Tacheles oder Schmonzes?
Man
muss es den Kolleginnen des Blogs „Berlin
Tango Vibes“ schon lassen: Kreativ sind sie. Unter „Trommelwirbel“ stellen
sie derzeit die erste Folge eines neuen Formats vor: einen Audiobeitrag! Neudeutsch einen „Podcast“,
also eine Sprech-Datei, von der weitere Folgen zu erwarten sind.
Für
die ältere Generation hier Näheres:
Zum
gesamte Beitrag:
Bereits
der Grund hierfür klingt satirisch anregend: Eine der Stamm-Autorinnen wollte nichts mehr schreiben – reden jedoch,
so wird versichert, möchte sie durchaus noch und war daher bereit zu einem
Gespräch mit Laura Knight, der
Frontfrau der Web-Präsenz.
Mit
dem Titel „Tango-Tacheles“
exhumieren sie einen Begriff, welchen sintemalen schon Blogger-Veteran Cassiel verwendet hatte – „Tacheles mit Tangueros“ (später auch „Tangueras“)
nannte der Anno 2009 seine (damals noch schriftliche) Interview-Serie.
Nun
bedeutet das jiddische „Tacheles“ ja
ursprünglich „Zweck“ oder „Ziel“. Wer Tacheles redet, spricht also Klartext.
Auch
für das Gegenteil gibt es einen jiddischen Begriff: „Schmonzes“ („belangloses, leeres Gerede; Vortäuschungen; Worte,
die ergreifen und gefügig stimmen sollen“)
Bezug
nehmen die Berliner Tango-Damen diesmal auf einen Beitrag aus ihrer
Blog-Anfangszeit: Unter dem Titel „Fitness
first“ beschreibt die Tanguera Anke auf 14 Zeilen ihr Schicksal, einem
Tanzpartner des Öfteren als Gerät für Leibesübungen dienen zu müssen.
Ist
also Tango ein reiner Sport? Wie so
oft auf diesem Blog endet der Artikel dort, wo es spannend würde. Angeblich war
der Text (mit 0 Kommentaren) einer der „meistdiskutierten“.
Na gut – immerhin ein interessantes
Thema, welches für ein Gespräch einiges hergäbe.
Zweifellos
ist es den Damen als Verdienst anzurechnen, per Audiobeitrag nun auch die funktionellen Analphabeten als
Konsumenten zu gewinnen. Auf etwa 7,5
Millionen schätzt man diese Personengruppe deutschlandweit, davon zirka 316000 Menschen in Berlin (also 8,7
Prozent der Einwohner)! Da ist doch Potenzial vorhanden!
Ach
ja, Mist – für die müsste natürlich jemand zuerst den Link finden…
Zurück
zum Inhalt: Für die neue
Zielgruppe liest Anke den Artikel zuerst noch vor
– das dauert schon mal knapp 2 der insgesamt 13 Minuten. Und der Text
beschreibt tatsächlich einen realen Tanzpartner der Autorin. Na, der wird sich
freuen…
Aber
eigentlich mag Anke ja durchaus,
wenn es beim Tango mal so richtig fetzt. So darf sich Laura an der Dialektik versuchen:
Rumgehetzt zu werden, obwohl man das vielleicht gar nicht will, findet sie
nicht so toll. Und zur Musik passe
es öfters nicht (klar, die ist langweiliger, ist mir auch schon aufgefallen…).
Anke meint nun, das hänge
auch vom Tanzpartner ab, man müsse
ja nicht jeden Gancho ausführen. Und es sei halt eine Sache der Rollenverteilung – Führen oder Folgen,
der Kommunikation im Paar und so. Andererseits
gebe es auch Frauen, die ziemlich herumzappelten, was dann wiederum der Mann
nicht wolle. Und das andere Extrem, der „Kuscheltango“,
sei jedoch oft auch nicht der wahre Jakob.
Nun
muss aber dringend noch ein übergeordneter
Aspekt her! Originalzitat:
„Die Frage ist
natürlich auch, was heißt Tango eigentlich für mich? Heißt es für mich Sport
und Bewegung – ich gehe einmal am Wochenende aus und da brauche ich viel Action
und Bewegung, und da will ich auch nicht sitzenbleiben und will auch keinen
Kuscheltango, oder sehe ich Tango eher im Kontext: Tango ist für mich eher eine
Kultur – ich gehe aus, ich mach mich schön, ich treffe Freunde, ich trinke was,
ich tanz ein bisschen Tango zwischendurch, aber wenn, dann eher die schöne
Tanda statt irgendwie die Masse…“
Wahrlich,
nie wurde der Begriff „Tangokultur“
schöner umschrieben!
Tango,
so meinen die Damen abschließend, sei wohl doch ein „Gesamtpaket“ abseits von persönlichen
Bedürfnissen. Egomanisches „Nützlichkeitsdenken“
schade eher. Tango sehe man als eigenen
Kosmos, in dem man Dinge des Alltags neu
betrachten lerne.
Resümee:
„Von dem Fitness
first-Sportgerät hin zu einem doch anderen Thema gesellschaftlicher Relevanz,
ich finde, obwohl das erstmal sehr klein und lustig klingt, kann man doch
ziemlich viel daraus ablesen.“
Schon,
aber wat’n nu genau? Die Bloggerinnen folgen hier ihrer bisherigen Tradition:
Dort, wo es vielleicht spannend
würde, hören sie auf.
Das
Ganze krankt natürlich schon daran, dass den beiden Sprecherinnen nicht viel einfällt – und dazu noch meist das
Gleiche. Aber wenn man beim Schreiben
keine Idee hat, ist es kein guter Einfall, es stattdessen mit Reden zu versuchen. An Stelle der
Protagonistinnen hätte ich zur Belebung den besagten „Fitness-Tänzer“ zum Gespräch hinzugebeten. Das hätte munter werden
können! Aber der redet wahrscheinlich schon lange nicht mehr mit ihnen…
Ein
Trost bleibt mir: Ich muss mir solchen Schmonzes
öfters ungewollt auf Milongas anhören. Wenn man das nun in Podcasts
auslagerte, würde mir dies Erleichterung verschaffen.
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