Auflege-Tipps vom Altmeister
Weitgehend unbeachtet von der Tango-Öffentlichkeit hat sich kürzlich Kollege Cassiel wieder einmal – selten genug – zu Wort gemeldet. Offenbar auf einer Bahnfahrt, um sich die Musikgestaltung eines Schülers anzuhören. Leider erfahren wir nichts vom Ergebnis seiner Beobachtungen.
Stattdessen schreibt der Vater des korrekten Auflegens den Kolleginnen und Kollegen 20 Tipps ins Stammbuch, die ich interessant finde:
Bei der „Musikfrage“, so der Kollege, sei auf den Milongas „noch gewaltig Luft nach oben“. Wie wahr! Ich finde sogar, dass beim traditionellen Auflegen ganz vorwiegend mit Luft gearbeitet wird…
Generell missfällt dem Meister „das desorganisierte Agieren mancher Verantwortlicher DJs und z. T. Veranstaltende und in der Folge das Chaos auf der Tanzfläche“. Wenn man mal die Grammatik ignoriert, ein durchaus vertretbarer Gedanke!
Cassiel kritisiert einige „Verwerfungen“, welche den Tango zu einer „Party“ in Richtung einer „Disco“ werden ließen:
„Wenn ich dann sehe, wie bestimmte Protagonisten sich konsequent an ihrer Tanzpartnerin / an ihrem Tanzpartner ‚vergehen‘ und diese kontinuierlich in unangenehme Situationen bringen, dann ist das nach meinem Verständnis der falsche Weg.“
Auch diesen Eindruck halte ich für nicht gerade falsch. Ich finde, den „Rambo Zambo“ sollten wir Friedrich Merz überlassen.
Dankbar bin ich dem Kollegen auch für seine Abneigung gegen die ewige Fresserei auf den Veranstaltungen. Schön ist seine Geschichte von einem Tanguero, der nach Genuss eines üppigen Schnitzels inklusive Pommes dann einschlief. Ob vielleicht auch die Musik ursächlich gewesen sein könnte, erwähnt er nicht.
Bei „üppig belegten Lachsbrötchen“ gewinne leider viel zu häufig das Essen. „Ebenso schlimm ist es für mich, wenn Veranstaltende für Ihr Event mit einer ordentlichen Strecke Buffetfotos werben. Wenn ich gut essen will, gehe ich zum Italiener und dann gibt es auch einen guten Wein.“
Na, ob Cassiel das bei seinen neuen Freunden Sympathien einbringen wird? Schau’n wir mal…
Dass der DJ „das Rad nicht immer neu“ mit „zweifelhaften Orchestern“ erfinden solle – diesen Tipp haben wir erwartet. Doch auch da kann ich, auch was Neolongas betrifft, durchaus beipflichten. Zumal man dort oft nicht mal Orchester auflegt!
Cassiel plädiert zu Recht auch für ein Variieren der musikalischen Energie – in beide Richtungen. „Ein paar Tandas Canaro u.ä. schläfern eine komplette Milongs ein.“ Tja, wem sagt er das…
Wert legt der Experte auch auf geeignete Cortinas. Ich finde aber, passend wären gar keine. Wer nicht hört, dass nach drei Walzern ein Tango kommt, sollte es sich mit unserem Tanz nochmal überlegen!
Für die Pausen empfiehlt der Fachmann 4 Sekunden. Sollte die Umarmung nicht gelöst werden, könnte eine längere Zeitdauer doch irgendwie komisch erscheinen…
Beipflichten kann ich dem Kollegen, dass man sich tolle Titel nicht für später aufsparen sollte. Bereits anfangs darf man gerne „in die Vollen“ gehen!
Klar, man spielt kein festes Programm ab, sondern reagiert situationsbezogen aus einem größeren Vorrat an Aufnahmen. Dass Cassiel dies überhaupt für erwähnenswert hält, stellt der Szene kein gutes Zeugnis aus. Selber lege ich mir stets einige CDs zurecht, die praktisch „immer“ funktionieren. Das schont die Nerven.
Eine Milonga ist fast nie zu kurz, aber häufig zu lang. Rechtzeitiges Aufhören ist eine Tugend. Und sicherlich kündigt man die letzte Tanda an!
Was Cassiel über „Experten“ sagt, die einem die Musik erklären, kann ich nur unterstützen: Sie sind eine Plage!
Es geht um die Musik, nicht den DJ. Auch dem stimme ich mit vollem Herzen zu. Was Cassiel über die „Heißluft-Plauderer“ unter den Auflegern schreibt, ist lustig und leider nur zu wahr!
„Hat jemand schon einmal daran gedacht, eine Einladung zum Auflegen abzulehnen?“ Natürlich wird man diese rhetorische Frage mit Nein beantworten müssen. Ich fürchte, die meisten DJs lassen sich ohne Rücksicht auf Verluste „verheizen“. Hauptsache auflegen! Ich kenne das auch von der Zauberei: Wenn man aber schon von vornherein fürchten muss, die Vorstellungen von Veranstalter und Künstler seien nicht zur Deckung zu bringen, sollte man es lassen – oder wie Tucholsky sagt: „Was gestrichen ist, kann nicht durchfallen,“
Ein interessanter Text, der leider eine ganze Serie gruseliger Rechtschreibfehler enthält. Aber vielleicht lag es an der Bahnfahrt. Ich würde jedenfalls dringend zu einer Überarbeitung raten!
Vielleicht wundert es viele, dass ich Cassiel in etlichen Punkten Recht gebe. Sicher würden wir uns nie über die Art von Musik einig, die wir auflegen möchten. Aber das ändert ja nichts an den allgemeinen Kriterien der Gestaltung. Und da sind wir beide lange genug im „Geschäft“, um ziemlich viel ähnlich zu sehen. Daher kann ich den Text des Kollegen sehr empfehlen:
https://tangoplauderei.blogspot.com/2025/04/also-noch-einmal-zum-auflegen.html
DJ-Katze |
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