Geschäftsschädigung?

Der Kollege Klaus Wendel hat es sich offenbar zu seiner Lebensaufgabe gemacht, mein Blog immer wieder in Misskredit zu ziehen. So versucht er derzeit, meinen Artikel über eine von mir besuchte Milonga dem Illegalen zu nähern:

„Was er da abliefert, ist schon dicht an geschäftsschädigend. Zumindest dürfte ihm ein Gespräch darüber schneller blühen, als ihm lieb ist.“

https://www.tangocompas.co/keine-zwei-wendel-nur-eine-haltung/#comments

Auch ein Tangoveranstalter spielte früher auf dieser Klaviatur. Er versuchte, mir sogar generell zu verbieten, seine Aktivitäten zum Gegenstand von Artikeln zu machen.

Ist es ungesetzlich, öffentliche Veranstaltungen und ähnliche Angebote negativ zu besprechen? Weil die Umsatzzahlen leiden könnten? Stünde dann nicht jeder Konzert- und Theaterkritiker bereits „mit einem Fuß im Gefängnis“?

Ich habe dazu ein wichtiges Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts gefunden, das dessen Rechtsprechung maßgeblich geprägt hat:

Erich Lüth, Hamburger Senatsdirektor und Leiter des Presseamtes, hatte öffentlich zu einem Boykott des Films „Unsterbliche Geliebte“ des Regisseurs Veit Harlan aufgerufen. Der war in Zeiten des Nationalsozialismus durch seinen antisemitischen Film „Jud Süß“ bekannt geworden. Sein neuer Film sollte bei der „Woche des deutschen Films“ gezeigt werden.

https://de.wikipedia.org/wiki/Unsterbliche_Geliebte_(Film)

Lüth, auch Vorsitzender des Hamburger Presseclubs, argumentierte, Harlan sei am wenigsten geeignet, den im Nationalsozialismus verwirkten moralischen Ruf des deutschen Films wiederherzustellen.

Die betroffene Filmfirma forderte Lüth zu einer Klarstellung auf. Die fiel nicht wie erhofft aus: Lüth nannte Harlan den „Nazifilm-Regisseur Nr. 1“. Es sei daher nicht nur das „Recht anständiger Deutscher“, sondern sogar ihre Pflicht, sich „im Kampf gegen diesen unwürdigen Repräsentanten des deutschen Films über den Protest hinaus auch zum Boykott bereitzuhalten.“

Starker Tobak – ja, wenn schon, dann sieht „Geschäftsschädigung“ doch so aus, oder?

Die Produzenten des Films entschlossen sich zur Klage vor dem Landgericht, die sie auch gewannen. Lüth wurde verboten, „die deutschen Theaterbesitzer und Filmverleiher aufzufordern, den Film nicht in ihr Programm aufzunehmen und das deutsche Publikum aufzufordern, diesen Film nicht zu besuchen“.

Dagegen ging Lüth mit einer Verfassungsbeschwerde vor, da er sein Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 GG) verletzt sah. Das Bundesverfassungsgericht gab dieser Beschwerde 1958 statt.

Das Urteil hat in verschiedener Hinsicht Rechtsgeschichte geschrieben.

Es löste die Frage, ob es sich bei den Grundrechten nur um Abwehrrechte gegen staatliche Eingriffe handelt oder diese auch im Binnenverhältnis zwischen einzelnen Bürgern gelten. Letzteres sei der Fall.

Weiterhin betonten die Richter den weiten Spielraum, den das Grundgesetz der Meinungsfreiheit einräumt. Private Geschäftsinteressen sind dem untergeordnet.

https://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%BCth-Urteil

https://www.juracademy.de/assets/courses/generated-pdfs/news_items/das-lueth-urteil.pdf

Die Grenze besteht ganz klar darin: Meinungen sind frei – zugrunde liegende Tatsachen müssen aber wahr sein. Sonst landet man schnell bei Übler Nachrede oder gar Verleumdung (§§ 186,187 StGB). Das würde Schadenersatz-Ansprüche begründen.

Aber schlechte Kritiken müssen ja nicht zwangsläufig zu wirtschaftlichen Verlusten führen. Wie ich aus eigener Erfahrung weiß, kann auch das Gegenteil der Fall sein!

Was meine Artikel betrifft: Ich habe noch nie zum Boykott einer wirtschaftlichen Betätigung im Tango aufgerufen, sondern schildere schlicht meine persönlichen Erfahrungen – wie es halt jeder Kulturkritiker tut. Über meine Qualifikation (oder deren Mängel) kann sich jede und jeder frei informieren. Da wird nichts verheimlicht oder größer gemacht, als es ist. Und Leute wie Herr Wendel geben sich ja alle Mühe, den Eindruck noch ins Negative zu verschieben.

Ist dann das „Geschäftsschädigung“? Natürlich nicht – ich verdiene ja nichts am Tango.

Insgesamt weiß ich halt nicht, ob es geschickt ist, nun auf Teufel komm raus meine Texte zu einem Skandälchen hochkochen zu wollen. Die Voreingenommenheit ist halt mit Händen zu greifen!

„Blüht“ mir mit den Beteiligten ein Gespräch über diese Affäre, wie Wendel vermutet? Die Veranstaltenden haben sich jedenfalls noch nicht bei mir gemeldet – und ich nehme an, sie sind klug genug, es auch nicht zu tun. Sachlich ist daran ja nicht zu rütteln. Und sie werden weiterhin die Bude(n) vollkriegen – so what?

Insgesamt habe ich ja Verständnis dafür, wenn manche mich schlechtmachen wollen. Sie sollten es nur geschickter anstellen.

P.S. Der Regisseur Veit Harlan wurde zwar wegen seiner NS-Propagandafilme angeklagt, letztlich aber freigesprochen:

 

https://www.youtube.com/watch?v=GgePEUQS3KA

Kommentare

  1. Und schon wieder – man ahnt es…

    „Herr Riedl,
    beeindruckend, wie Sie aus einem simplen Lesefehler ein verfassungsrechtliches Grundsatzreferat zimmern. Das muss man erst mal schaffen. Während alle anderen sehen, dass Sie schlicht eine Milonga falsch interpretiert haben, holen Sie das Lüth-Urteil, Veit Harlan und die Grundrechtsdogmatik aus dem Regal – als ginge es hier um staatliche Repression und nicht um Ihre eigene Unaufmerksamkeit.
    Niemand hat Ihnen Boykottaufrufe unterstellt, niemand wollte Sie „mit einem Fuß ins Gefängnis“ schreiben. Aber Sie schieben diese Kulissen auf die Bühne, damit niemand merkt, dass Ihr Ursprungsartikel auf einer banalen Fehllektüre beruhte. Statt einfach zuzugeben, dass Sie danebenlagen, simulieren Sie lieber eine Art kulturkritischen Widerstandskampf gegen angebliche Unterdrücker.
    Das Lüth-Urteil als Rettungsring eines Mannes, der Singular und Plural verwechselt – da muss man erst mal draufkommen.
    Und dann die große Opferpose: Andere würden aus Ihnen einen „Skandal“ machen, Sie stünden im Zentrum einer Art Verfolgung… dabei entzünden Sie die Fackeln stets selbst und wundern sich dann über den Rauch.
    Es bleibt dabei: Der Kern des Problems ist nicht die Meinungsfreiheit, nicht die juristische Großwetterlage, nicht die Geschichte des deutschen Films – sondern Ihr eigener Umgang mit Fehlern. Wer aus einem Missverständnis eine Tragödie bastelt, darf sich nicht wundern, wenn das Publikum irgendwann leise kichert.
    Kurz gesagt: Viel Theater, wenig Substanz. Und alles nur, um nicht auszusprechen, was jeder ohnehin sieht.
    Mit freundlichen Grüßen
    Klaus Wendel“

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    1. Lieber Herr Wendel,
      es wird Ihnen nicht gelingen, das Skandal-Süppchen am Kochen zu halten.
      Dass ich mich in der Einladung zu dieser Milonga getäuscht habe, konnte man von vornherein meinem Artikel entnehmen. Wobei ich es offen lasse, wie bewusst man den Text so formuliert hatte.
      Jedenfalls sollte klar sein: Das Gedöns mit der „Geschäftsschädigung“ darf man getrost steckenlassen.

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    2. Klaus Wendel hat nun diverse Kommentare über mich veröffentlicht, in denen er mich „Chainsaw-Gerd“, „Chainsaw-Man“ sowie „Hintertupfinger“ nennt und Vergleiche mit der Trump-Administration zieht. Er spricht von „Tam-Tam“ und „wirren Assoziationen“, er meint, zu meiner Person ein „Psychogramm“ erstellen zu sollen.
      https://www.tangocompas.co/keine-zwei-wendel-nur-eine-haltung/#comments
      Ich werde nicht in gleicher Münze herausgeben. Damit würde ich mich kleiner machen als ich bin. Für mich sind solche Sprüche nur ein Ausdruck argumentativer Hilflosigkeit. Wendel zeigt damit, dass er nicht mehr weiß, wie er sich anders wehren kann.

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