Körbe – Normalfall oder Katastrophe?

 

Zu meinem Schrecken fiel mir gestern auf, dass ich dieses Thema auf meinem Blog noch nie ausführlich besprochen habe. Anlass war die Entdeckung eines brandneuen Tangoblogs auf der Seite „Tango im Schloss“ des Vereins „Tango Hohenlohe-Franken“.

https://www.tango-im-schloss.de/

Zwar sind dort erst zweieinhalb Beiträge erschienen, aber man hat sich gleich eines Themas angenommen, welches offenbar im Tango unverzichtbar ist: „Mirada und Cabeceo zur Einladungskultur auf Milongas“.

Zunächst fand ich den Text nicht sonderlich interessant, da er im Prinzip den bekannten Mainstream-Katechismus herunterbetet. Und ich weiß nicht, ob eine Tanzeinladung kulturellen" Charakter hat. Aber der Artikel ist sehr gut geschrieben, enthält einen Hauch Liberalismus und bietet einige Passagen, die erwähnenswert sind:

Der Autor berichtet, in einem englischsprachigen Tangoforum auf Facebook sei die Frage gestellt worden, ob man denn bereit sei, mit jemandem zu tanzen, von dem man schon einmal einen Korb bekommen habe. Ihn habe überrascht, wie oft diese Frage mit „nein“ beantwortet wurde.

Der Verfasser Lars Rinas merkt zu Recht an, für eine solche Ablehnung könne es doch eine Fülle von Gründen geben: „schmerzende Füße, Erholungsbedürfnis, Verabredung mit einer/m anderen, das schweißnasse Hemd des Gegenübers, ein empfindlicher Geruchsinn, Musik, die einen nicht zum Tanzen inspiriert oder der man sich nicht gewachsen fühlt, und viele weitere“.

Ja, nur erfährt man bei der „wortlosen“ Einladung per Mirada nie, warum jemand nicht mit einem tanzen möchte. Ob er oder sie schlichtweg den Blick nicht bemerkt hat bzw. gar nichts von dieser Sitte weiß. Oder warum auch immer. Komisch: Sonst legt man beim Tango so viel Wert auf Kommunikation, nur hier verzichtet man bewusst auf unser wichtigstes Verständigungsmittel: die Sprache. Und lügen kann man mittels Blicks ebenso wie mit Worten.

Und es ist natürlich ein himmelweiter Unterschied, ob die Tanzunlust auf persönlicher Abneigung beruht oder wegen einer nicht konvenierenden Musik erfolgt.

Aber gut – jeder, wie er mag! Für mich war es der Anlass, einmal über meine persönlichen Erfahrungen mit „Körben“ nachzudenken.

Übrigens kommt diese Redensart wohl daher, dass in früheren Zeiten Frauen gelegentlich ihren Liebhaber zu sich in einem Korb hochziehen ließen; war der Betreffende ungebeten oder nicht genehm, bekam er einen Korb mit brüchigem Boden, durch den er auf die Erde zurückfiel; später wurde es auch üblich, einem abgewiesenen Freier einen kleinen Korb ohne Boden zu überreichen. Es scheint also stets um das Aussortieren von Männern zu gehen.

Hier ein amüsanter Beitrag dazu:

https://www.youtube.com/watch?v=GD97oHyYqW4

Würde ich eine Frau nochmal um einen Tanz bitten, die mich bereits einmal abgewiesen hat? Das kommt ganz auf den Grund an. Wenn ihr die Musik nicht gefällt oder die Füße wehtun, wäre das kein Hindernis. Ich erwarte dann aber schon, dass sie bei geeigneter Gelegenheit selber die Initiative ergreift – schließlich kann ich mir manchmal nicht sicher sein, ob sie nur höflich sein wollte oder die Begründung ehrlich war. Bin ich auf den Cabeceo angewiesen, bleiben mir eh nur Spekulationen.

Selber habe ich mir in meinem Tänzerleben nur zirka ein halbes Dutzend Körbe eingefangen.. Und wir können nun von männlicher Souveränität schwafeln oder ehrlich sein: Ein schaler Beigeschmack bleibt stets. Dennoch gilt: Akzeptieren Sie es mit einem Lächeln, versuchen Sie auf keinen Fall irgendwelche Diskussionen. Ablehnungen gehören zum Leben, ebenso wie Zusagen! Und Sie dürfen stolz auf Ihren Mut sein, es immerhin probiert zu haben.

Erst recht ist es für eine Frau eine mittlere Katastrophe, wenn sie sich trotz des heutigen Anpassungsdrucks traut, einen Tanguero aufzufordern und dann eine Abfuhr erhält – oder das Gefühl hat, halt in Gottes Namen einen „Sozialtanz“ abzukriegen. Ich habe vor vielen Jahren ein einziges Mal einen Tanz abgelehnt und schäme mich heute noch dafür. Ich weiß nur noch, dass ich an diesem Abend mental ziemlich schlecht drauf war, aber das entschuldigt mein Verhalten in keiner Weise.

Warum ich so wenige Körbe bekommen habe, liegt wohl an meiner Schüchternheit: So sehr ich auf der Bühne oder beim Schreiben die „Rampensau“ gebe, so zurückhaltend bin ich im persönlichen Kontakt. Es ist für mich eine Horrorvorstellung, eine Frau zu einem Tanz zu nötigen. Daher beobachte ich auf den Milongas viel und kriege dann heraus, ob eine Tänzerin sich für mich interessiert oder mich überhaupt nicht beachtet. Im letzteren Fall würde ich sie nie um einen Tanz bitten.

Spätestens auf dem Parkett spüre ich dann, ob meine Einschätzung richtig war. Sollte ich merken, dass sich meine Partnerin unwohl oder gar genervt fühlt, war’s das mit uns beiden. Eine weitere Einladung würde ich nie aussprechen. Ich bilde mir überhaupt nicht ein, der beste Tänzer für alle zu sein – auch wenn das etliche Kollegen von sich glauben. Es gibt halt Fälle, wo die „Chemie“ nicht stimmt – das bedeutet überhaupt kein Werturteil.

In der Praxis kennt man natürlich mit den Jahren eine größere Anzahl von Tangueras, die gerne mit einem tanzen, und wo dann die Aufforderung völlig problemlos ist. Allerdings frage ich im Schnitt auf jeder Milonga eine Partnerin zum ersten Mal und kann deshalb auch diese Fälle einigermaßen beurteilen.

Welche Ursachen hat es, wenn eine Tanguera den Tanz als unangenehm empfindet und daher weiteren Einladungen aus dem Weg geht? Hier gibt es sicher eine große Bandbreite. Ich glaube aber nicht, dass es in der Praxis eine große Rolle spielt, ob der Partner ein Anfänger oder Meistertänzer ist, ob er die Musik zutreffend interpretiert oder ziemlich daran vorbeitanzt. Oder er verschwitzt ist respektive das falsche Aftershave verwendet. Nicht mal Belehrungen während des Tanzes scheinen genügend abschreckend zu wirken.

Nach Aussagen meiner Tangofreundinnen ist das Maß aber voll, wenn sie sich vom Partner dominiert und eingeengt fühlen, ihnen kein Spielraum bleibt und sie sich als „Tanzsportgerät“ grob umhergeworfen fühlen.

Aus meiner Sicht kann ich das nur bestätigen. Ich hatte oft genug wunderschöne Tänze mit Anfängerinnen, ebenso wie ziemlich schreckliche Erlebnisse mit Frauen, die schon jahrelang tanzen, sogar zentrale Funktionen in der Szene ausüben. Aber so richtig schlimm wird es nur, wenn die Kommunikation scheitert, die Dame nur von den eigenen Ideen begeistert ist. Aber auch bei solchen Tänzen habe ich viel gelernt und bereue sie nicht.

Aus meiner Sicht ist das ständige Gestreite ums „richtige“ Auffordern Zeichen eines Prioritätenwechsels im Tango. In unseren ersten Jahren gingen wir davon aus, dass jeder Gast einer Milonga gekommen war, um zu tanzen. Und natürlich fanden wir es es völlig okay, wenn auch Frauen direkt aufforderten. Körbe waren daher höchst selten, und wir erwarteten gar nicht, dass jeder Tanz besonders toll sein müsse – so wie man in einer Lotterie halt oft genug Nieten zieht. Zum Ausgleich gab es auch jede Menge schöner, öfters auch traumhafter Erlebnisse. Tango war ein großes Abenteuer.

Heute wird bei unserem Tanz in erster Linie Sicherheit und Glücksgarantie verlangt. Ja nicht das Risiko eines schlechten Tanzes eingehen – gar noch zu einer Musik, die man nicht kennt! Gerade bei den Männern dominiert der Wunsch nach maximalem Vergnügen. Wer das gefährden könnte, wird gnadenlos aussortiert. Entscheidend ist heute, mit wem man nicht tanzt – und wie man das hinbekommt.

Ich kann mich noch an eine Szene erinnern, als meine erste Tangolehrerin, die übrigens viel von argentinischer „Authentizität“ hielt, eine sitzende Tänzerin mit Blick auf einige Männer anraunzte: „Nimm dir halt einen – sind doch genug da!“   

Daher bedaure ich alle, welche diese Zeiten nicht mehr erleben durften!

P.S. Hier der Blogtext zum Nachlesen! Ich bin gespannt auf weitere Artikel.

https://alles-tango.blogspot.com/2024/03/mirada-und-cabeceo-zur-einladungskultur.html

Kommentare

  1. Herzallerliebster Riedl,
    haben Sie also doch Körbe bekommen. An anderer Stelle haben Sie geschrieben, dass Sie überhaupt keine Körbe erhalten haben. Ich rate Ihnen daher dringend: Gehn's jetzt einmal Ostereierkörbe suchen - vielleicht kommen ja noch etliche hinzu!
    Wünsche Ihnen frohe Ostern!
    Herzlichst,
    Thomas Schön

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    1. Aha. Dürfte ich für diese Behauptung um eine Quellenangabe bitten?

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    2. Sie werden doch wissen, was Sie geschrieben haben, oder sind Sie echt so vergesslich? Wenn ja, steht Ihnen die Suchoption zur Verfügung.
      Herzlichst, T.S.

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    3. Im Gegensatz zu Ihnen weiß ich das wirklich.

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