Von Männern, Körben und anderen Abartigkeiten



Offenbar haben Anfänger auf den Milongas zunehmend Probleme – anders kann ich mir das riesige Echo auf die letzten beiden Artikel nicht erklären.

Nun habe ich ja schon öfters zu diesem Thema geschrieben, zum Beispiel hier:
Aber es wirkt wohl überzeugender, wenn dies Betroffene selber tun; daher nochmals mein herzlicher Dank an die beiden Autoren!

Wie es der Zufall (oder die Häufung) will, landete die nächste solche Geschichte gestern auf einer Milonga bei mir:

Ich forderte eine Tänzerin auf, die offensichtlich alleine da war; auch dass es sich wahrscheinlich um eine Anfängerin handelte, hätte sie mir nicht erzählen müssen. Nach einer netten Tanda trafen wir uns später zufällig noch vor der Tür (für „Tango-Beichten“ aller Art ein hervorragender Ort):

Sie sei sehr froh, diesmal viel zum Tanzen zu kommen. Am Abend zuvor wäre es ganz anders gewesen: Niemand habe sie aufgefordert. Meinen Vorschlag „Warum hast du nicht einfach die Männer gefragt?“ beantwortete sie kurz und knapp: „Hab ich mehrfach versucht und nur Körbe bekommen.“

Da sie auch die Veranstaltung nannte, wo dies geschah, lautete mein Kommentar: „Dorthin geh ich schon seit Jahren nicht mehr.“ Doch, sie werde es wieder probieren – aber auch öfters weiter weg fahren und andere Milongas besuchen. Bei Letzterem konnte ich nur heftig zustimmen!

Mein Ärger über solche Vorkommnisse ist groß genug, um diesen Artikel zu schreiben: Wie um alles in der Welt sollen Frauen eigentlich tänzerische Erfahrungen sammeln, wenn sich in der Tangoszene eine solche Einstellung breit macht? Gute Tänzer fallen nicht vom Himmel – auch nicht solche Schlaghosen-Dödel, welche an die Damenwelt Körbe verteilen, nachdem sie vorher jahrelang wie die Mehlsäcke auf dem Parkett herumfielen und von Dutzenden hilfreicher Damen mühsam in die Spur gebracht wurden!

Diese Unterstützung, welche einem als Anfänger zuteil wurde, hat man als erfahrener Tänzer gefälligst weiterzugeben – ich sehe da durchaus einen moralischen Anspruch. Und: Ich bin inzwischen fest davon überzeugt, dass die Propagierung des Cabeceo in erster Linie dem Selbstschutz eines bestimmten Männertyps dient: Nicht, dass irgendeine Tangotussi einfach hingeht und fragt… Und: Solange die „Waffengleichheit“ beim Auffordern nicht erreicht ist, halte ich es für unsäglich, Tänzerinnen eine Absage zu erteilen.

In unserem Gespräch riet ich meiner Tanzpartnerin, beim nächsten Korb einmal zu fragen: „Du traust dich wohl nicht?“ Bekanntlich bringt diese Frage Männer gemeinhin dazu, den größten Blödsinn anzustellen, sich im Extremfall sogar mit einem Gummiseil an den Füßen von Brücken zu stürzen! Was mir dann auf der Heimfahrt noch einfiel: Sie könnte den nächste Tanzverweigerer freundlich nach seinem Namen fragen, verbunden mit der Bemerkung: „Weißt, der Gerhard Riedl veröffentlich sowas gern auf seinem Blog…“         

Nein, im Ernst: Ich verstehe natürlich Anfänger, denen es nichts bringt, wenn ihr Tanzpartner sich nur „unter Zwang“ zu einer Tanda bereitfindet. Und es gibt beim Tango auch Menschen (selbst Männer), welche nicht so hirnverbrannt agieren – und ebenso Milongas, wo nicht der Kastengeist eines Offizierscasinos herrscht. Da rate ich allen diesbezüglichen Opfern zu einer Abstimmung mit den Füßen! Solange beim Tango lemmingsartig alle hinrennen, weil der Rest schon dort ist, wird sich nichts ändern.

Und ich würde mir sämtliche Pappnasen merken, welche mir einen Korb verpasst haben – und mich schon deshalb zu einer exzellenten Tänzerin entwickeln, um dieses Trageutensil eines Tages mit Genuss und Schmackes zurückzugeben!

Weiterhin rate ich Anfängerinnen, im Zweifel lieber allein eine Milonga zu besuchen anstatt mit einem Partner ähnlicher Tanzerfahrung – oder jedenfalls nicht deutlich als Paar aufzutreten. Single-Frauen haben größere Aufforderungschancen, und der Begleiter wird zum Klotz am Bein, wenn er nicht selber auffordert. Dann werden die beiden schnell als „festes Paar“ eingestuft – mit den entsprechenden Folgen.

Nach meinem Eindruck ist es nämlich zwecklos, Männer in der ersten Zeit ihrer Tangoentwicklung (also oft mehrere Jahre) davon zu überzeugen, dass sie nicht in Lebensgefahr schweben, wenn sie eine fremde Frau auffordern. So viel zum maskulinen Heldentum

Meine Leserin Sandra hat kürzlich in einem Kommentar einen sehr interessanten Gedanken entwickelt: Früher sei es für Beginner selbstverständliches Ziel gewesen, auf Milongas zu tanzen. Heute werde der Tango als etwas betrachtet, was man erst lange Zeit mühevoll zu erlernen habe, bevor man es irgendwann wagen könne, sich den gestrengen Blicken von Milongagästen auszuliefern.

Leider ist das wohl so. Also raten wir allen Neulingen, sich möglichst bald den Herausforderungen eines realen Tanzabends zu stellen – mit der Folge, dass man die Frauen sitzen lässt, ja ihnen bei eigenen Aufforderungsversuchen Körbe verpasst. Es ist zum Kotzen…

Vielleicht gilt für den Tango heute ja das, was der Kabarettist Han’s Klaffl zum Lehrerberuf formulierte: Sein Vater habe ihm davon abgeraten – er solle sich lieber eine Beschäftigung suchen, bei der er es mit Menschen zu tun habe!

P.S. Da mein Blog „völlig unanonym“ ist: Bei der oben erwähnten Milonga mit den Körben handelt es sich um den „Tango Negro“ in Regensburg.

Kommentare

  1. Robert Wachinger5. Juni 2017 um 11:34

    ich hör in letzter Zeit immer wieder Geschichten, dass eine Frau den ganzen Abend rumsitzt, wenn sie irgendwo neu ist. So als ob sich die Tangomänner erst an Gesichter gewöhnen müssten.

    Interessanterweise sind Frauen da nicht viel besser, wenn man als Mann neu zu einer Milonga kommt. Mir ist es schon passiert, dass ich "dezent" nicht wahrgenommen wurde (mir aber egal, ich muss mich nicht aufdrängen ...), oder aber auf Milongas, wo Körbe zu verteilen offenbar nicht Usus ist, dass die Dame entsprechend reserviert ist (ändert sich meist, ausser bei absoluter Inkompatibilität, beim zweiten Stück).

    Ach ja, und jetzt noch als Gegenbeispiel, und weil ich diese Erfahrung so toll fand gänzlich unanonym: die Milonga in Ingolstadt, die Robert Schneider alle paar Wochen/Monate organisiert. Ich war zu früh dran, die Übungsstunde vorher lief noch, ich hab mich also erst mal still an die Seite gesetzt. Ich wurde dann recht bald von seiner Frau begrüsst und quasi sofort integriert. Das bin ich zwar von München nicht gewohnt, aber so muss das sein! Hier an der Stelle nochmal Danke für diesen schönen Abend!

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    1. Stimmt schon - Beklopptheit ist nicht völlig geschlechtsspezifisch... Aber wir Männer kriegen meist halt wenigstens den erwünschten Tanz und müssen nicht ewig rumsitzen.

      Was Robert Schneiders Milonga im Tanzstudio Süd / Ingolstadt betrifft: Ja, die Atmosphäre da ist toll, und auch die Musik ist inzwischen sehr abwechslungsreich. Wir gehören dort seit langer Zeit zu den Stammgästen. Schade, dass die Termine relativ selten sind!

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  2. Frauen, die mich auffordern, rennen bei mir IMMER offene Türen ein! Ich tanze mittlerweile 1,5 Jahre und bin seit Beginn milongasüchtig, doch leider: "Nach meinem Eindruck ist es nämlich zwecklos, Männer in der ersten Zeit ihrer Tangoentwicklung (also etwa drei Jahre lang) davon zu überzeugen, dass sie nicht in Lebensgefahr schweben, wenn sie eine fremde Frau auffordern." :-D Was für ein toller Artikel - wie immer eigentlich... :-) Liebe Grüße Roman/Berlin

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    1. Danke für das Lob!

      Und ja, glücklicherweise gibt es beim Tango noch Menschen, die anders ticken...
      Ich wünsche viel Mut, auch beim Auffordern!
      Beste Grüße
      Gerhard

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  3. Ja Körbe bekommt auch Mann so einige im Leben.
    Oft sind es gerade die "pseudo elitären Cliquen Milongueras" (gibts da schon ein Kürzel? Vorschlag: pecm) die nur mit Ihnen bekannten Tänzern tanzen.
    Es könnte ja auffallen, daß Sie vielleicht doch nicht so gut sind, haha.
    In München als Neuling dort, habe ich tatsächlich mal 2 Stunden versucht, es möge irgend eine Frau meinen Blick erwidern. Haha...
    Der Gipfel meiner Korb Karriere:
    Ich tanzte erst ca 1,5 Jahre, forderte eine mir Unbekannte zum Tanz. Sie gab mir ungefähr 10 Sekunden und meinte dann: Du hast den Schwung noch nicht raus, das lassen wir lieber...
    Hahaha, ich lass mir ja viel nachsagen.. aber nicht, ich hätte keinen Schwung.
    Toller Blog hier, schönen Abend noch.

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    1. Vielen Dank!

      Na, das mit dem fehlenden Schwung als Ablehnungsgrund muss aber schon ein paar Jährchen her sein...

      Was mich immer wieder umtreibt: Auf solchen Milongas sitzen, wie ich immer wieder lese, etliche Frauen, die sich ärgern, nicht aufgefordert zu werden. Da müssten sich doch für Männer, die beobachten können, Chancen auftun! Oder beachtet man halt doch nur die elitären Schnepfen?

      Schöne Grüße!

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    2. An dieser Stelle plädiere ich schon lange für mehr Bereiche mit Stehtischen auf Milongas, mit ein paar Barhockern für die Damen selbstverständlich. Hier kann sich jede(r) unverbindlich dazugesellen und Kontakte knüpfen, die in den lächerlichen Stuhlkreiseln, bzw. den mit Tischen und Stühlen umringten Tanzflächen erst gar nicht aufkommen.
      Ich bin mir sicher, hier bleibt niemand lange unbetanzt.
      Aber das will ja nicht jeder: "Auf den traditionellen Milongas in B´s A´s gibt es auch keine Stehtische". Genau drum geh ich da ja auch nicht hin. :-)
      Schöne Grüße auch!

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    3. Mag schon ein Vorteil sein.
      Ich kenne allerdings Milongas, wo man im Stehen, Sitzen oder Liegen aufgefordert wird (bzw. auffordern kann). Das sind aber selten die mit über 50 Besuchern!

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