Gäste, die wir hatten
Manchmal haben Gewitter ihr Gutes. Zum Beispiel gestern bei unserer Wohnzimmer-Milonga, als sich unsere Gäste nach der letzten Tanda nicht in den strömenden Regen stürzen wollten. So ergab sich eine muntere Post-Tango-Plauderei, bei der man sich über aktuelle Erlebnisse, aber auch welche aus vergangenen Pörnbacher Milongazeiten amüsierte.
Zu diversen Besuchern unseres Dorftangos könnte man tatsächlich lange Geschichten erzählen. Dabei ziehen wir natürlich nicht über Leute her, die einmal und nie wieder erschienen. Hierfür gibt es sicherlich ganz unterschiedliche Gründe, über die wir selten informiert werden – vielleicht gefällt halt die Musik nicht, die Tanzfläche ist zu klein, die Tanzstile sind zu wild, das Alter der Tänzerinnen ist zu hoch oder was auch immer. Das alles haben wir zu respektieren, Nachfragen verbieten sich.
Satirisch interessanter wird es schon bei Gästen, die eine Zeitlang Feuer und Flamme waren, dann aber plötzlich – mehr oder weniger geräuschvoll – verschwanden. Glücklicherweise waren das nur wenige.
Ein Tänzer beispielsweise, dem wir anfangs einige Sonderwünsche erfüllen durften, war eines Tages stinkend beleidigt und kam nie wieder. Der Grund: Ich hatte ihn darauf angesprochen, dass er uns mehrfach in letzter Minute abgesagt hatte und wir in der Eile auch keine Teilnehmer von der „Warteliste“ mehr aktivieren konnten. Das empfand er wohl als ungehörige Einmischung in sein Leben. Wie wir in der Folge beobachten konnten, besuchte er aber andere Veranstaltungen regelmäßig, ohne mal wegzubleiben.
Ähnlich reagierte ein Tanguero, der uns längere Zeit mit Lob überschüttet hatte. Dass ich bei leerem Parkett und voller Küche die Besucher gelegentlich daran erinnerte, dass sie sich auf einer Tanzveranstaltung befänden, verschlechterte seine Laune erheblich, da er doch – wie wir oft genug von ihm erfuhren – an diversen Krankheiten litt. Daher führte wohl mein Spruch „Aha, da sitzen die ganzen Garderoben-Helden“ zur Ignorierung aller weiteren Einladungen.
Noch größer war der Kontrast zwischen Anbetung und anschließender Verstoßung bei einem anderen Paar. Da ich nicht ins Detail gehen will, nur so viel: Ich schreibe halt meine nicht immer besonders netten Blogtexte oft auf der Basis persönlicher Erfahrungen. Wer mir solche verschafft, muss auch damit rechnen, dass ich sie in einem Artikel verwerte. Greife ich dabei etwas an, was man selber ablehnt, werde ich für meine Schärfe gelobt. Im gegenteiligen Fall ist aber die Empörung groß, dass ich höchst indiskret heiligste Güter in den Schmutz ziehe…
Einmal hatten wir einen jüngeren, sehr gut tanzenden Herrn zu Gast, der die ganze Zeit nichts unversucht ließ, eine unserer Tangueras zu erobern. Leider kriegte er nicht mal ihre Telefonnummer heraus, was ihn deutlich verdross. Da er mit dem Zug gekommen war, musste noch ein Abhol- und Rückführungsdienst zum Ingolstädter Bahnhof organisiert werden. Die Tänzerin, welche letzteres übernahm, meldete uns anschließend, sie haben den Herrn „ohne Unterbrechung der Kühlkette“ an den Gleisen abgesetzt.
Immerhin entdeckte ich durch diesen einmaligen Besuch die Spezies der „Pickup Artists“, deren Methoden ich an diesem Tag live beobachten konnte:
http://milongafuehrer.blogspot.com/2017/02/gefecht-zum-klarmachen.html
Immerhin können Leute, die wegbleiben, keinen großen Ärger mehr machen. Anders bei einem älteren Tanguero, der uns immer wieder schilderte, welch schlimme Erfahrungen er doch auf anderen Milongas gemacht habe. Obwohl wir die Entwicklung hätten absehen können, luden wir ihn nach Pörnbach ein, wo er eine Zeitlang Dauergast war. Leider lautete unsere Diagnose: geringste Tanzfähigkeiten bei maximaler Beratungsresistenz. Schlimmer noch: Er ließ unsere weiblichen Besucher immer wieder fühlen, dass er nur mit wenigen Auserwählten zu tanzen bereit war, diese aber umso heftiger anbalzte.
Eines Abends kam es zum Eklat, der meinen Tangofreund Peter Ripota schon vor längerer Zeit zu einer wirklich schönen Glosse anregte. Ich meine, inzwischen ist so viel Zeit vergangen, dass wir den Rausschmiss veröffentlichen dürfen. Daher mein herzlicher Dank an den Autor, der mir seinen Beitrag zur Verfügung gestellt hat!
Peter Ripota: Mein schlimmstes Tango-Erlebnis
Ich bin ein guter, um nicht zu sagen: ein sehr guter Tangotänzer, und die Frauen schätzen das auch. Zumindest diejenigen, mit denen ich tanzen kann, was sehr wenige sind. Aber mein Nivo ist halt von Seiten meiner Partnerinnen schwer einzuhalten. Außerdem bin ich für die Emanzipation der Frauen. Mein Leben ist dafür der beste Beweis: Ich lebe single, weil ich keiner Frau zumuten will, dass sie sich von mir beherrschen lässt. Nicht, dass ich sowas machen würde, ganz und gar nicht. Aber Sie wissen ja, wie gern sich Frauen unterordnen, und das kann man(n) halt schwer verhindern.
Dass die Frauen mit meinen Tanz-Kenntnissen nicht mithalten können, ist schade, aber wer meine Führung nicht versteht, dem ist nicht zu helfen. Eine Tangolehrerin, die ich einmal diesbezüglich fragte, hat gemeint, ich solle deutlicher führen. Deutlicher geht doch gar nicht! Die Frauen sind einfach unsensibel und brauchen offenbar immer einen starken Mann, nicht so einen sensiblen Menschen wie mich. Das zu meinem Charakter.
Doch was mir neulich auf einer kleinen, privaten Milonga passierte, das schlägt dem Fass den Boden aus. Als ich den Tanzraum betrat, begrüßte ich die Damen, wie es meine Art ist, gleich mit einem Kompliment: Ah, endlich sind die Zwei da, mit denen ich tanzen kann. Und als ich mit der einen fertig war, die meine Führung tatsächlich halbwegs verstanden hatte, da wollte ich ihr zum Abschied aus lauter Dankbarkeit einen Kuss auf die Wange drücken. Sie aber drehte den Kopf weg, das heißt, eigentlich zu mir, und so landete der Kuss auf ihren Lippen, wofür ich wirklich nichts konnte und was ich niemals beabsichtigt hatte. Anstatt dass sie sich dafür entschuldigte (oder bedankte, was eher angemessen gewesen wäre), sah sie mich nur an und sagte dann mit lauter Stimme, sodass es alle im Raum hören konnten: „Du hast mich auf den Mund geküsst!“ Das bestritt ich, weil, siehe oben. Da kam ihr wahrer Charakter zum Vorschein, nämlich der einer aggressiven und männerhassenden Feministin – sie gab mir vor allen Leuten eine Ohrfeige!
Ich bin von Natur aus ein sanftmütiger und verständnisvoller Mann, wie auf Grund der Beschreibung meines Charakters inzwischen klar sein sollte. Aber das ging zu weit! Nur mit großer Mühe konnte ich mich zurückhalten, am liebsten hätte ich ihr eine Watschen gegeben. So aber erklärte ich nur nochmals den Sachverhalt und meine vollständige Unschuld, denn was kann ich dafür, wenn mein Gegenüber eine unerwartete Kopfbewegung macht. Und dann krieg ich die Schuld an einem ohnedies völlig harmlosen Vorfall! Schlimmer noch: Die anderen unterstützten sie, der Hausherr erteilte mir zuletzt Hausverbot, statt sich mit mir zu solidarisieren. Da sieht man wieder, wie kleinmütig inzwischen die Männer geworden sind, wie sehr sie sich den Machtbedürfnissen der Frauen unterordnen, wie der ganze Tango seinen Sinn verliert. Denn schließlich führt dort der Mann, was nichts anderes bedeutet, als dass die Frau mitmacht, was der Mann ihr vorgibt. Solche biestigen Typen wie diese Tänzerin, deren Können ohnedies übertrieben dargestellt wird, verbauen uns Männern den Weg zur Vollendung; sie zerstören das Vertrauensverhältnis, das wir mühsam während des Tanzens aufbauen, sie machen uns Schuldgefühle (mir nicht) und bringen die Grundfesten der Gesellschaft ins Wanken.
In Zukunft tanze ich nur noch mit Männern oder mit Mundschutz!
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Herzlichen Dank an Peter Ripota!
Zum Glück darf ich sagen: Bei unseren insgesamt 68 Wohnzimmer-Milongas waren das wirklich rare Einzelfälle. Ich glaube, das hat zwei Gründe: Erstens ist unser „Jagdrevier“ für notorische Casanovas viel zu klein – und die Damen sind teilweise sogar verheiratet. Weiterhin gibt es auch zu wenig Publikum, um sich wichtig zu machen und per Rangordnung andere zu dominieren. Das alles macht auf großen Veranstaltungen viel mehr Spaß.
Worüber ich noch etwas länger grübeln möchte: Wieso der Frauenanteil in Pörnbach immer mehr zunimmt…
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