„Wie ich sie hasse, die Basse…“

 

Derzeit veröffentlicht der Tangolehrer Klaus Wendel eine Serie von Artikeln über Tangounterricht, die ich durchaus lesenswert finde. Anscheinend greift er dabei auf ältere Texte von sich zurück, die er erst jetzt publiziert. Schade! Er hätte das schon längst tun sollen, statt sich an mir abzuarbeiten. Der Nutzen für die Szene wäre weitaus größer gewesen.

Glücklicherweise tauchen in den Kommentaren auch kabarettistische Elemente auf, die sehr vergnüglich sind:

„Mimi“, ihres Zeichens Tangolehrerin zu Berlin, gibt zu Protokoll:

Die Partnerin ‚vorausläuft‘?

Wenn sie sowas macht, dann liegt daran, wo der Unterricht super langweilig ist.
Und Recht hat sie!

Frau will heute nicht mehr warten bis der Mann endlich seine Füsse sortiert hat und vielleicht auch mitbekommt, dass Musik läuft.

Bin selbst Tango-Instructor (in Berlin) und arbeite fast nur mit jungen Menschen und machen das richtig ganz klassisch mit dem Grundschritt anzufangen. Also der 8er Basic-Step. Da lernt jeder erstmal was ganz klar Sache ist, und was er/sie machen muss. Kein Missverständnis mehr.
Für alle Klarheit.

Und dann kann man etwas mit dem Speed arbeiten, also z.B slow- quick-quick usw bis zum cross.

So finden die Ladies und Jungs das super cool.“

Ich finde diesen Stil wirklich hinreißend – irgendwie klingt der Duktus nach „Tango im Selbstbausatz – für coole Jungs und Mädels“.

Anlass genug für den derzeit friedensbewegten Wendel, doch mal wieder die Hörner zu senken:

Der Text der Kollegin klinge für ihn doch sehr nach „Mein Unterricht ist sowieso der beste.“

Ein Glück, dass der Essener Tangolehrer meilenweit von einer solchen Einstellung entfernt ist! Der Berliner Kollegin schreibt er ins Stammbuch:

„Das ist übrigens eine typische, diskursresistente Haltung, die man öfter bei Tango-Lehrer:innen antrifft, die noch sehr nah an ihrer eigenen Begeisterung kleben – aber wenig Reflexion über didaktische Breite mitbringen.“

Ja, diese „diskursresistenten Haltungen“… Und das, bevor sich ein richtiger Dialog erst entwickeln konnte!

Der Achter-Basisschritt sei ein Produkt der „Tango for Export-Welle“, „vermutlich, weil man ihn Gringos leichter beibringen konnte“.

Fazit: „Eine ganze Generation von Tanzschüler:innen in Europa haben sich daran abgearbeitet:
Der 8er ist bewegungshemmend, musikalisch überfrachtet und für Einsteiger:innen oft motorisch unlogisch. Das Resultat: ein hölzerner, puppenartiger Tanzstil, oft ohne Knieeinsatz, ohne Musikalität, ohne echten Kontakt.“

Ob Mimi aus Berlin dem grollenden Tangogott antworten wird, halte ich für fraglich. Das voraussichtliche Gewitter aus dem Westen mag sie sich wahrscheinlich nicht geben. Zumal sie sich dann wohl einer „Tango-Kompetenz-Überprüfung“ unterziehen müsste – davor kann ich aus eigener Erfahrung nur abraten!

Immerhin kündigt Wendel einen „Extra Beitrag über die sogenannte ‚base‘“ an. Wir dürfen gespannt sein!

Zeit wird’s – immerhin habe ich mich bereits vor 10 Jahren mit dem Thema „Das Kreuz mit der Basse“ beschäftigt. Im Detail beschrieb ich damals, dass man Anfängerinnen und Anfängern mit dieser Schrittkombination den Einstig in den Tango nachhaltig versauen kann. Dass es heute noch Schulen gibt, welche diesen Krampf unterrichten, wirft ein bedenkliches Licht auf den Zustand des Tangounterrichts nicht nur hierzulande.

Natürlich wurde auch mir vor Urzeiten die „Basse“ beigebracht, bis ich mehrere Jahre später begriff, dass die Grundbewegung des Tango das Gehen ist. Ich schrieb damals:

„Liebe Anfänger, vielleicht findet ihr ja einen erfahrenen Tänzer, der euch schlichtweg das Gehen (‚caminar‘) beibringt – voreinander bzw. außenseitlich links oder rechts, mit den entsprechenden Wechseln zwischen parallelem und gekreuztem System – notfalls könnt ihr auch auf den Seiten 156-157 meines ‚Milonga-Führers‘ (2. Auflage) nachschauen! (Werbung Ende)“

Oder im Wendel-Stil:

„Wenn du im Unterricht mit einer Schrittsequenz, wie dem 8er-Basic, erfahrungsgemäß bei jedem einzelnen Tanzpaar eine andere Fehler-Baustelle zu korrigieren bekommst, frage ich dich, wie du dabei deine erwähnte ‚Klarheit‘ erreichen willst.“

Auch wenn es den Autor in Selbstzweifel stürzen könnte:

Natürlich hat Klaus Wendel sowas von Recht! Mit diesem Lob muss er jetzt leben…

Und wer das Grundschritt-Monstrum (glücklicherweise) nicht kennen sollte:

„Wie ich sie hasse, die Basse“ (bezogen auf „Paso basico“ oder „Base Step“) war zu Tango-Urzeiten bei uns ein geflügeltes Wort. Heute ist es wohl in Vergessenheit geraten.

Bleiben wir also lieber beim Jäger-Latein:

„Ein starker Keiler ab dem fünften oder sechsten Lebensjahr wird in der Jägersprache als ‚Basse‘ oder ‚Hauptschwein‘ bezeichnet.“

https://de.wikipedia.org/wiki/Wildschwein

Quelle:

https://www.tangocompas.co/gedanken-ueber-tangounterricht-teil-2/#comments

P.S. Klaus Wendel hat nun einen interessanten Artikel zum Thema veröffentlicht:

https://www.tangocompas.co/gedanken-ueber-tango-unterricht-5-teil/

Kommentare

  1. Hallo Gerhard,
    weil ich jetzt nicht weiß, ob Du das Wort ‚base‘ (so nämlich die korrekte Schreibweise, ausgesprochen wie ein ß und nicht wie ein Doppel-S) aus Unkenntnis oder absichtlich aus Abneigung und deshalb assoziativ mit einem Hauptwildschwein in Verbindung bringen möchtest, noch mal ein Hinweis, die deutsche Aussprache ist „baße“! Geschrieben wie oben. Alles mal nur, weil Du doch so viel Wert legst auf korrekte Schreibweisen wie zum Beispiel beim Namen Ried(el), obwohl ‚base‘ ja kein Eigenname ist.
    Mit freundlichen Grüßen
    Klaus Wendel

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    1. Ich habe schon alle möglichen Schreibweisen und Begriffe gesehen. Am liebsten wäre es mir, man müsste das Ding nicht benennen.

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