Wie man damals tanzte
Über den Tangostar Gustavo Naveira habe ich schon einiges geschrieben. Natürlich auch über seinen Aussetzer auf offenem Parkett bei einem Tangofestival. Na ja, Schwamm drüber…
Ich muss gestehen, dass mich sein heutiger, eher konservativer Tanzstil nicht besonders anregt. Auch dazu gibt es einen Artikel von mir:
https://milongafuehrer.blogspot.com/2022/06/lieber-tango.html
Aber gut, wir alle kennen (hoffentlich) die hinreißende Tanzszene aus dem legendären Film „The Tango Lesson“ aus dem Jahr 1997, wo er zusammen mit Pablo Verón und Fabián Salas mit der Partnerin Sally Potter eine bis heute unübertroffene Interpretation von Piazzollas „Libertango“ aufs Parkett legte:
https://www.youtube.com/watch?v=7sGTPTZY5yM
Zufällig fand ich heute ein Vortanz-Video aus demselben Jahr, in dem Naveira an der „Tangoschule Basel“ zusammen mit Cécile Sidler Puglieses „Chiqué“ sowie „El Choclo“ interpretiert. Live dazu spielt das 1991 gegründete Ensemble „Guardia Vieja“ von Humberto Cosentino.
https://kino-traumstern.de/?titel=Tango+Salon%3A+GUARDIA+VIEJA&month=9&year=2004&day=27
Cécile Sidler kannte ich bislang ebenso wenig wie die Musiker. Wie sie zum Tango gekommen ist? Na klar, Mitte der 1980er Jahre durch die Musik Astor Piazzollas. Warum wundert mich das nicht?
https://www.tangobasel.ch/Meta/Ueber_Uns/Romeo_und_Cecile.html
Einfach anschauen und (hoffentlich) genießen:
https://www.youtube.com/watch?v=GXeq-Ie81fg
Wie auch immer: Das war jedenfalls der Tango, den wir 1999 kennenlernten und der uns bewog, den Standardtanz zu verlassen! Hätten wir das erlebt, was sich derzeit (auch bei vielen Showtänzen) auf dem Parkett abspielt, würden wir wohl heute noch vorwiegend Quickstep oder Rumba tanzen.
Tango bedeutete damals Anarchie – und nicht regelkonformes Herumgestelze. Im folgenden Video lässt sich die Entwicklung ganz gut nachvollziehen, Was Frau Sidler 2013 mit ihrem Stamm-Partner Romeo Orsini vorführt, sieht schon mehr nach gebremstem Schaum aus. Obwohl ich froh wäre, wenn Vortanzpaare heute wenigstens diese Mindestenergie draufhätten…
https://www.youtube.com/watch?v=7MdQuwdclrI
Man beachte auch das Encuentro-Markenzeichen: Hemd über der Hose!
Jedenfalls war mir meine Zeit für diesen Rückblick wert – auch wenn man mich nun wieder als nostalgischen alten Zausel bezeichnen sollte. Na gut, immerhin schwärme ich nicht von den 1940er Jahren!
Und ich hatte die Möglichkeit, mal wieder vorwiegend zu loben. Das ist doch was!
Was Naveira/Sidler angeht, ich würde es ganz spontan als hektisches Rumgezappel ohne erkennbaren emotionalen Genußfaktor bezeichnen. Aber natürlich ist alles eine Sache des Standpunkts.
AntwortenLöschenYokoito
Seltsam nur, dass Naveira mit seinem "Gezappel" eine Weltkarriere begründete.
LöschenIch dachte, Du bist der Spezialist für Erklärungen, warum Mainstream Schrott ist?
LöschenYokoito
Auf welches Zitat von mir beziehst du diese Ansicht? Natürlich ist das Quatsch. Mainstream kann hervorragend sein, beispielsweise die Idee der Aufklärung, Menschenwürde oder andere Werte unseres Grundgesetzes. Noch jedenfalls... Und in einigen Staaten. Aber die Mehrheit kann auch irren. Beispiele darfst du dir selber überlegen!
LöschenAbgesehen davon mag das mit damaligen Augen tatsächlich cool ausgesehen haben, so wie Schlaghosen, überlange Koteletten oder Hippiefrisuren. Tempi passati.
AntwortenLöschenYokoito
Mag ja sein. "Tempi passati" klingt nur lustig als Aussage von Leuten, die 80 Jahre alte Tangomusik favorisieren.
LöschenDas sagt jemand, der seine Blogbeiträge regelmäßig mit Videos irgendwelcher deutscher 50er-Show- und Kulturgrößen garniert.
LöschenYokoito
Aha: „regelmäßig“…
LöschenIch habe mir mal die Mühe gemacht, die im Juni dieses Jahres bisher hier erschienenen Artikel daraufhin durchzusehen:
„Wie man damals tanzte“ (26.6.25) enthält zwei Tanzvideos (von 1997 und 2013)
https://milongafuehrer.blogspot.com/2025/06/wie-man-damals-tanzte.html
„Freiheit für deren Feinde“ (25.6.25) zeigt einen Bericht, der 2 Tage alt ist.
https://milongafuehrer.blogspot.com/2025/06/freiheit-fur-deren-feinde.html
Im „Rückblick: Leserumfrage“ (24.6.25) wird gar kein Video gezeigt.
https://milongafuehrer.blogspot.com/2025/06/ruckblick-leser-umfrage.html
„Wir sehen uns vor Gericht“ (22.6.25) zeigt einen Song aus dem Jahr 1999 (kein Tango).
https://milongafuehrer.blogspot.com/2025/06/wir-sehen-uns-vor-gericht_22.html
„Fast wahre Augenzeugen-Berichte“ (20.6.25) enthält ein 11 Jahre altes Video (kein Tango).
https://milongafuehrer.blogspot.com/2025/06/fast-wahre-augenzeugen-berichte.html
„Erstmal zusammen atmen“ (19.6.25) zeigt zwei Videos (15 bzw. 14 Jahre alt).
https://milongafuehrer.blogspot.com/2025/06/erstmal-zusammen-atmen.html
„Tango Unfälle“ (19.6.25) beinhaltet ein Video, das vor 18 Jahren ins Netz gestellt wurde.
https://milongafuehrer.blogspot.com/2025/06/tango-unfalle.html
„Aus dem Tango-Zitatenschatz“ (17.6.25) zeigt ein 12 Jahre altes Video mit Musik aus den 1920er Jahren.
https://milongafuehrer.blogspot.com/2025/06/aus-dem-tango-zitatenschatz.html
„Mach mal Pause“ (16.6.25) enthält ein Video (kein Tango) von 1957.
https://milongafuehrer.blogspot.com/2025/06/mach-mal-pause.html
„Was mich am Tango fasziniert“ (14.6.25) enthält Tangovideos von 2017 und 2018.
https://milongafuehrer.blogspot.com/2025/06/was-mich-am-tango-fasziniert.html
„Die Mimi mit und ohne Bett“ (13.6.25) zeigt tatsächlich den Ausschnitt aus einem 1962 gedrehten Film.
https://milongafuehrer.blogspot.com/2025/06/die-mimi-mit-und-ohne-bett.html
„Spaß beiseite?“ (12.6.25) bringt ein 7 Jahre altes Video (kein Tango).
https://milongafuehrer.blogspot.com/2025/06/spa-beiseite.html
Bei „Piazzolla auf Milongas auflegen?“ (11.6.25) ist das Video leider nicht mehr zugänglich (war ein aktueller Auftritt von Dieter Nuhr).
https://milongafuehrer.blogspot.com/2025/06/piazzolla-auf-milongas-auflegen.html
Die „Tangogeneration Praktikum“ (9.6.25) enthält gar kein Video.
https://milongafuehrer.blogspot.com/2025/06/die-tangogeneration-praktikum.html
„Von der Ausgießung einigen Geistes“ (8.6.25) bringt eine 4 Jahre alte Dokumentation (kein Tangothema).
https://milongafuehrer.blogspot.com/2025/06/von-der-ausgieung-einigen-geistes.html
In „Gut, wenn’s nicht von mir kommt“ (7.6.25) kann man vier Videos aktueller Tangoensembles sehen.
https://milongafuehrer.blogspot.com/2025/06/gut-wenns-nicht-von-mir-kommt.html
„Biagi oder kein Biagi“ (6.6.25) bringt ein Video von Hildegard Knef und eine Musical-Aufnahme von 2012.
https://milongafuehrer.blogspot.com/2025/06/biagi-oder-kein-biagi.html
„Die etwas anderen Lehrer“ (5.6.25) stellt in derzeitiges Lehrerpaar vor. Das Video stammt von einem Tangofestival 2015.
https://milongafuehrer.blogspot.com/2025/06/die-etwas-anderen-lehrer.html
„Schröpfköpfe statt Antibiotika?“ (4.6.25) zeigt das Video einer Tangoveranstaltung aus dem Jahr 2018.
https://milongafuehrer.blogspot.com/2025/06/schropfkopfe-statt-antibiotika.html
„Gemmen der Musikkritik“ (2.6.25) bietet eine Aufnahme des Kabarettisten Georg Kreisler, die 2015 herauskam.
https://milongafuehrer.blogspot.com/2025/06/gemmen-der-musikkritik.html
„Fast Vergessenes im Tango“ (2.6.25) stellt einen Filmausschnitt von 1987 vor.
https://milongafuehrer.blogspot.com/2025/06/fast-vergessenes-im-tango.html
In „Rote Flaggen im Tango-Unterricht“ (1.6.25) gibt es ein Tanzvideo von 2012.
https://milongafuehrer.blogspot.com/2025/06/rote-flaggen-im-tangounterricht.html
Ergebnis: Von 21 Artikeln trifft der Vorwurf auf maximal 2 zu.
Ich weiß nicht, ob es eine gute Idee ist, Kollegen mit dreisten Lügen zu überziehen. Vor allem, wenn sie so leicht zu widerlegen sind!
Meine Güte, bist Du fleißig. Ich weiß nicht, ob ich beeindruckt oder besorgt sein soll. Ich beziehe mich auf Deine offensichtliche Vorliebe für - das ist jetzt komplett aus der Erinnerung an die letzten Jahre und sicher unvollständig - Namen wie Friedrich Hollaender, Willy Millowitsch, Trude Herr,....Und wir wollen bitte präzise bleiben: ich habe nicht "ständig" oder "dauernd", sondern "regelmäßig" geschrieben, als Teil eines relativ einfach gestrickten Musters.
AntwortenLöschenYokoito
Na ja, jeder richtet seinen Fleiß halt auf andere Ziele. Meiner besteht darin, nachprüfbare Fakten gegen schwammiges Gerede zu stellen.
LöschenFragen wir zum Thema „regelmäßig“ den Duden: „einer bestimmten festen Ordnung, Regelung (die besonders durch zeitlich stets gleiche Wiederkehr, gleichmäßige Aufeinanderfolge gekennzeichnet ist) entsprechend, ihr folgend“.
https://www.duden.de/rechtschreibung/regelmaeszig
Darf ich dann fragen, welches „regelnde Maß“ du dazu in meinen Artikeln entdeckt hast? Jeder zehnte oder hundertste, oder alle, die mit einem bestimmten Buchstaben anfangen? Mach uns nichts vor: Natürlich sollte der Eindruck erweckt werden, auf meinem Blog gebe es größere Ansammlung solcher Musikbeispiele.
Doch ja, ich entdecke Interessantes im Musikschaffen verschiedener Zeiten. Trude Herr kommt in den 2053 Veröffentlichungen meines Blogs genau einmal vor. Wahrscheinlich war das schon zu viel.
Osvaldo Fresedo dagegen 67 mal. War wohl zu wenig.
So viel zum Thema seriöser Journalismus versus Skandal-Blättchen…
… mir schleierhaft, wo man in der Darbietung von 1999 in Basel hektisches Rumgezappel erkennen kann. Aber alles liegt im Auge des Betrachters.
LöschenDie beiden Stücke werden von Sidler/Naveira musikalisch stimmig je ganz eigen interpretiert.
Für mich noch immer mysteriös: die Kopf- bzw. Blickarbeit von Gustavo. Es ist ein eigener Stil, von so manchen ganz armselig kopiert (man erkennt, wer mal Naveira-Schüler war). Es ist, wie wenn er fast stoisch woanders hinschaut, als da, wo die Frau ist. Meist geht sein Blick über ihre rechte Schulter. Und wenn er von da weg muss, dann ruckartig nach rechts.
Magisch dann aber die Momente, wo die Blicke sich treffen, z.B. so etwa ab ner Minute und besonders bei etwa 2:20 - welch ein Blick, so tief, so weit…
Schließlich noch eine Bemerkung zum Hemd über der Hose … genau so kleide ich mich gerne auf Tanzveranstaltungen … und das sind keine Enkuentros oder wie die heißen … will sagen: ich bin KEIN Tänzer, der da hin geht, obwohl ich das Hemd gerne über der Hose trage!
Nix für ungut,
und schöne Grüße,
Peter Pöllmann
Lieber Peter,
Löschenwer sich heute im Tango etwas heftiger bewegt, gerät halt in Verdacht. Leider.
Ja, ich finde, man sollte nicht versuchen, seine Lehrerinnen oder Lehrer zu kopieren. Leider tun das viele - und die Unterrichtenden erwarten das auch oft.
Und was die Bekleidungsfrage angeht: Aber es gibt halt solche Uniformierungen. Das heißt natürlich nicht, dass sich da jeder und jede getroffen fühlen muss.
Herzliche Grüße
Gerhard
Hallo Peter,
AntwortenLöschenauch mir ist rätselhaft, wo man bei diesem Tanz von "Rumgezappel" erkennen könnte. Aber wenn Dir die Blickrichtungen bei Gustavo Naveira ein Rätsel sind, möchte ich Dir gern erklären, wie man in offener Tanzhaltung – „Umarmung“ wäre hier vielleicht zu viel gesagt – über die Blickrichtung führt.
Man öffnet den Raum für die Partnerin, indem man sich bewusst dorthin wendet – und zwar nicht nur mit dem Kopf, sondern vor allem mit der Brust. Juan Carlos Copes hat das bereits so praktiziert: Er blickte stets in die Richtung, in die er die Dame führte. Bei Rechtsdrehungen schaut er daher über die geschlossene Seite des Paares, also nach rechts.
Allerdings ist bei Beschreibungen wie „rechts“ und „links“ im Tango Vorsicht geboten – ohne Ausgangsposition kann das schnell missverständlich werden. Üblicherweise schaut der Führende über die offene Seite des Paares, also aus seiner Sicht nach links. Nur bei besonderen Momenten – beim Innehalten, bei inniger Verbindung – wendet er den Blick der Partnerin zu, so wie Du es z. B. bei 2:20 im Video beschreibst.
Der oft zitierte „Tango-Blick“ – dieses „Schau mir in die Augen, Kleines!“ – ist eher ein Klischee. In einer vollen Milonga muss der Führende immer im Blick haben, wohin er die Partnerin führt. Es bringt wenig, wenn er sie stattdessen permanent anschaut. Bei geschlossener Umarmung und durchgängigem Körperkontakt ist das natürlich weniger relevant – da spürt die Folgende sehr genau, in welche Richtung es geht.
Man sollte also nicht vorschnell Dinge infrage stellen, nur weil sie einem fremd sind.
Mit freundlichen Grüßen
Horst
Gestatten Sie die Frage: Sind Sie der Horst Wegner aus Soltau, der Tanz- und Partymusik aller Richtungen auflegt?
Löschenhttps://www.dj-wegie.de/djwegie.html
Nein, ich komme aus Siegen und wohne in der Nähe von Herdecke.
LöschenBesten Dank!
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