Drei Jahre „Gerhards Tango-Report“



Tja, den einen freut‘s, den anderen reut’s: Auf den Tag genau gibt es mein Tango-Blog nun drei Jahre!

Zunächst einen ganz herzlichen Dank an alle meine Leser (derzeit sind es im Schnitt an die 300 am Tag), welche – ob sie sich nun empören, informieren oder amüsieren wollen meiner Internet-Präsenz einen Besuch abstatten. Langweilig scheint man sie jedenfalls nicht zu finden!

Wenn ich auf meine ersten Texte zurückblicke, wird mir klar, dass ich in dieser Zeit schon einiges dazugelernt habe.

Das beginnt bei den formalen Dingen: Ich mache inzwischen mehr Absätze, hebe Wichtiges deutlicher hervor – und liefere vor allem auch Bilder (von meiner genialen Illustratorin Manuela Bößel oder auch passende Youtube-Videos). Mindestens zwei Drittel der Informationen erhalten die Menschen über den optischen Sinn: ein großes Problem reiner Text-Blogs.

Und mir steht eine studierte Germanistin als Lektorin zur Seite: meine Frau Karin – ein Luxus, der auch nicht jedem zuteilwird! Apropos: Eine gute sprachliche Gestaltung ist für mich nach wie vor die Basis jeder journalistischen Arbeit. Formale Schlampereien drücken nicht gerade Respekt vor dem Leser aus!

Was mir immer mehr – auch beim Betrachten der Konkurrenz – einleuchtet: „Schnellschüsse“ mit 15 Zeilen bringen es nicht (es sei denn, man hat eine „Bomben-Idee“ – dann reicht eventuell ein Bild mit einer kurzen Überschrift). Im Normalfall sollte man ein Thema schon gründlich durcharbeiten statt bloße „Do it yourself-Anleitungen“ zu liefern. Das gilt vor allem für die Übernahme fremdsprachlicher Texte: „Übersetzt es euch mal selber“ ist kein guter Ansatz – kaum ein Schwein macht das, selbst wenn es ihm möglich wäre.

Dabei gibt es in englischer Sprache geschätzt über zwanzig Mal mehr Tangoblogs – und die enthalten die eine oder andere „Preziose“, welche der hiesigen Leserschaft verloren ginge, würde man sie nicht übersetzen. Das habe ich im letzten Jahr verstärkt unternommen, was große Beachtung fand. Ein Beispiel sind die herrlich subjektiven Texte der Kalifornierin Karen Kaye. Der Spitzenreiter:

Auf der Website „Affenblog“ findet man viele sehr nützliche Tipps. Einer lautet, man müsse Beiträge mit mindestens 1000 Wörtern schreiben (http://www.affenblog.de/blogartikel-mindestens-1000-woerter/).
Sieht man sich unter diesem Aspekt viele Blogs an, so weiß man schon auf den ersten Blick, woran diese vermutlich scheitern. (Ich habe natürlich selbstkritisch mal nachgezählt: Die letzten zehn Texte, welche von mir stammen, sind durchschnittlich 1093 Wörter lang… Na, passt doch!)

Klickt man heute den Online-Bereich eines Presseorgans an, so fliegen einem zunächst die Werbeanzeigen um die Ohren. Man braucht eine Minute, um sich den Blick auf den Text „freizuschießen“. Ich finde das entsetzlich! Daher wird mein Blog weiterhin werbefrei bleiben – bis auf das gelegentliche Angebot eigener Produkte oder die Verlinkung mit Blogger-Kollegen.

Ein Blog muss Nutzen für den Leser bringen: Sei es durch eine Gratis-Übersetzung, förderliche Informationen zur Musik (zum Beispiel die vielen Playlists von mir und anderen), Tipps zum besseren Tanzen (siehe meine neue Artikelserie „Was Ihnen Ihr Tangolehrer nicht erzählt“), Künstler-Porträts und Einladungen – oder schlicht pures Amüsement zu all den Abartigkeiten in der Tango-Szene. Nur die eigene Gemütslage zu bespiegeln reicht nicht (auch hier habe ich sicherlich dazugelernt…).

Meine werten Kritiker halten mir immer wieder vor, dass ich zu negativ schriebe – obwohl ich in fast der Hälfte meiner Texte für (aus meiner Sicht) positive Aspekte des Tango werbe. Ginge es mir nur um Zugriffszahlen, müsste ich noch viel aggressiver werden: Unter den „Top Ten“ der bislang insgesamt zirka 340 Artikel befinden sich acht, in denen es (auch durch die Kommentare) besonders hoch hergeht. Doch dies ist für mich kein Maßstab: Ich lobe sehr gerne, wenn es dafür gute Gründe gibt – werde aber weiterhin das kritisieren, was ich für abartig halte!

Was mich viel mehr freut: Von den zehn meistgelesenen Beiträgen stammt die Hälfte aus dem zurückliegenden Jahr:   

„Von der Feinsinnigkeit traditioneller Tangovertreter“ (29.11.15)

„Einfach abschalten?“ (8.5.16)

„Herz-Schmerz-Milonga“ (5.5.16)

„Gastbeitrag von Peter und Alessandra Seitz“ (6.6.16)

„Unter mütterlicher Überwachung“ (2.4.16)

(Auch hier befassen sich vier von fünf Texten mit den negativen Auswüchsen im Tango. Tja…)

Was ich inzwischen ebenfalls für wichtig halte: Blogger dürfen keine Einzelkämpfer sein. Daher habe ich mich in den vergangenen 12 Monaten verstärkt um Vernetzung bemüht: Inzwischen gibt es eine ganze Reihe von Gastbeiträgen aus oft unterschiedlichen Blickwinkeln, sei es von Peter Ripota, Manuela Bößel, Karin Law Robinson-Riedl, Peter und Alessandra Seitz oder einigen anderen. Und: Im Gegensatz zu den „Vertretern der reinen Tangolehre“ müssen wir ja nicht stets der identischen Auffassung sein: Wie schön!
Förderliche Kontakte gibt es auch mit Yokoitos Blog: https://tangoblogblog.wordpress.com/
Besonders eng ist die Zusammenarbeit mit Manuela Bößel, die seit einem halben Jahr ein eigenes Blog betreibt: http://im-prinzip-tango.blogspot.de/  – ihre Einsichten aus Medizin und Krankenpflege (und als routinierte Tanguera) bilden eine wunderbare Ergänzung.

Inzwischen ist so eine kleine „Allianz“ derjenigen entstanden, welche im Tango Kreativität und musikalische Vielfalt suchen: Sie reicht von Wien über das Salzkammergut (Peter Baumgartner), Freising, Ingolstadt (DJ Christoph Bos), Offenbach (DJane Annette) bis nach Berlin, wo Thomas Kröter unermüdlich neue Videos, Texte und Themen zum Tango ausgräbt. Oft komme ich mir vor wie ein Elfmeterschütze, der den aufgelegten Ball nur noch ins Netz befördern muss. Herzlichen Dank an Euch alle!

Nach meinem Eindruck sind in letzter Zeit die unterschiedlichen Standpunkte im Tango klarer geworden: Die Fraktion derer, welche unseren Tanz mit Vorgaben und Reglements überfrachten wollen, radikalisiert sich zunehmend. Ich habe dies an vielen Beispielen dokumentiert – siehe das „Manifest“ des amerikanischen Bloggers „Tango Voice“:
oder die Tatsache, dass es nun bereits Hausverbote für Gäste mit der falschen Gesinnung gibt:

Andererseits kapselt sich diese Population – typisch für Sektierer – immer mehr in geschlossenen Veranstaltungen ab und stört daher nicht besonders.

Nach einer Phase, in welcher Veranstalter reihenweise Código-Listen und Tanzflächen-Benutzungsordnungen abdruckten, scheint man inzwischen vorsichtiger geworden zu sein: Verbote erhöhen in unserer Zeit doch nicht die Beliebtheit und könnten Gäste vergraulen – deshalb hält man den Ball flacher. Immerhin!

Auf der anderen Seite kann ich bei „offenen“ Tangoveranstaltungen mit einem breiten Musikangebot einen deutlichen Zulauf feststellen, und das Geschäftsmodell „traditionelle Milonga“ ist keine Garantie mehr für wirtschaftliches Überleben – insbesondere, wenn sie sich auf das Abspielen von Internet-Playlisten beschränkt.

Dem manchmal sogar gut gemeinten Rat, mich nicht mehr mit diesem Reglementierungs-Stoff zu befassen, werde ich daher – aus voller Überzeugung – nicht folgen. Werner Schneyder antwortete einmal auf die Frage „Sie reden ja immer noch über Tschernobyl – ist das nicht ein alter Hut?“: „Dürfen die dort die Pilze schon wieder essen?“ Seine Schlussfolgerung: „Wir Kabarettisten müssen mit unseren Themen hartnäckiger bleiben – so wie die Katholiken mit der Erbsünde.“

Oft sind ja gerade meine kritischen Texte Reaktionen auf teilweise grotesken Unsinn, den andere verbreiten. Sollen wir an solche Leute die „Lufthoheit“ über den Tango“ abgeben? Ich denke nicht daran! Einen Mangel an neuen Ideen befürchte ich jedenfalls nicht - eher habe ich oft das Gefühl, von diesen verfolgt zu werden.

Im nahen Vorfeld meines „Schnapszahl-Geburtstags“ bin ich daher mit Udo Jürgens der Meinung:
„Mit sechundsechzig ist noch lange nicht Schluss!“

Kommentare

  1. Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!

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  2. Happy birthday und liebe Grüße aus Wien Alessandra und Peter ☺😗😗

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  3. Herzlichen Dank für eure Unterstützung - ich freue mich auf viele neue Beiträge!

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  4. Auch von mir herzlichen Glückwunsch! Und liebe Grüße

    Annette

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  5. Dankeschön und herzliche Grüße nach Offenbach!
    Gerhard

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  6. Was mich besonders freut: Die Zahl der Kommentare hat in diesen Tagen die Tausender-Grenze überschritten! Weil's doch immer heißt, hier würde niemand kommentieren...

    Und auf Wortmeldungen von denjenigen, die nicht mal den Hintern in der Hose haben, zu ihrer Meinung auch öffentlich zu stehen, kann ich gerne verzichten! Was ist so eine Ansicht denn dann wert?

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