Workshop: Bummerl Glotzen



In Anbetracht der um sich greifenden Seminarflut im argentinischen Tango bieten die Veranstalter der „Wohnzimmer-Milonga Pörnbach“ in unserer Außenstelle Diedorf einen Workshop für Tangueras: „Bummerl Glotzen“.

Inmitten der zauberhaften Landschaft des Schmuttertals kann dank zahlreicher landwirtschaftlicher Betriebe die Reaktion auf die männliche Mirada geübt werden. Im Gegensatz zu den handelsüblichen Cabeceo-Workshops vermögen die hier eingesetzten Jungstiere Blickrichtung und Gesichtsausdruck stundenlang unverändert beizubehalten, was die Übungsmöglichkeiten natürlich drastisch erweitert.



Des Bayerischen ohnmächtige Tänzerinnen seien auf die folgenden Wortbedeutungen verwiesen:

Bummerl  [bummàl] 
1. junger Stier
2. fester, kräftiger Mann (…da Sepp is a richtiger Bummerl!)
3. derber, plumper, ungeschickter Kerl

(Quelle: http://www.bayrisches-woerterbuch.de/bummerl-der/)

Prinzipiell können die Seminare daher ganztätig angeboten werden, sofern die Tiere nicht gerade zu ihrem bestimmungsgemäßen Zweck eingesetzt werden (was allerdings bei Tangueros ebenfalls vorkommen kann…). Man beachte hierzu auch die Worterklärung von Bummerl":

„Das Wort leitet sich ursprünglich davon ab, dass, wenn Kuh und Stier einander beglücken, sie umgangssprachlich 'bumm, bumm' miteinander machen.“


Bei Missglücken des Cabeceo (sog. „averbaler Korb“) darf man sich hier glücklicherweise mit der sprachlichen Doppeldeutigkeit trösten: „Bummerl“ steht auch für Verlustpunkte bei den Kartenspielen „Sechundsechzig“ und „Schnapsen“ – verallgemeinert für das Pech im Leben (Manuela Bößel hat ja bereits die „Arschkarte“ angesprochen: http://im-prinzip-tango.blogspot.de/2016/06/la-scoumoune-en-forme-de-poire.html).

Die Österreicher, hier der Wiener Liedermacher Horst Chmela, können das viel charmanter ausdrücken:

„Ana hat imma das Bummerl,
ana muass imma verlier'n,
i' hab' mei' Leb'n lang das Bummerl,
weil i' vom Glück a Stiefkind bin.“



Kommentare

  1. Werte Kolleginnen und Kollegen

    Ich erinnere mich nicht mehr genau, ob wir das Thema Arschkarte schon besprochen haben. Zur Erinnerung:

    Der Begriff Arschkarte stammt aus der Zeit des schwarz-weißen Fernsehens. Der Schiedsrichter hatte die gelbe Karte in der Brusttasche und die rote Karte in der Gesäßtasche.

    Man konnte in Schwarz-Weiß die Farben nicht unterscheiden aber sehr wohl sehen, von woher der Schiedsrichter die Karte gezogen hatte. Von der Brust oder vom...

    Herzliche Grüße aus dem Salzkammergut.

    Peter Baumgartner

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  2. Lieber Peter,

    vielleicht wird ja dieses Kartensystem als weiterer "Código" noch auf traditionellen Milongas eingeführt: einmal Gelb für verbales Auffordern, beim zweiten Mal dann Gelb-Rot, oder gleich Rot für "gefährliches Spur-Wechseln". Na dann: happy Euro!

    Ich hatte eigentlich gehofft, Du gibst uns als des Schnapsens Mächtiger noch eine kleine Einführung in die Bedeutung des "Bummerls" beim Kartenspielen. Wäre schön!

    Herzlichst
    Gerhard

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  3. Lieber Gerhard,

    das ist natürlich eine gute Übungsmöglichkeit, könnte man auch als Marathon veranstalten. Oder vielleicht auch als Encuentro, nur auf besondere Einladung. Die Herren Übungskavaliere haben allerdings einen besonders glotzenden Gesichtsausdruck, da sollten die Damen einen Ehrgeiz entwickeln, ihnen vielleicht ein freundliches Lächeln abzulocken. Es erinnert mich ein wenig an einen CPG. Was ein CPG ist, habe ich gerade in einem Kommentar bei Yokoito beschrieben.

    Grüße von Annette

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    1. Also, Marathon ganz bestimmt! Und für meine Leser: „CPG = Der Cabeceo des penetrant Glotzers, der schon seit Stunden hinter einer ganz bestimmten Dame her ist“ (Weiteres siehe tangoblogblog.wordpress.com)

      Und es ist natürlich 100 Prozent Bio-Tango, ein Wort, auf das die Szene unverständlicherweise noch nicht gekommen ist (mit einer Ausnahme, findet man in meinem Beitrag „Discount-Tango“, 5.9.15).

      Was will man mehr? Allerdings: Lächeln ist códigoseits nicht vorgeschrieben…

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  4. Lieber Gerhard,

    eine geniale Idee !!!
    Aber ich denke, daß die Tangoeros nicht augegrenzt werden dürfen von dieser wunderbaren Chance sich in der korrekten Annäherung zu üben.
    Auch wir haben hier in Wien und Umgebung sehr gute Möglichkeiten, um einen solchen workshop abzuhalten. Denn auch wir Österreicher möchten natürlich nicht als verrohte Bauernbummerl BB in die Tangogeschichte eingehen.
    Ich stelle mir den Ablauf des workshpos wie folgt vor:
    Es gibt ja auch hier locations, wo die jungen und alten Kühe ihrem Besucher nicht ärschlings entgegentreten:
    http://tan-do.net/atango/wp-content/uploads/2016/06/20160611_154700-01.jpeg
    sondern vielmehr ihre liebreizenden Gsichterln demselben zuwenden :
    http://tan-do.net/atango/wp-content/uploads/2016/06/20160611_154903-01.jpeg
    Der Aspirant muss nun mittels cabeceo und mirada versuchen der jungen Kuh -äh Dame- eine eindeutige Reaktion zu entlocken. Dabei ist es unerheblich, ob sie Ablehnung oder Zustimmung signalisiert, wichtig ist nur die Eindeutigkeit der Reaktion. Erfolgte diese, darf der ambitionierte Anwärter sich der Nächsten zuwenden. Ist die Hühnerleiter -äh Kuhleiter- erfolgreich abgearbeitet, darf der, nun "Fortgeschrittene", zum Lohn seiner Mühen in die freie Wildbahn, um dort das eben Erarbeitete umzusetzen :
    http://tan-do.net/atango/wp-content/uploads/2016/06/20160611_162129-01.jpeg

    Wir wünschen viel Spaß und gutes Gelingen!!!
    Herzlichst
    Alessandra

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  5. Liebe Alessandra,

    es war wirklich eine Nachlässigkeit von mir, die "Gender Balance" nicht zu beachten. Vielen Dank für das Bildmaterial, insbesondere die "liebreizenden Gsichterl"!

    Gerade beim Personal geschlossener Tangoevents halte ich eine "Auswilderung" für dringend erforderlich.

    Herzliche Grüße
    Gerhard

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  6. Lieber Gerhard
    Hallo Leute

    das mit dem Bummerl und was das bei uns in Österreich bedeutet, kann ich gerne ein bisschen erläutern:

    Aus dem Internet:

    "Nach welchen Regeln wird hier geschnapst?

    Eine Partie wird auf 7 Punkte gespielt. Der Spieler, der als erstes bei null angelangt ist, hat gewonnen und der Verlierer bekommt dann ein Bummerl, bzw., wenn der Verlierer kein Spiel gewonnen hat, Doppel-Bummerl."

    Soweit die Regeln für Schnapsen. Wie kommt dann das Bummerl in das Wiener Lied "Ana (Einer) hat immer des (das) Bummerl, ana muaß immer valiern ! (verlieren)"

    Das Lied ist bei uns sehr beliebt und diese Textzeile hat dort und in unserer Mentalität folgende Bedeutung: Des Österreichers (Ich red absichtlich in der männlichen Form) liebste Philosophie ist: des geht net, des ham ma nu nie gmacht, des geht ganz sicher net !

    Dadurch ist es bei uns so gemütlich, weil wir uns nie wirklich anstrengen oder stressen müssen, es geht sowieso nicht. Und vorbeugend haben wir das Lied "Ana hat immer des Bummerl, ana muaß immer valiern !".

    Damit haben wir schon den Trost vorbereitet, sollten wir uns doch einmal um neue Wege bemühen und dabei scheitern und ganz generell sind wir immer das Opfer, denn: "Ana hat immer des Bummerl, ana muaß immer valiern !" Und das sind wir, nur in Cordoba wars anders. Und Cordoba und Hansi nationale Krankl sollte uns aufmuntern doch einiges Neues zu versuchen.

    Ich glaub, die neuen Generationen sind nicht mehr solche Fans des Wiener Liedes, jedenfalls links von der Mitte oder dann sind sie eher die Fans eines kritischen Wiener Liedes (Roland Neuwirth mit seiner Kontra-Guitarre).

    Herzliche Grüße aus dem Salzkammergut
    Peter

    https://www.youtube.com/watch?v=A2GS1a2rKvY

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  7. Lieber Peter,

    vielen Dank für die Erklärungen - auch zur österreichischen Seele!

    Soweit ich gelesen habe, rechnet sich auch Horst Chmela nicht zur klassischen Wienerlied-Fraktion, sondern sieht sich eher als Popmusiker. Das Lied klingt aber älter, als ich vermutete - es entstand wohl erst in den 1990-er Jahren.

    Herzliche Grüße
    Gerhard

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  8. Lieber Gerhard

    Das Lied wurde 1970 geschrieben und wir haben es oft mit unserer Band bei den Begrüßungsabenden für die schwedischen, holländischen und deutschen Urlauber im Salzkammergut gespielt. Aber der Zeitpunkt ist nicht wichtig. Nur der Inhalt und der war schon lang davor da. Wir waren auch das Opfer (wir hatten das Bummerl) im zweiten Weltkrieg. Daß da ein paar Österreicher aktiv waren hat sich zu uns erst nach Jahrzehnten durchgesprochen. Zu manchen bis heute noch nicht.

    Aber das ist ein anderes Thema.

    Da fällt mir eine andere Frage ein: wie hoch ist auf den Milongas mit strengen Regeln der Anteil von Pegida, AfD und FPÖ, tanzen die einen Tanz mit improvisierten Schritten (Improvisation=links=Chaos=wie im Jazz=viele Ausländer usw.) oder nur Volkstänze mit genau festgelegten einfachen Schrittmustern?

    Dann wären sie im EdO-Tango gut aufgehoben. Aber ob sie einen Argentinier als Nachbarn und dann sogar als Lehrer haben wollen?

    Es ist eigentlich schade, daß man sich so was fragen muß.

    Ich bvorzuge die anarchischen Tanzveranstaltungen, die alle gute Musik hereinlassen und mit der guten Erziehung als Regel auskommen. Dann ist der Raum für Kreatives und Neues weit offen.

    UND DAZU IST TANGO ALS TANZ AUS MEINER SICHT DA, GEEIGNET UND GESCHAFFEN.

    Herzliche Grüße, Peter

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    1. Lieber Peter,

      ich habe die Frage nach der vermutlichen politischen Orientierung im Tango schon mehrfach angesprochen, mit ähnlichen Vermutungen, wie Du sie äußerst.

      Komischerweise blieb der erwartete heftige Widerspruch aus. Die Einstellung: "Regeln sind unhinterfragt strikt einzuhalten" wäre schon kompatibel mit gewissen reaktionären Gesinnungen.

      Und ich habe die über mich gelegentlich hereinbrechenden Schimpftiraden mal mit denen auf einschlägigen AfD-/Pegida-Seiten verglichen: Das Muster ist praktisch decklungsgleich.

      Na ja, und Argentinien hatte in der politischen Geografie schon immer einen speziellen Stellenwert...

      Vielleicht sollte man da sicherheitshalber nicht viel weiter denken!

      Herzliche Grüße
      Gerhard

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