Tango-Unfälle

Kürzlich erhielt ich auf meinem Blog einen Kommentar, den ich in vielen Varianten seit Jahren kenne. Es geht um die „Rücksichtslosigkeit“ auf dem Parkett:

„Nun erlebe ich immer wieder, wie bei Milongas auf voller Tanzfläche Paare sich als Showtänzer versuchen und die einfachsten Regeln einer Milonga nicht befolgen. Nicht nur, dass die egoistischen Tanzversuche oft einfach nur lächerlich wirken, sie behindern andere Tanzpaare erheblich und erhöhen die Verletzungsgefahr. So ein Tanzverhalten hat mit Tanz nichts zu tun und ist einfach nur rücksichtslos.“

Wie ich einem weiteren Kommentar des Schreibers entnehmen konnte, war damit nicht zuletzt ich gemeint:

„Ich habe gehört, mit Ihnen auf einer Tanzfläche wäre eine Unfallversicherung auch wirklich angebracht.“

https://milongafuehrer.blogspot.com/2025/06/was-mich-am-tango-fasziniert.html#comments 

Ah so. Nun wüsste ich zwar nicht, dass ich in über 50 Jahren auf dem Parkett schon einmal anderen Paaren einen Schaden zugefügt hätte – aber manche glauben natürlich gern, was sie hören. Sofern es ihrer vorgefassten Meinung entspricht.

Wie steht es um die „hohe Verletzungsgefahr“ beim Tango? In den Statistiken findet man nichts darüber. Wahrscheinlich, weil sie gegen Null geht.

Welche sportlichen Freizeitbeschäftigungen bergen ein besonders hohes Unfallrisiko? Darüber wissen vor allem die Versicherer Bescheid:

Unter den „Top 10-Sportunfällen 2023“ steht bei uns unangefochten an der Spitze der Fußball mit fast 34 Prozent. Mit knapp 26 Prozent rangieren auf Platz 2 Ski- und Rodelunfälle, Platz 3 nehmen die diversen Varianten des Fahrradfahrens ein. An 4.Stelle kommt der Reitsport – obwohl den deutlich weniger Menschen betreiben als die anderen Disziplinen. Nach einer US-Studie ist das Risiko, im Krankenhaus zu landen, dabei sogar höher als beim Fußball!

Was ich amüsant finde: Trotz der unbestreitbaren Gefahren ist Fußball als Volkssport ungeheuer populär – gerade beim männlichen Nachwuchs sind die Eltern geradezu stolz, wenn der Bub zum Kicken geht. Und der Traum aller jungen Mädchen ist es doch, auf einem Zossen zu sitzen – wer würde es wagen, hier von Gefahren zu sprechen? Jedenfalls ab einer bestimmten Gehaltsklasse…

70 Prozent der Unfälle geschehen in der Freizeit. Eine Unfallversicherung, die bei Invalidität einspringt und auch notwendige Rettungs- und Bergungskosten übernimmt, halte ich für unbedingt erforderlich. Ebenso eine private Haftpflichtversicherung (also nicht nur die fürs Auto).  

https://www.ergo.com/de/newsroom-ergo/reports-dossiers/sportunfaelle

Für den Tango allerdings wird man beide wohl nicht benötigen…

Was geht im privaten Sport (außerhalb von Wettkämpfen) am meisten kaputt? Führend sind die Sprunggelenke (18%), gefolgt vom Kopf (13%) und den Handgelenken (7%). Stabiles Schuhwerk, Helme und andere Schutzbekleidung sind also nie verkehrt. Dass Frauen beim Tango oft Gebilde mit nur einigen Riemchen und viel Luft an den Füßen tragen, halte ich für schönheitsbedingten Leichtsinn.

Was sind die häufigsten Unfallursachen im Sport? Die schlechte Nachricht: Es sind eher nicht die anderen! Führend mit 39 Prozent ist eigenes Fehlverhalten, danach persönliche Konditionsmängel (18%). Fehler anderer schlagen lediglich mit 16% zu Buche.

https://www.sicherheit.sport/sportmanagement/sicherheit-im-breitensport/unfallpraevention-im-sport/

Welches Geschlecht baut die meisten Unfälle? Im Straßenverkehr jedenfalls sind es eindeutig die Männer: Pro gefahrenen Kilometer verursachen sie etwa 1,5mal mehr Unfälle als Frauen. 25 Prozent der männlichen Verursacher standen unter dem Einfluss von Alkohol, Drogen oder Medikamenten. Bei den Frauen sind es nur zirka 10 Prozent. Dafür beklagen sich die Herren wesentlich öfter über das „rücksichtslose Verhalten“ anderer.

Zurück zum Tango: Und wenn dann doch mal etwas passiert? Zunächst einmal sollten Sie sich freuen, denn Sie sind damit Zeuge eines höchst seltenen Ereignisses! Selber habe ich nur einmal einen heftigeren Unfall mit Fußverletzung erlebt: Auf einer vollgestopften Milonga mit traditioneller Musik.

Die enttäuschende Botschaft: Schadenersatz oder Schmerzengeld gibt es meist nicht! Die Gerichte urteilen in der Regel nach dem Motto: Wer sich in Gefahr begibt, kommt darin um!

Am ehesten gibt es Zaster, wenn der Veranstalter sich nicht um Getränkepfützen und andere Beeinträchtigungen in seinem Laden kümmert und dann jemand stolpert oder ausrutscht. Der Jurist nennt das „Verkehrssicherungspflicht“

https://eea-rechtsanwalt-nuernberg.de/olg-karlsruhe-clubbetreiberin-haftet-fuer-tanzunfall/

Den Damen ist aber unbedingt zu raten, sich bei besonders „wilden Tänzern“ gut zu überlegen, ob sie der Aufforderung Folge leisten. Wenn sie sich dennoch widerstrebend zum Tanz drängen lassen, gibt es hinterher kein Geld!

Ein besonders schöner Fall  unbedingt lesenswert:  

https://verlag.jura-intensiv.de/media/pdf/e0/30/ac/entscheidung_des_monats_11-17.pdf

Aber wir haben doch den Cabeceo, der gefährliche Tänze verhindert, oder?

Nach meinen Erfahrungen gibt es eine wichtige Ursache für Behinderungen oder Rempler auf dem Tango-Parkett: Die Kerle können nicht navigieren. In vielen Fällen gilt ihr Blick nicht dem Geschehen auf der Tanzfläche, sondern den Füßen. Und wegen des starren Lernens von „Figuren“ tun sie sich schwer mit Improvisationen.

Stark vertreten ist aber die Begabung, sich zu beschweren!   

P.S. Männer haben ein seltsames Verständnis von den Wertigkeiten verschiedener Körperteile:

Den ersten Genitalienschutz beim männlichen Eishockey hat man 1874 getragen, Helme wurden erst in den 1970er Jahren Pflicht. Es dauerte also zirka 100 Jahre, bis die Männer begriffen, dass auch der Kopf wichtig ist!

Okay, nicht immer…

Besonders verheerend ist die Kombination von Alkohol und Selbstüberschätzung – natürlich vorwiegend bei den Herren der Schöpfung:

https://www.youtube.com/watch?v=v-ihPwHtFTM

Kommentare

  1. Lege ein Schleifpapier auf den Tisch und bewege darauf die Kante des Absatzes eines Damen-Tangoschuhs so lange, bis der scharfe Grat entfernt ist. So kann bei missglückten Fremd-Ganchos schon fast nichts Schlimmes mehr passieren.

    Grüße, Peter Pöllmann

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    1. Danke für den Tipp!
      Alternativ kann man auch Sneakers tragen.

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  2. Jemand, der sie oft Tanzen gesehen hat.19. Juni 2025 um 10:59

    Sie tanzen unkontrolliert – und profitieren von der Disziplin der anderen
    Die Kritik richtet sich nicht deshalb an Sie, weil Sie jemanden verletzt hätten – sondern weil Sie sich auf der Tanzfläche unberechenbar, egozentrisch und ohne Rücksicht auf den Gesamtfluss bewegen.

    Ihr Tanzstil ist nicht bewusst rücksichtslos, aber er ist unkontrolliert und unkoordiniert mit der Umgebung. Und genau das ist das Problem: Sie tanzen, als wären Sie allein – und verlassen sich darauf, dass andere um Sie herum ausweichen, abbremsen oder Platz machen, um Zusammenstöße zu vermeiden. Das ist keine Fähigkeit – das ist sozialer Missbrauch.

    Ironischerweise profitieren Sie sogar von den Ronda-Regeln, die Sie so vehement ablehnen: Denn ohne die Struktur, die andere aufrechterhalten, würden Ihre Kreisel, Rückwärtsschritte und Querbewegungen sofort in Chaos und Konflikte führen.

    Was Sie also als Tanzfreiheit verklären, ist in Wahrheit eine Bequemlichkeitsstrategie auf Kosten der Achtsamkeit der anderen. Sie verlassen sich darauf, dass der Rest der Milonga Ihre Unberechenbarkeit abfedert – und tun gleichzeitig so, als sei gerade diese Unberechenbarkeit ein Akt der Befreiung.

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    1. Als "jemand, der Sie noch nie tanzen gesehen hat", fällt mir dazu nichts Entsprechendes ein.

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