Schlecht fürs G’schäft

„Ich möchte, dass viele erkennen, dass Sie zwar ein guter Schreiber sind, Sie aber Ihr Talent nicht im Bereich Tango verschwenden sollten, weil Sie auch nicht über mehr Tango-Wissen (- nicht Meinung -) verfügen, als viele Durchschnittstänzer in Deutschland, weshalb Ihnen nur wenige widersprechen, und Sie auch noch veranlasst, sich bestätigt zu fühlen.“ (Klaus Wendel)

https://milongafuehrer.blogspot.com/2024/04/bro-das-ist-die-absolute-baseline.html?showComment=1713889238067#c6304668638231545072

Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass ein Video, das schlicht einige Ratschläge zum musikalischen Tanzen erteilt, zuverlässig auch zwei Jahre nach dem Erscheinen noch Stürme der Empörung auslöst. Dabei gibt es viele solcher Veröffentlichungen auf YouTube, oft mit komplizierten musikalischen Taktschemata, über deren Nützlichkeit man durchaus streiten könnte. Tut man aber nicht.

Nehmen wir einmal an, ich hätte in meiner Veröffentlichung tatsächlich puren Mumpitz erzählt. Wo ist das Problem? Man dürfte dann ja durchaus einwenden, das Produkt sei fehlerhaft, irreführend oder wertlos. Sollte ich nun bei meiner Einschätzung bleiben, könnte man sich einigen, uneins zu sein.

Aber nein – stattdessen darf ich weiterhin Serien dutzender Zuschriften lesen und beantworten, in denen Kritiker mir vorwerfen, unbelehrbar zu sein. Offenbar ist die pure Existenz eines Textes oder Videos von mir geradezu unerträglich und daher stets wieder ähnlicher, oft gleichlautender Angriffe wert. Man könnte glauben, ich gefährde das Seelenheil von Tangolernenden!

Nachfolgend kann man solche Proteststürme genießen:       

https://milongafuehrer.blogspot.com/2022/08/faktencheck-phrasierungen.html

https://milongafuehrer.blogspot.com/2024/04/bro-das-ist-die-absolute-baseline.html

Ganz schlimm wird es auch, wenn ich meine Gedanken zu effektivem Tangolernen veröffentliche. Speziell ziehe ich mir dann Angriffe von Lehrkräften zu, welche behaupten, ich sei gegen jede Form von Tanzunterricht. Hervorgetan hat sich dabei ein Münchner Neo-DJ, der zu dieser Zeit entdeckte, selber Tangolehrer zu sein:

https://jochenlueders.de/?p=15695

Auch als ich es einmal wagte, ein Tanzvideo von mir zu veröffentlichen, bebte das Netz jahrelang – mit Ausläufern bis heute. Unsere Darbietung sei geradezu grauenhaft, weil insbesondere ich nicht tanzen könne. Einige Kostproben:

https://milongafuehrer.blogspot.com/2023/05/zu-besagtem-video.html

Ich frage mich auch hier wieder: Wo ist das Problem? Warum führt das zu jahrelanger Hetze? Mir gefallen ebenfalls manche Tänze nicht – und gelegentlich schreibe ich sogar etwas dazu. Was mir dann übrigens heftig verübelt wird: Wie ich es wagen könne, internationale Berühmtheiten zu kritisieren? Aber dann ist die Sache für mich auch wieder erledigt.

Einen Proteststurm löste ich gleichermaßen aus, als ich einmal das Buch einer Startänzerin nicht so toll fand. Bei „Amazon“ führte das zu einer Kommentarschlacht gewisser Fans – und selbst die Autorin höchstselbst mischte sich ein:

https://milongafuehrer.blogspot.com/2013/10/nicole-nau-tanze-tango-mit-dem-leben.html   

Auch unsere Pörnbacher Tangomusikerinnen mussten schon heftige Kritik einer Expertin einstecken, die sich „Ute Theimer“ nannte. Ihr Fazit: Das Duo spiele „verstimmt“ und hätte von Musik keine Ahnung. Die sehr hartnäckige Dame lieferte mir ebenfalls ganze Serien von Verrissen.  

Abschließend noch ein kleiner Überblick:

https://milongafuehrer.blogspot.com/2019/10/trollologie.html

Wie gesagt: Es ist doch normal, dass man mal nicht einer Meinung ist. Dann gibt man halt eine entsprechende Rückmeldung – und gut ist. Wieso aber diese Stürme der Empörung?

Für solche Anfeindungen gibt es sicher eine Reihe von Ursachen, die vielleicht in der Persönlichkeitsstruktur der Urheber liegen. Aber da ich kein Psychologe bin, mag ich mir kein Urteil anmaßen.

Weiterhin ist der Ton in den sozialen Medien in den letzten Jahren insgesamt rauer geworden. Freundliche Hinweise und differenzierte Kritik wurden oft ersetzt durch abgrundtiefe Verwünschungen und schlimme persönliche Herabsetzungen. Da kann ich noch froh sein, nicht als Politiker zu agieren – dann bräuchte ich wohl ein eigenes Büro für (oft nutzlose) Strafanzeigen.

Wenn ich mir die Themen ansehe, die bei mir immer wieder zu Ärger führen, habe ich aber einen Verdacht:

Beispielsweise gibt es Leute, die Seminare zum musikalischen Tanzen anbieten („Tanzen zu Fresedo in 90 Minuten“) oder sogar Bücher dazu herausgeben. Und dann kommt einer wie ich und bietet ein kostenloses (!) Video von einer Viertelstunde an, in dem Grundlegendes erklärt wird. Wie nun, wenn es in der Folge Leute gibt, die den teuren Unterricht sausen lassen und stattdessen selber ihre Musiksammlung durchforsten?

Apropos: Noch schlimmer, wenn ich empfehle, statt kostspieliger Kurse doch lieber mal eine private Übungsgruppe zu organisieren, wo Fortgeschrittene die Anfängerinnen und Anfänger unter ihre Fittiche nehmen und man sich gegenseitig austauscht? Auch das könnte natürlich bei denen, welche Tango nur für Kohle anbieten, zu einem Umsatzrückgang führen. Erst recht, wenn ich behaupte, tolle Showtänze oder eine argentinische Herkunft sagten kaum etwas darüber aus, ob die Betreffenden ihre Fähigkeiten auch vermitteln könnten. Und auch meine Hinweise, Tanzlehrer sei kein staatlich anerkannter Ausbildungsberuf, dürfte in der Branche keine Begeisterung ausgelöst haben.

Weiterhin dürfte meine Behauptung, nicht jeder und jede könne wirklich Tango lernen, nicht gerade für Begeisterung sorgen - man will ja Schritte verkaufen.   

Und natürlich möchte man in diesem Beruf auch Bücher verkaufen, ohne mit differenzierter Kritik belästigt zu werden.

Noch viel schlimmer ist meine öffentlich beschriebene Abneigung, große und teure (!) Festivals zu besuchen oder an organisierten Tangoreisen, gar Pilgerfahrten ins Tangomekka teilzunehmen. Oder meine Ironie, was kostspielige Tangoschühchen, Flatterkleidchen oder Tanguero-Verkleidungen betrifft. Und mit solcher „Tango-Wellness“ ist gewaltig Geld zu verdienen!

Geradezu logisch auch, dass man Amateur-Musikgruppen heruntermachen muss. Schließlich gibt es doch genug Tango-Ensembles mit zertifiziertem Abstammungsnachweis, die gerne für vierstellige Gagen auftreten!

Es muss Veranstalter, die Eintrittsgeld verlangen, gewaltig wurmen, dass Leute wie ich private Tangotreffs organisieren. Zur Bekämpfung dieser Subkultur hat man dann die GEMA gegen mich in Stellung gebracht.

Insgesamt stört es halt gewaltig, dass ein Autor wie ich das schillernde und teure „Glückspaket Tango“ immer wieder kritisch hinterfragt – und Alternativen aufzeigt. Man will kein Miteinander auf Augenhöhe, sondern ein vertikales Verhältnis von Anbietern und Kunden. Und letztere sollen gefälligst den ganzen Kram erwerben, ohne viel nachzufragen. Gegenteiliges ist halt schlecht fürs G’schäft!

Zum guten Zweck muss man natürlich die Mär verbreiten, der böse Blogger habe vom Tango keine Ahnung. Und das gebetsmühlenartig. Schließlich dauert es oft jahrelang, bis sich im Tango eine Ansicht verfestigt, denn allzu geistig rege ist man in gewissen Kreisen nicht. Weiterhin fürchte ich: Die einen oder anderen Promis schreiben nicht selber, sondern lassen es andere tun.

Es muss aber auch im Tango-Kapitalismus Bereiche geben, wo nicht das Geld regiert. Und die werde ich weiterhin verteidigen.

Nun gut: Wer sein Bares für den ganzen Tango-Warenkorb ausgeben möchte, sei nicht daran gehindert. Schließlich kommt man viel herum, hört Musik, die man schon kennt, hat kiloweise Tanz- und Facebookfreunde und genießt Berührungen, die man im fortgeschrittenen Alter sonst nur noch vom Altenpfleger erhoffen kann.

Wie es Schützenvereine angeblich in ihrer Mitgliederwerbung formulierten:

„Schießen lernen, Freunde treffen.“

Was man in John Kanders Musical „Cabaret“ singt, trifft auch auf das Tango-Kabarett zu: „Money makes the World go round“!

If you happen to be rich and alone

And you need a companion

You can ring (ting-a-ling) for the maid.


https://www.youtube.com/watch?v=PIAXG_QcQNU

 

Kommentare

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