Trollologie


Derzeit ist mein Blog wieder einmal in schwerem Fahrwasser unterwegs: Aus nicht sehr unterschiedlichen Gründen nehmen ganz verschiedene Personen heftigen Anstoß. Da sie es eher nicht mögen, mit Namen genannt zu werden, mache ich das natürlich gerne:

Da wären zunächst einige Berliner Tangoexperten aus dem Facebook-Umfeld von Blogger-Kollegen Thomas Kröter, in erster Linie Christian Paschen, Jürgen Kühne und Michael Rühl. Die regen sich in vor allem auf, wenn ich behaupte, Frauen seien gleichberechtigt. Irgendwie passe das nicht zu den Tangotraditionen. Ich möchte sie daher in die Abteilung „Macho-Trolle“ einordnen.

Noch schöner der Berliner Musiker und Tangolehrer Pablo Fernandez Gomez, der mich im Unterschichten-Tonfall attackierte und generell findet, ausschließlich Latinos (oder besser: nur er) dürften über Tangofragen urteilen. Angesichts meines Blogs sowie auch von Tango-Fesselspielen in der Bundeshauptstadt findet er es peinlich, bei uns sein Geld verdienen zu können:
„Ich lebe seit ein paar Jahren in Deutschland, und langsam schäme ich mich schon, wenn mich Leute fragen, wo ich lebe.“ (FB-Seite von Thomas Kröter, 20.10.19)
Zweifellos gehört er in die Kategorie „Proll-Troll“.

Erst vorgestern habe ich mir ein Exemplar aus der Abteilung der Dauerbeleidigten zugezogen, also einen „Muffel-Troll“. Unter dem (mit Recht oder auch nicht geführten) Namen Maximilian Lercher wärmt er die Uralt-Klamotte auf, ich würde Menschen beleidigen und hätte mich nicht einzumischen, wenn diese sich öffentlich äußern. Insbesondere wurmt ihn, dass ich einen Passauer DJ kritisiert hatte, der sich wegen seiner hohen Qualifikation gegenüber den Tanzpartnerinnen das Letztentscheidungsrecht vorbehält. Ich fand diese Aussage „bescheuert“, was ihn heftig erregte.

Schon lange nicht mehr veröffentliche ich gelegentliche Kommentare meines Fans Ute Theimer, welche mir immer mal wieder mitteilt, wo meine charakterlichen Defizite liegen und auch versucht, sich unter falschem Namen zu melden:
„Och, Herr Riedl, tun's doch nicht so viel jammern! Sie veröffentlichen doch eh jeden Schmarrn, bei dem Sie gelobt und die anderen lächerlich gemacht werden.“
Sinnfreie Beiträge dieser Art sind die Kennzeichen des „Original-Trolls“.

Da ist es schon fast wohltuend, wenn man sich Kritikerinnen wie die Münchner Tanz- und Bewegungstherapeutin sowie streng orthodoxe Tangotänzerin Lala Pringsheim einfängt. Immerhin sind deren Anmerkungen in einem tadellosen Deutsch verfasst, was ja im Internet eher die Ausnahme darstellt. Die für mich neue Spezies des „Abi-Trolls“ formuliert gediegen und in einemFin de Siècle-Gouvernantenton“ mit hoher Moralinsäure. Besonders erregt hat die Dame, dass ich es wagte, öffentliche Äußerungen von ihr zu kommentieren, obwohl wir einander noch nicht mal vorgestellt worden waren und ich doch im traditionellen Tango ein „Außenstehender“ sei. O je, da hatte ich wohl statt der Dienstbotentreppe versehentlich den Aufgang für Herrschaften benutzt…

Das alles ist im Einzelfall zwar oft sehr possierlich und von (unfreiwilliger) Komik, nur: Rauskommen tut da genau nichts.

Eben dies bildet das Dilemma, wenn man als Blogger mit solcherlei Kontakten konfrontiert ist: Man weiß genau, dass man sich da einen Wolf erklären kann – es wird nichts nützen. Andererseits aber muss man an die vielen Leser denken, welche solche Wortmeldungen interessiert verfolgen. Würde man nicht reagieren, käme sicher über kurz oder lang der Vorwurf, man sei nicht zur Diskussion bereit.

Daher, lieber Trolle und sonstige Anstoßnehmer: Ich mach’s ja nicht für euch!
Schließlich hat man die Chance, eigene Standpunkte für die vielen stillen Mitleser zu verdeutlichen.

Weiterhin macht man Erfahrungen, die angesichts des Kriegs, der heute im Internet tobt, äußerst wertvoll sind. Daher für alle, die sich mit derlei „Kritikern“ konfrontiert sehen, einige Tipps:

Man erkennt solche Zeitgenossen schon daran, wie sie in eine Debatte einsteigen: Es beginnt nie mit halbwegs sachlichen Anfragen im Stil von würde ich gerne von Ihnen wissen, wie Sie es gemeint haben, wenn Sie schreiben..., sondern meist mit einer Anklage: beglückwünsche ich Sie dazu, wie Sie wieder einmal Menschen im Tango niedermachen.
Merke: Eine Aufnahme des Tatbestands ist überflüssig, es wird sofort das Urteil gesprochen.

Gerne wird auch gleich die Forderung erhoben, man müsse den Text umschreiben, weil man ja unkorrekt zitiert oder total wichtige Tatsachen unterschlagen habe.

Wie ist die übliche Reaktion des Bloggers? Er versucht, auf die Vorwürfe einzugehen, Behauptungen zu widerlegen, die wirklichen Aussagen zu verdeutlichen.

Ganz typisch: Man kriegt sofort eine Antwort, da man ja nicht recht hat. Auf die Rechtfertigungen wird aber höchstens mit einem vagen Spruch oder gar nicht eingegangen. Stattdessen erhebt man neue Vorwürfe. Die versucht der Blogger wiederum richtigzustellen. Anschließend… siehe oben. Und die nächste Antwort kommt bestimmt.

Variante: Man möchte eine Aussage des Bloggers erklärt haben, da man sie angeblich nicht versteht. Wenn er das dann versucht, versteht man es noch weniger. Weil: Man will es gar nicht kapieren, da der Autor ja nicht recht hat. Und er ist schuld, weil er‘s nicht erklären kann. Denn: Es stimmt ja nicht…

Vorschlag: Setzen Sie sich vor eine Wand und versuchen Sie mit ihr ein vertrauliches Gespräch. Wenn das Gemäuer nach einigen Stunden eine gewisse Empathie ausstrahlt, begeben Sie sich wieder zu ihrem Blog…

Um Inhalte geht es kaum: Ständig werden so interessante Fragen ventiliert, was Sie überhaupt warum dürfen, wer Ihnen eigentlich erlaubt habe, sich einzumischen und vieles mehr aus der Formalien-Abteilung

Noch ein Kennzeichen: Ihr Gesprächspartner (euphemistische Bezeichnung) wird sich niemals auf Relativierungen einlassen. Oh Gott, nein: Er verfügt stets über eine stramme, hundertprozentige Ansicht. Und es geht keinesfalls um Kleinigkeiten – unterhalb der Rettung der Welt tut er es nicht.

Selten fehlt auch die Andeutung, Sie betrieben Illegales. Dabei werden allerlei rechtliche Fake News verbreitet. Auf sachliche Widerlegungen wird nicht eingegangen. Fordern Sie Ihr Gegenüber dann auf, sich doch einen Anwalt zu nehmen und gegen Sie einzuschreiten, kommt die vollautomatische Reaktion: Um das „rein Juristische“ gehe es ja gar nicht. Ersatzweise wird dann der moralische Weihrauchkessel geschwenkt: Überhaupt sei man ja eine ethisch fragwürdige Existenz.

Ein wichtiger Test: Fragen Sie Ihren Kritiker nach konkreten Vorschlägen. Mit Sicherheit kommt da nichts, denn konstruktiv zu agieren ist nicht seine Welt. Insistiert man, wird die Diskussion oft sogar abgebrochen – unter dem Hinweis, Leute wie Sie wären ja gar kein Gespräch wert. Merke: Obwohl sich er ja zunächst um ein solches bemüht hatte…

Für ganz wichtig halte ich es, aus solchen Kontakten nicht zu spät auszusteigen. Nach wenigen Diskussionszügen merken Sie, dass es dem anderen überhaupt nicht darum geht, eine Sache aufzuklären. Er wollte Ihnen eigentlich nur mal mitteilen, für welchen Schurken er Sie hält. Na gut, das hat er nun geschafft – und den Rest mag er seinem Friseur erzählen. Und sollte er beleidigend werden (und das ist häufig bei Leuten, die Beleidigungen bei anderen beklagen): Sperren und ab in den Spam-Filter!

Einen positiven Effekt darf man nicht verschweigen: Solches Getöse führt meist zu einem sprunghaften Anstieg der Zugriffszahlen (derzeit um 700 pro Tag). Der Leser liebt es offenbar, wenn die Dreckbollen fliegen. Na gut - zumindest die andere Variante, nämlich die Nackte von Seite drei, verkneife ich mir auch in Zukunft...     

Daher rate ich Ihnen: Bevor Sie ein kritisches Blog aufmachen, sollten Sie zunächst mit einem Brexit-Anhänger von der Insel einen Meinungsaustauch führen. Er könnte ungefähr so ablaufen:  

UK: Wir wollen ein Pony.
EU: Wir haben nur Pferde und Zebras.
UK: Ein Zebra auf keinen Fall.
EU: Okay, dann ein Pferd oder gar nichts.
UK: Wir haben abgestimmt. Gar nichts wollen wir nicht.
EU: Dann nehmt das Pferd.
UK: Wir wollen ein Pony.  

So – nun sind Sie reif zum Bloggen!

Illustration: www.tangofish.de

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