Vom Segen des Verrisses
Mein Kollege Wendel schrieb neulich, er sei von einer Freundin ermahnt worden, sich nicht mehr auf mich zu beziehen – aber ich hinge an seinem Blog „wie eine Klette“. Zwar sei das alles nur mein Mittel, „den Traffic nach oben zu treiben“. Aber wenn ich dieses oder jenes fälschlich behaupte, werde es Zeit, „die Dinge geradezurücken“.
https://www.tangocompas.co/keine-zwei-wendel-nur-eine-haltung/#comments
Und zack – lieferte er mir neues Material!
Auch ein anderer Blogger-Kollege bestätigt das mit Blick auf mich: „Aber wenn er für eins Talent hat, dann ist es, andere (ich nehme mich da nicht aus) zum Reagieren zu triggern.“
https://tangoblogblog.wordpress.com/2025/11/08/zuruck-zu-den-wurzeln/
Ich finde das herrlich: Man durchschaut den Trick und fällt dennoch darauf herein. Das gibt es sonst nur noch in der Zauberkunst!
Senken solche Herren die Hörner, weil sie – wie beim Stierkampf – die rote Farbe der Muleta reizt? Forschungen haben ergeben: Nein – denn die vierbeinigen Kraftprotze sind farbenblind. Eher ist es das kunstvolle Gefuchtel vor ihrer Nase, das sie aufbringt: Es täuscht einen potenziellen Gegner vor. Beim Menschen: einen anderen Mann mit abweichender Auffassung.
Als ich 2010 die erste Ausgabe meines Tangobuches herausbrachte, habe ich – damals Internet-Neuling – in kurzer Zeit unheimlich viel gelernt. Zunächst wäre ich durchaus zufrieden gewesen, von meinem „Milonga-Führer“ vielleicht hundert Stück loszuwerden.
Stattdessen hatte ich das Glück, dass ein damals führender Blogger der Tangoszene über mein Buch einen ziemlich schlampigen sowie voreingenommenen Verriss schrieb. Wohl vor allem deshalb, weil die Zeitschrift „Tangodanza“ ihn nicht als Rezensenten des Buches wollte. Auch die musste das später büßen. Wie üblich garnierten seine zahlreichen Fans die Abwertungen des Meisters mit zusätzlichen Schmähungen. In beiden Fällen.
https://tangoplauderei.blogspot.com/2010/09/gerhard-riedl-der-groe-milonga-fuhrer.html
Glücklicherweise ging dem Kollegen lange nicht auf, wie gefährlich das war: Eine miese Kritik kann durchaus verkaufsfördernd wirken – vor allem, wenn der Autor eine Kontroverse provoziert: Flugs starteten wir einen Facebook-Account, in dem ich die schönsten Sprüche meiner Kritiker veralberte.
Was ich damals auch lernte: Viele mögen es überhaupt nicht, wenn ihre Äußerungen in anderem Zusammenhang zitiert werden. Oft führt das dann zu neuen Attacken, welche wiederum Stoff für Besprechungen liefern.
Aus alledem wird gerne die Mär gestrickt, ich hätte es von vornherein auf Krach angelegt, um meinem Buch zum Erfolg zu verhelfen. Nein – wirklich nicht! All diese Mechanismen gingen mir erst später auf. Daher muss ich meinen Gegnern wirklich dankbar sein: Ohne den Blogger Cassiel hätten sich von meinem Buch keine schätzungsweise 5000 Exemplare verkauft!
Klar, ich habe den Kollegen damit genervt, dass eine Zeitlang zu fast jedem seiner Texte prompt ein Gegenartikel von mir erschien. Irgendwann verlor er jedenfalls die Lust und veröffentlicht seit längerer Zeit kaum noch etwas.
Auf mich angesprochen äußerte er einmal, er brauche den Konflikt mit mir nicht nochmal. Hätte er damals keinen Shitstorm gegen mich losgetreten, wäre das Ganze wohl anders verlaufen.
Die abstruse Idee, sich zuerst über meine Texte aufzuregen und dann den Rat zu verbreiten, mich zu ignorieren, hat sich seither aber bei anderen gehalten und wurde bei verschiedenen Themen immer wieder angewandt. Funktioniert hat es noch nie, jedenfalls nicht im Sinne der Erfinder.
Manchmal habe ich den Eindruck, es werde sogar immer leichter, diesen Mechanismus zu bedienen. Neulich habe ich einen Text veröffentlicht, der wirklich nichts und niemanden kritisiert hat: Ich berichtete lediglich, zu welchen Stücken wir in einer spontanen Tangostunde bei uns getanzt hatten. Titel: „Musik aus dem Pörnbacher Wohnzimmer“.
Dennoch kriegte ich mein Fett ab:
„Und er meinte, das dieses Stück sei ideal zum Tanzen! Das zeigt, wie groß die Kluft zwischen Hören und Verstehen sein kann. Nur weil man zu einer Musik tanzt, heißt das noch lange nicht, dass man sie tanzen kann. Ein tänzerischer Laie greift auf zu komplexe Musik zurück und die Profis, die sie wirklich tanzen könnten, meiden sie, obwohl diese Musik doch so ‚schön‘ ist.“
Und natürlich empfiehlt Wendel mir einen „Musikalitäts-Workshop“.
https://www.tangocompas.co/gedanken-ueber-tango-unterricht-29-teil/
Er zeigt wirklich keine Spur von Toleranz: Es reicht zur Verurteilung, wenn ich auch nur davon berichte, zu welchen Stücken wir getanzt haben. Offenbar hören wir solche Musik zwar, verstehen sie aber nicht. Ich darf das „Kompliment“ zurückgeben, mehr noch: Nicht mal der Titel des von ihm zitierten Tangos stimmt. Diese Musik ist dem Verfasser halt scheißegal! Dennoch glaubt er, hochnäsige Urteile fällen zu können.
Insgesamt meine ich: Man muss sich von kritischen Texten anderer überhaupt nicht „triggern“ lassen. Ob und wie ich darauf reagiere, ist ganz allein mein Problem! Ich bin ja kein hormondünstender Kampfstier, der ausflippt, wenn ihm ein Torero mit einem Tuch vor der Nase rumwedelt.
Auch bei Männern, die Gewalt gegen Partnerinnen ausüben, gehört es zur Standard-Ausrede, die Frau habe sie schließlich „dazu gebracht“, auszurasten. Nein: Das liegt ganz allein in deren eigener Verantwortung – sie hätten auch anders reagieren können. Beispielsweise wohl, wenn es sich beim Gegenüber nicht um ein zierliches weibliches Geschöpf, sondern um einen Hundert-Kilo-Berufsboxer gehandelt hätte.
Ich überlege mir jedenfalls sehr genau, auf welche Texte eine Antwort überhaupt lohnt. Bei gewissen Tangobloggern reagiere ich nur selten oder nie. Deren Veröffentlichungen finde ich meist schlicht irrelevant.
Insofern kann es Klaus Wendel durchaus als Kompliment verstehen, dass ich mich öfters mit seinen Artikeln befasse. Und auch hier greift der Mechanismus, dass sie dann mehr Aufmerksamkeit finden.
Das ist doch nicht schlecht, oder?| Illustration: www.tangofish.de |
Klaus Wendel hat nun zu meinem Artikel ein „kleines Psychogramm“ veröffentlicht.
AntwortenLöschenNa prima – Psychologe ist er jetzt auch noch…
Natürlich äußert er sich lediglich zu meiner Person, nicht zum Inhalt meines Textes.
Wer möchte, kann es nachlesen:
https://www.tangocompas.co/keine-zwei-wendel-nur-eine-haltung/#comments