Ganz in Weiß…

Betrachtet man die heutige Tango-Realität, so ist dem Eingeweihten klar: Es besteht bei unserem Tanz extremer Regelungsbedarf. Aufforderungs- und Tanzspurverordnungen, Umarmungsvorschriften, Beinhebeverbote sowie klare Richtlinien zur erlaubten Musik allein sind nicht ausreichend, um die erstrebte Gleichförmigkeit zu erreichen.

Ebenso unzureichend sind Ratschläge vor allem an Männer, welche die hygienischen Verrichtungen vor einem La Plata-Ringelpiez betreffen. Was Mutti einst versäumte, müssen die Códigos nachliefern.

Findige Veranstaltende haben nun ein neues Reglement entdeckt: die Farbe der Kleidung.  

Vor einiger Zeit erhielt ich die Einladungsmail zu einer „Open Air Milonga in Weiß“. Darin hieß es:

„Wer essen, trinken will, bitte alles, was man braucht, selbst mitbringen. Biertischgarnituren stehen zur Verfügung.

Der Eintritt ist frei, aber bitte Weißes Outfit!“

Prima, dass ich nicht noch einen Tisch oder Stuhl mitbringen muss – aber wo kriege ich jetzt eine weiße Hose her? Und Feinripp oder Doppelripp? Haben die einen Vertrag mit den örtlichen Boutiquen?

Brauche ich auch noch einen weißen Hut? Notfalls ginge mein Panama-Exemplar, das ist immerhin beige. Und weiße Schuhe? Solche Operetten-Angeber-Schleicher besitze ich nicht. Auch keine schwarz-weißen. Vielleicht sollte ich ein Paar schwarze Tanzschuhe vier Wochen in den Garten stellen, bis die Amseln draufkacken. Dann hätte ich Bio-Budapester

Aber schön wirkt das schon, wenn dann alle nicht nur die gleichen Schritte zur ewig ähnlichen Musik tanzen, sondern auch farblich übereinstimmen – eine Art Tango-Mimese. Da stört der Herr mit der schwarzen Hose schon erheblich:


https://www.youtube.com/watch?v=7QmQHkLqa88

Cool wäre dazu natürlich noch ein gleichfarbiger Pferdeschwanz, dann hätte man alles zusammen. Und Weiß macht einen schlanken Fuß:

https://www.facebook.com/reel/254628004176827

Schade, dass der Augsburger Gerhard Höllerich alias Roy Black keine Tangos gesungen hat. Aber immerhin zunächst Rock’n’Roll und Elvis. Später leider nur noch Schnulzen. Ein typisches Tangoschicksal halt…

1966 schaffte er den Durchbruch: Von „Ganz in Weiß“ verkauften sich 2,5 Millionen Singles.

https://www.youtube.com/watch?v=Pmaoyw5Dkeg

Der Sänger zerbrach offenbar daran, dass er eigentlich mit anderen Dingen populär werden wollte als mit dem, was man von ihm erwartete. Kenne ich auch vom Tango…

https://de.wikipedia.org/wiki/Roy_Black

Nö, dann lieber zur eigenen Identität stehen! Ich werde Tanzevents mit Kleidervorschriften nicht besuchen. Es sei denn, man veranstaltet mal eine „TRIGEMA-Milonga“. Hätte aber nichts mit den Urheberrechts-Schützern zu tun, sondern mit Jogginghosen.

Dann käme ich ganz groß raus!

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