Erstmal zusammen atmen
Die aktuelle Entwicklung im traditionellen Tango zeigt deutlich: Bewegungen sind eher unnötig, manchmal sogar verdächtig.
Klaus Wendel (oder - wegen Drohung mit Abmahnung gestrichen) liefert hierzu eindrucksvolle Beiträge in seinem Artikel „Gedanken über Tango-Unterricht | 13. Teil: Pausen, Stops, ganze Noten oder Melodiebögen tanzen“
Bei der Überschrift fällt schon einmal auf, dass hier „Stopp“ nur mit einem p geschrieben wird. Es muss sich also um eine andere Art des Anhaltens handeln. Vielleicht irgendwie weicher.
„Viele Tänzer denken beim Gehen im Tango vor allem an Fortbewegung“, so der Verfasser. „Sie möchten sich von A nach B bewegen, statt einfach dort zu sein.“ Na gut, er war wohl noch nie auf einer Münchner Milonga…
Im Tango hätten wir „das Nichtgehen, das Bleiben, verlernt“. Das lasse ich mir nicht vorwerfen: Bei allzu schlimmem Historien-Gedudel bleibe ich sogar sitzen!
„Pausen bedeuten keinen Stillstand – sondern schlicht das Unterlassen eines Tanzschritts.“ Ich habe es ausprobiert: Wenn man sich weiterbewegt, ohne die Füße zu benutzen, landet man früher oder später auf der Schnauze! Leider.
„Und diese Kunst liegt – wie so oft im Tango – im weniger tun, nicht im mehr machen.“ Demzufolge wäre die höchste Kunst, gar nix mehr zu machen. Da kann ich mitreden – zumindest nach Jochen Lüders, der mich einmal als „bekanntesten Vertreter der Tunix-Fraktion“ bezeichnet hat.
https://jochenlueders.de/?p=15907
Aber ich bin seit langem daran gewöhnt: Wie ich’s mache – es ist immer verkehrt!
Und siehe da: Beim Nichtstun verwendet Wendel sogar mal einen Neotango:
https://www.youtube.com/watch?v=6usNr2zhI94
Wenn ich das wieder aufgelegt hätte…
„Dabei liegt gerade im Nichtgehen eine enorme Kraft.“ Wie wahr – schon oft habe ich das meiner Frau zu erklären versucht, die mich immer wieder zu Spaziergängen drängt. Angeblich wegen der Gesundheit. Ich werde ihr diesen Text mal zum Lesen geben!
Goldene Worte:
„Wer Pausen tanzen
kann, tanzt mehr.
Wer ganze Töne tanzt, sagt mehr.
Wer weniger tut, bewegt mehr.“
Demnach wäre Tango eine Art „Perpetuum mobile“, das es leider nach den Hauptsätzen der Thermodynamik nicht geben kann.
https://de.wikipedia.org/wiki/Perpetuum_mobile
Kein Wunder, dass sich zu diesem Text lichtvolle Diskussionen ergeben.
„Aus meiner Neotango Erfahrung heraus: Man kann auch einfach stehen und eine Pause dadurch gestalten, dass man nur zusammen atmet. Als Beispiel habe ich ‚Tarde de Julio‘ von Walter Rios verwendet. In den ersten 15 Sekunden kann man in aller Ruhe in die Umarmung gehen, die Verbindung aufbauen und nur zusammen atmen. Und erst dann, wenn man sich so aufeinander eingestellt hat, kommt der erste gemeinsame Schritt. Das ist eine unglaublich intensive Erfahrung, die bei allen Teilnehmern einen Aha-Effekt ausgelöst hat.“
Das kann natürlich dann dauern, bis man mal mit dem Tanzen anfängt. Kennen wir ja von den Encuentros, wo regelmäßig die ersten 30 Sekunden der Musik verquatscht werden! Hier bleibt man wenigstens stumm – ein Segen!
Klar atmet man beim Tanzen gemeinsam – und auch Vorgänge wie Kreislauf, Transpiration und Verdauung gehen beiderseits weiter. Hoffentlich auch die Gehirnfunktion.
Bei einer zu langen Pause würde ich aber erstmal überprüfen, ob meine Partnerin überhaupt noch atmet. Im Zweifel sofort mit der Reanimation beginnen!
P.S. Herzlichen Dank für die Empfehlung von „Tarde de Julio“ – kannte ich noch gar nicht! Persönlich würde ich es aber vorziehen, mich zu dieser Musik zu bewegen.
Ich bin mir aber sicher: Hätte ich das Stück vorgeschlagen, würde es als „untanzbar“ gelten! Wie Wendel das Stück findet, sagt er nicht. Er isst jetzt erstmal „Spiegelei mit Salat“…
https://www.youtube.com/watch?v=Zof1Fyvow4A
Quellen:
https://www.tangocompas.co/gedanken-ueber-tango-unterricht-13-teil/
https://www.tangocompas.co/gedanken-ueber-tango-unterricht-13-teil/#comments
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
AntwortenLöschenDieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
AntwortenLöschenNa, in der Disziplin „höflich bitten“ sind Sie ja unübertroffen!
LöschenWenn Sie meinen, der Spaß sei vorbei, antworte ich mit Harald Schmidt: „Welcher Spaß?“
Ich werde mich jedenfalls von Ihnen nicht in eine Prozesshanselei verwickeln lassen. Tipp: Das Publikum liebt Rechthaber, die vor Gericht ziehen. Dem werde ich nach Kräften ausweichen.
Daher habe ich meine strittige Einlassung korrigiert.
Ich halte mich an ein Dementi von Mark Twain, der viele Reiseberichte schrieb. Über ein bestimmtes Hotel schrieb er, die Zimmer dort seien so klein, dass die Ratten Buckel hätten. Prompt wurde er gerichtlich zum Widerruf verurteilt. Der lautete: Im betreffenden Hotel hätten die Ratten keine Buckel.
Freuen Sie sich also auf den Spaß, den wir miteinander noch haben werden!
Wendel hat seine Drohungen mit rechtlichen Konsequenzen nun offenbar gelöscht. Ein weiser Entschluss! Schauen wir mal, wie lange das hält...
AntwortenLöschen