://de.wikipedia.org/wiki/Lehrevaluation

      Löschen
    2. Lieber Bernhard Grupp,
      nachdem ich selber keinen Tangounterricht erteile, kann ich dazu aus eigener Erfahrung leider nichts beitragen.
      Ich habe allerdings mehrfach mit Testfragen versucht, eine Evaluation zu Tangothemen anzuregen (siehe die folgenden Links).
      https://milongafuehrer.blogspot.com/2022/02/der-noch-groere-milonga-test.html
      https://milongafuehrer.blogspot.com/2016/05/test-nicht-fur-die-schule-tanzen-wir.html
      https://milongafuehrer.blogspot.com/2022/06/leser-umfrage.html
      https://milongafuehrer.blogspot.com/2022/06/auswertung-leser-umfrage.html
      https://milongafuehrer.blogspot.com/2025/06/ruckblick-leser-umfrage.html
      Von solchen Initiativen Tangolehrender ist mir nichts bekannt. Vielleicht weiß die Tangoblogger-Konkurrenz hierzu mehr?
      Ich fürchte, das Problem besteht darin, dass „Tangolehrer“ ja kein Ausbildungsberuf ist. Man wird es, indem man eines Tages entdeckt, man sei einer.
      Danke für die interessante Anfrage und herzliche Grüße
      Gerhard Riedl

      Löschen
  2. Als Handwerker stimme ich Herrn Wendel zu 100 % zu. Bei der Momentanen Auftragslage nehme ich Lehrer als Kunden gar nicht mehr an.
    Wolfgang Ruske

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Lieber Herr Ruske,
      ich frage jetzt lieber nicht nach, welches Handwerk Sie betreiben.
      Und klar, wir haben ja Gewerbefreiheit. Man sollte nur bedenken, dass Lehrkräfte in der Regel eine staatliche Pension beziehen und daher meist zahlungsfähig sind – notfalls über Kontopfändung. Das ist nicht bei allen Kunden so.
      In Pörnbach haben wir jedenfalls kein Problem damit, gute Handwerkerinnen und Handwerker zu finden. Wir bevorzugen ortsnahe Firmen, die haben nämlich einen Ruf zu verlieren.
      Also, alles gut!

      Löschen

Kommentar veröffentlichen

Hinweis zum Kommentieren:

Bitte geben Sie im Kommentar Ihren vollen (und wahren) Namen an und beziehen Sie sich ausschließlich auf den Inhalt des jeweiligen Artikels. Unterlassen Sie herabsetzende persönliche Angriffe, gegen wen auch immer. Beiträge, welche diesen Vorgaben nicht entsprechen, werden – ohne Löschungsvermerk – nicht hochgeladen.
Sie können mir Ihre Anmerkungen gerne auch per Mail schicken: mamuta-kg(at)web.de – ich stelle sie dann für Sie ein.