Was Ihnen Ihr Tangolehrer nicht erzählt… 29

 

Das Staccato („getrennt“, von italienisch staccare „abtrennen“) ist eine musikalische Artikulationsform, bei der aufeinanderfolgende Töne klar voneinander getrennt werden. Sie werden dabei kürzer gespielt, als es ihr Notenwert eigentlich vorgibt und können abgehackt klingen. Staccato kann auf jeden Notenwert angewendet werden und bedeutet somit nicht, dass die Töne prinzipiell so kurz wie nur irgend möglich gespielt werden sollen.

https://de.wikipedia.org/wiki/Staccato

Die musikalische Vortragsanweisung legato (deutsch „gebunden“) gibt an, dass aufeinander folgende Töne einer Stimme ohne Unterbrechung erklingen sollen. Sie wird durch einen Bindebogen über den Noten oder – bei längeren Passagen – durch die ausgeschriebene Anweisung legato verlangt.

https://de.wikipedia.org/wiki/Legato

In letzter Zeit fiel mir auf diversen Milongas etwas auf, an dem ich nun schon einige Wochen herumdenke: Die durchschnittlich Tanzenden sind überfordert, wenn sie lang ausgehaltene Noten (oder Harmonien) tanzen sollen – erst recht, wenn dabei unterschiedliche Töne gebunden werden. Kurz gesagt: Sie können kein Legato. Stattdessen trappeln sie die Stücke in einem mittleren, gleichförmigen Einheitsrhythmus durch.

Ebenfalls, wenngleich nicht ebenso stark, fallen die Einschränkungen aus, wenn Töne einzeln verkürzt angespielt werden. Meist wird darauf viel zu „weich“ reagiert. Vulgo: Mit dem Staccato ist es auch nicht weit her.

In der Praxis dominiert eine kontrastarme Mischform, das „Latschato“. Es entsteht oft der Eindruck, dass nicht wirklich die Musik interpretiert wird.

Gute Tangomusik bietet viele Kontraste, die man mit diesen unterschiedlichen Tanzweisen darstellen könnte. Daher rührt sicher auch die Vorliebe für monoton dudelnde Interpretationen, wie sie in der historischen Tangomusik vielfach angeboten werden. Anders gesagt: Wenn ein Stück im „Latschato“ gesetzt ist, passt das dann irgendwie.

Der durchschnittliche Tanzende tendiert zur Bequemlichkeit. Da sowohl Staccato als auch Legato einen deutlichen Energieeinsatz erfordern, lässt man es lieber. Geht ja auch ohne.

Schnelle, abgehackte Aktionen verlangen hohe Präsenz und Reaktionsfähigkeit. Die funktionieren nur bei einer guten Verständigung im Paar – und ein wenig Sportlichkeit. Sich nur in eine Umarmung kuscheln reicht da nicht!

Ein treffendes Beispiel ist die Milonga: Wenn früher ein turbulentes Stück aus diesem Bereich gespielt wurde, füllte sich das Parkett. Heute hat man bei solchen Tandas mehr Platz als gewöhnlich. Vielen ist diese Musik dann zu „anstrengend“. Daher bemühen sich konservative DJs, in diesem Segment eher langsame und kontrastarme Titel aufzulegen.

Legatos zu tanzen kostet nicht weniger Kraft. Es geht darum, mit dem freien Bein eine wirklich große Bewegung zu tanzen, was eine gute Achse und Balance erfordert. Wenn diese fehlen, fällt man sehr schnell wieder auf den andern Fuß und somit aus dem Bogen dieser musikalischen Artikulation.

Eine solche Tanzweise erfordert auch mehr Platz. Aber dieser Faktor wird im heutigen Tango ja oft ausgeblendet. Immer wieder lese ich in Begründungen der „Ronda-Gesetze“, diese Regeln seien auf überfüllten Tanzflächen unbedingt erforderlich. Aus meiner Sicht fehlt dort aber einfach der Raum, um die Musik passend interpretieren zu können. Nach dieser Logik sollte man auch neue Techniken fürs Brustschwimmen bei 50 Zentimeter Wassertiefe formulieren…

Die heutige Tangoszene ist ein „Volk ohne Raum“.

Staccato und Legato ermöglichen Kontraste, die einen Tanz erst interessant machen!

Auch bei den Problemen in Sachen „Legato“ stinkt im Tango der Fisch vom Kopf her – also oft vom männlichen Part. Thomas Kröter hat gestern das Video eines Tanzes verlinkt, den er als „Paradestück“ bezeichnet.

Na ja, die Musik („Salut d‘ amour Op. 12“ von Edward Elgar, es spielt Daniel Hope) ist wirklich schön und ermöglicht ein Austanzen der umfangreichen Legato-Passagen. Während Angela Sallat das (so weit es ihr die Führung erlaubt) ganz schön gestaltet, sehe ich bei ihrem Partner Andreas Küttner wenig davon. Er agiert weitgehend, als ob er auf einem vollgestopften Parkett wäre (ja, die Gewohnheit…), anstatt der Tänzerin Raum zur Gestaltung zu geben.

https://www.youtube.com/watch?v=CMrW0XjRBY4

Ein wenig mehr Volumen verschafft sich dieses Paar:

https://www.youtube.com/watch?v=YRy1HPRFXQs

Und hier in der Königsdisziplin, dem klassischen Ballett:

https://www.youtube.com/watch?v=I4K_u_waux8

Daher, ihr Leute: Tanzen wir die musikalischen Bögen aus – dann haben wir den Bogen raus!

P.S. Und wer will, kann Staccato und Legato ja auch in Kindergeburtstags-Spielchen lernen:

https://www.youtube.com/watch?v=AMTuko9d5Jw&t=237s

Kommentare

  1. Mein hezallerliebster Here Riedl,
    nur zur Information: Das Legato ist KEINE Artikulation.
    Es grüßt Sie hezlichst,
    Ihr Thomas Schön

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    1. Hetzallerliebster Here Schön,

      doch – laut „Wikipedia“ schon:

      „Unter Artikulation in der Musik wird erstens die Art verstanden, wie ein einzelner Ton stimmlich oder instrumental erzeugt oder gebildet wird; zweitens wie aufeinander folgende Töne miteinander verbunden werden: entweder nahtlos eng (legato, gebunden) oder mit Klangpausen zwischen den Tönen (non legato, nicht gebunden). Somit fasst Artikulation ‚verschiedene Möglichkeiten, Töne miteinander zu verbinden bzw. voneinander abzuheben‘ zusammen.[1] Bei der technischen Ausführung des Non-Legato geht es um die Frage, wie lange der jeweilige Ton erklingt und die zugehörige Pause dauert. Die zahlreichen Arten, Töne zu verbinden sind ein Gestaltungsmittel zur Charakterisierung der Melodiebewegung.“
      https://de.wikipedia.org/wiki/Artikulation_(Musik)

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