Meine alten Münchner Tangozeiten
Mein
Artikel zur Diskussion über Tango-Rechtsfragen in der Münchner Szene hat dort zu
heftigsten Debatten geführt. Diese wurden noch verschärft, als der dortige
Tangofotograf Joachim Beck sich an
einer Satire über mich versuchte:
„Es ist ein
hungriges, gefräßiges Tier. Es lauert im Norden Münchens auf Beute. Es
beobachtet, es ist geduldig, es hat Zeit und es ist unerbittlich! Es ist ein
Riedl! Sei auf der hut, tanguero - begehst du nur einen kleinen Fehler, so
packt es Dich – das Riedl. Zum Glück ist ein Biss des Riedls völlig
unschädlich.
Früher lebte das
Riedl störend aber relativ ungestört auf Münchner Milongas, leicht zu
identifizieren an veitstanz-ähnlichen Hüpfschritten, abrupten Richtungswechseln, unmotivierten Quertraversen. Belächelt aber
wohlgelitten überlebte das Riedl lange Jahre in seiner selbstgewählten Nische.
Was das Riedl
schließlich aus seinem angestammten Habitat vertrieben hat, ist in der
Tango-Forschung letzgültig nicht geklärt worden. Es gilt jedoch als sicher,
dass das seltene Tierchen in München ausgestorben ist. Das Riedl lebt nun im
Metropol-Dreieck Maushof, Deimhausen, Puch, insidern bekannt als tri-be-frei –
triangle below Freinhausen.
Das Riedl ernährt
sich dort hauptsächlich von Facebook-Nachrichten aus der Münchner Tango-Szene.
Fachleute sind verblüfft, welch geringe Menge an Energie nötig ist, um das
Riedl am Leben zu erhalten. Einmal genährt scheidet das Riedl große Mengen an
Textzeilen aus. Das Riedl ironisiert, bis es schließlich einen Sarkasmus
bekommt und verstummt.
Es überlebt dann in
einer Art Winterstarre, bis der nächste Münchner Tangofreak irgendeinen
komischen Scheiß postet“
https://www.facebook.com/groups/tangomuenchen/permalink/10156025184971186/
(Edit: Auch hier hat man inzwischen die Kommentarfunktion gesperrt. Wie ihr wollt, Leute... ich sag nur eins: Ihr macht euch damit keine Freunde... zukünftig viel Vergnügen!)
(Edit: Auch hier hat man inzwischen die Kommentarfunktion gesperrt. Wie ihr wollt, Leute... ich sag nur eins: Ihr macht euch damit keine Freunde... zukünftig viel Vergnügen!)
Ich
habe auf Facebook bereits angemerkt, dass ich den Text
durchaus respektabel finde – zumindest von einem Autor, der nicht täglich
Satiren schreibt (jedenfalls keine bewussten).
Nützt
aber nichts: Aus vielen Meinungsäußerungen geht hervor, dass man in dieser Gruppe keine Satire möchte, sondern
lediglich die bislang fast ausschließlich vorhandenen Werbeanzeigen. So schreibt eine der beiden Administratorinnen der
FB-Gruppe, Maren Gehrmann: „Der Sinn dieser
Seite ist es Leuten in München und besonders Auswärtigen zu zeigen was unsere
Szene alles Schönes zu bieten hat.“
Aus meiner Sicht ist es jedenfalls
erfreulich, wenn dort augenscheinlich manche nachzudenken beginnen, ob sich die
Kommunikation im Tango wirklich auf das
Posten von Hochglanzfotos argentinischer Lehrer beschränken sollte…
Was mich betrifft: In Satiren über meine
Person wird natürlich gerne die „Provinzkarte“
gezogen – der Autor sitze halt irgendwo auf dem Dorf und verfolge lediglich aus
der Ferne, was sich in den Metropolen so tue – wenn er nicht eh in eine „Winterstarre“ verfalle (und das bei
bislang 7 Texten seit Silvester…).
Noch interessanter finde ich die
Feststellung, es sei „in der
Tango-Forschung letztgültig nicht geklärt worden“, was mich aus meinem „angestammten Habitat“ (also München) vertrieben habe.
Ich hielt mich zu diesem Thema bislang diskreterweise zurück.
Vielleicht ist es nützlich, hier einmal konkreter
zu werden – zumal viele, die dort erst seit einigen Jahren tanzen,
möglicherweise glauben, es sei im Münchner Tango schon immer so zugegangen wie
heute.
Gelernt haben wir Tango ab
1999 für einige Zeit in Regensburg –
bei einem Paar, das (nicht wegen uns) Jahre später fluchtartig die Stadt
verließ. Wir hatten dieser Schule – so um das Jahr 2002 – wegen ihrer diktatorischen Methoden schon vorher
den Rücken gekehrt. Ersatzweise besuchten wir in jener Stadt die Milongas
eines anderen abtrünnigen Schülerpaars, Christiane
Solf und Sven Frais. Den „Tango im Fluß“ gibt es heute noch –
und wir gehen immer wieder gerne hin, da es sich dort nie um Ronda oder Códigos dreht,
sondern um den Spaß am Tanzen.
Damals frequentierten wir auch diverse Veranstaltungen in München, die es alle nicht mehr gibt: Die „Taverna Odyssee“, das „El
Choclo“ von Norbert Langer, die
wunderschönen Sonntag-Nachmittage in der Schwabinger „Seidl Villa“, die damals Peter
Ripota organisierte, das „El Corazón“
von Maja und Daniel und die Milongas von Marina
Jablonski und Oscar Busso (beide
in der Sonnenstraße), die sich dereinst alle durch vielfältige Musik und Fehlen
jeglicher Tanzregeln auszeichneten, im Gegenteil: Verwirrt, aber erfreut
nahmen wir zur Kenntnis, dass man die berüchtigte „Achter-Basse“ als Grundschritt gar nicht brauchte, sondern frei
improvisieren durfte – wie schön! Wir lernten dort eine Vielzahl hoch
interessanter Tänzer/innen kennen, die alle ihren höchst individuellen Stil pflegten und denen wir viel abschauten.
Mit
den Jahren kamen viele weitere Events hinzu, die uns spannende Abende
bescherten – so die Neo-Milongas im alten „Premier
Ètage“ oder in der Tanzschule „Petit
Palais“. Man hielt es damals noch miteinander aus, wie Theresa Faus (tradi) und Sonja
Zepner (neo), die einmal eine wunderbare Milonga zu zweit gestalteten. Und
auch Susanne Mühlhaus veranstaltete
einst noch ansprechende, wenngleich wenig beachtete Milongas mit moderner
Musik, bevor sie ihre Liebe zu sehr gut besuchten Encuentro-Verschnitten
entdeckte. Und die Abende in der Pasinger
Fabrik waren, vor allem dank des Ausnahmetalents Esequiel Maiolo (der sogar mit Besucherinnen tanzte), stets eine
Reise wert.
Freilich
wehte uns in München auch schon früh ein Geist an, den Thomas Kröter gerne als „highnosed and stifflipped“ bezeichnet:
So durfte meine Frau im „La Tierrita“
kaum darauf hoffen, einmal (gar vom Chef) aufgefordert zu werden, im „Schlachthof“ war (wie sinnig) die Jagd
nach Frischfleisch unübersehbar, und den Nullpunkt
der Empathieskala markiert für mich bis heute das „Lo de Laura“ (damals noch am Bereiteranger), wo einen das Personal
nicht mal beim Zahlen des Eintritts ansah.
Der
musikalische Umschwung, den ich ab zirka 2007 erlebte, ist für mich untrennbar
mit der verräucherten Tangokneipe „Brückerl“
am Langwieder See verbunden. Lange Jahre gehörten die Mittwochabende dort zu
unseren „Tango-Pflichtterminen“. Wer damals auflegte, war generell nicht
so wichtig, da sich alle Mühe gaben, vor allem abwechslungsreiche Musik zu bieten. Mit der Zeit dominierte dort
aber ein DJ, welcher die Beschallung immer mehr ins Traditionelle verschob und – schlimmer noch – jeden Abend fast dieselben Titel spielte. Nun – er ist
heute der Chef des „El Duende“, und
nicht mal das hielt uns lange Zeit davon ab, seine Milongas zu besuchen.
Irgendwann aber waren wir zermürbt…
Als
wir 2007 mit unserer öffentlichen Milonga
in Pfaffenhofen begannen, kamen zwar einige Gäste auch aus München, aber
natürlich hatte es keine einzige der obigen „Tango-Zelebritäten“ nötig, uns
einmal einen Gegenbesuch
abzustatten.
Dazu
kommt, dass wir ja nicht „im Norden
Münchens“ wohnen, sondern fast schon in Ingolstadt. Unzählige Male waren die Fahrten zu Münchner Milongas mit ellenlangen Autobahn-Staus verbunden – und mit einer nicht unbedingt kürzeren Parkplatz-Suche. Und selbstredend fällt
es keinem Münchner Veranstalter ein, den Anreisenden irgendwelche Tipps zur
verkehrstechnischen Erreichbarkeit zu geben. Man ist sich selbst genug.
In
der Kombination stellte sich uns immer stärker die Frage, ob wir mehr als zwei Stunden im Auto (oft plus
U-Bahn) sitzen wollten, nur um nachher kostenpflichtig
ignoriert zu werden und zu einer vorhersehbaren
Musik zu tanzen, die wir inzwischen in Ingolstadt oder Augsburg ebenso haben konnten
(wo man übrigens deutlich netter mit Gästen umgeht) – oder gar zu
interessanteren Klängen in Regensburg, Freising,
Attaching, Kaufering, Gröbenzell und Blumenthal tanzen können.
Und wir besuchen gelegentlich „Außenseiter-Milongas“ wie die in Germering oder
Neuried. Vor allem aber haben wir ja einmal im Monat selber Gäste: In unserem Pörnbacher Wohnzimmer, wo ich die Musik nach meinem Gusto auflegen darf. Zwei bis drei Mal pro Woche komme ich daher trotz fortgeschrittenem Alters schon noch zum Tanzen...
In
diesem Jahr haben wir uns fest vorgenommen, auch einmal der Neolonga von Jochen Lüders im „El Rojo“ einen Besuch abzustatten und einer persönlichen Einladung
des neuen Veranstalters im „Schlachthof“
zu folgen – vor allem aber die Veranstaltungen des schillernden Münchner
Tango-Irrwisch Levent Göksu genauer
kennenzulernen.
Kostprobe
aus seiner neuesten Einladung (von
mir ein wenig eingedeutscht):
„Ich höre die Geister
des Tango flüstern: Gebt dem Tango das zurück, was ihm gehört, und zwar die
Freiheit. Wodurch zeigt sich diese Freiheit? Diese Freiheit zeigt sich durch
Aufhebung aller Regeln, die bisher im Tango wirken, also das heißt, alles was
anfängt mit: Das macht man so und das macht man so, das gehört so und das
gehört so; alles, was das Ganze in eine Ordnung zwingt, gilt hier nicht, das
heißt, es muss kein Capasseo sein, um die Leute aufzufordern, und auch die
Ronda muss nicht eingehalten werden.Jeder kann tanzen, wie er möchte, der Raum
teilt sich schon von selber auf.“
Reklame: „Tango free“
Donnerstag,
17.1.19, ab 19.00 Uhr, INTERIM, Laim, Agnes-Bernauer Str. 97, 80687 München
Wenn
ich also, satirisch zugespitzt, manchmal „den
Münchner Tango“ charakterisiere, dann vergesse ich natürlich nicht, dass
ich dort auch wunderbare Menschen
getroffen habe und immer noch treffe. Die sind nur leiser als diejenigen,
welche ihre Ego-Show öffentlich mit Tango-Verordnungen zelebrieren.
Ich
habe auf Münchner Milongas Traumhaftes erlebt – wie beispielsweise an den
Abenden auf der „Prater-Insel“, wo
selbst ein Veranstalter wie Jürgen Krebes sintemalen noch Musiker wie die
Gruppe „Youkali“ engagierte. Dass
ich unter dem Münchner Sternenhimmel zu Jaime
Liemanns Interpretation von „Balada
para un loco“ tanzen durfte, hat einen festen Platz in meiner „Tango-Vitrine“
– Lichtjahre entfernt von den heutigen Katechismus-Verwaltern,
die nicht wirklich wissen, wo Gott wohnt…
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