Ausgetreten aus Ruinen

Diese Nachricht ist schon beachtlich: Gestern Nacht hat der Tangolehrer Klaus Wendel die FB-Gruppe „KoKo Tango – Konstruktiv-kollegiale Tangogespräche!“ verlassen! Auf farbigem Hintergrund und in großen Lettern verkündete er: „Kollegial und konstruktiv war es mal hier… ich trete aus.“

Was ich schon bemerkenswert finde: Der Weggang des vormals dort sehr geschätzten Experten und Diskussionspartners ist bislang niemandem einen Kommentar wert. Auch die Administratorin, welche sich hinter dem Pseudonym „Elijah Nur Filbustan“ versteckt, tut das, was sie am besten kann: schweigen.

Bekanntlich habe ich diese Gruppe vor zirka drei Jahren verlassen, als die Dame meinte, mir die Befassung mit dort veröffentlichten Diskussionen verbieten zu können, und einige Mitglieder eine Hetzkampagne gegen mich starteten. Ich habe mich in einer Reihe von Artikeln dagegen gewehrt – auch gegen den Versuch, mich zu kriminalisieren, da ich angeblich gesetzwidrig zitiere.

Damals hielt es Klaus Wendel noch für richtig, meinen Rausschmiss aus der Gruppe zu fordern. Im Juli 2018 schrieb er dort:

„Ich möchte den Moderator dieser Gruppe bitten, Herrn Riedl auszuschließen oder zumindest zu verwarnen. Zusätzlich dienten die hier geschriebenen Meinungen, Stellungnahmen und Gedanken missbräuchlich als Füllstoff und Ausgangsmaterial seltsamer, recht fragwürdiger pseudo-satirischer Ergüsse, die nicht nur bei mir dazu führen könnten, auf zukünftige Diskussionen zu verzichten.

https://milongafuehrer.blogspot.com/2018/07/lange-wird-nicht-endlich-gut.html

Ich bin dem dann zuvorgekommen. Auf einen Offenen Brief von mir tat die Administratorin das, was sie nach wie vor am besten kann: schweigen.

http://milongafuehrer.blogspot.com/2020/01/offener-brief-elijah-nur-filbustan.html

Auch als in der Folgezeit immer mal wieder über mich hergezogen wurde, sah Klaus Wendel die Gruppe weiterhin im Recht. So schrieb er mir am 15.2.21:

 „Wenn Sie aber z.B. die Umgangsweise der Mitglieder bemängeln und diese nicht selbst darauf hinweisen können, weil Sie kein Mitglied dieser Gruppe mehr sind, müssen Sie das schon den Mitgliedern selbst oder zumindest der Administratorin überlassen. Die weiß allerdings schon, ob mancher unbedachter Kommentar einer spontanen Gefühlsregung entspringt, ohne direkt einzugreifen. Sie dokumentiert und kritisiert diese Verhaltensweise ‚vorort' und nicht irgendwo versteckt vor den Mitgliedern im Hinterzimmer eines Blogs und hämisch vor ihrer Fangemeinde. Das ist eben der Unterschied, den wir (Gruppenmitglieder) fast alle sehen und so beurteilen.“

https://milongafuehrer.blogspot.com/2021/02/al-dente.html

Mir ist bis heute unklar, welches versteckte Hinterzimmer mein Blog aufweist. Meine Seite ist öffentlich, diese Facebook-Gruppe hingegen nicht. Auf jeden Fall glaubte Wendel vor einem guten halben Jahr noch an die dortigen Selbstheilungskräfte – inzwischen nicht mehr.

Ich will „KoKo Tango“ nicht gänzlich verdammen. Manche Themen, welche man dort bespricht, sind durchaus interessant. Anderes ist pures Kabarett. So beschrieb am 12.9.21 eine Tanguera ein sie beschäftigendes Problem:      

„Bei meinem letzten Milongabesuch musste ich feststellen, dass die Herren aber auch Damen fast nur Figuren/Verzierungen getanzt haben. Eine Harmonie mit dem Partner, mit der Musik war nicht zu erkennen.“

Auf Nachfrage erklärte die Dame, sie tanze seit 20 Jahren Tango. In solchen Fällen breitet sich bei mir Frohsinn aus: Tja, manchmal braucht es halt ein wenig länger…

Auch bei dieser Debatte mischte Klaus Wendel wortreich dozierend mit. Ich weiß halt nicht, ob er sich Sympathien erwirbt, wenn er von „Sesselpups-Theoretikern“ spricht oder derart reagiert: „Tja, (…), es gibt offenbar Leute, wie (…), die stellen interessante Fragen, sind aber an den Antworten gar nicht interessiert.“

In dem Fall ging es noch gut. Gestern aber fiel es Wendel ein, eine Diskussion über den Tangobegriff „Achse“ mit der Bitte einzuleiten, man möge sich zunächst im Internet über dieses Thema informieren, damit man sich nicht in der Gruppe blamiere. Leider habe ich es versäumt, die Debatte weiter zu verfolgen, inzwischen hat sie wohl der Autor gelöscht. Am späteren Abend muss es aber hoch hergegangen sein, was den Essener Tangolehrer zum sofortigen Austritt veranlasste.

Obwohl er auch schon über mich des Öfteren heftig gepoltert hat, möchte ich den wackeren Streiter für seine Tangoperspektive wirklich nicht pauschal kritisieren. Aber Wendel kann es halt nicht lassen, im Meinungsaustausch immer wieder mal anklingen zu lassen, andere Diskussionspartner rangierten deutlich unter seinem Niveau. Das kommt speziell auf Facebook gar nicht gut an – schon, weil es manchmal stimmt.

Über Oskar Lafontaines Kanzlerwahlkampf 1990 habe ich einmal gelesen, der Politiker habe häufig Recht, aber in suizidaler Weise. Und Franz Josef Strauß wurde öfters bestätigt, er verfüge über die Energie eines Kernkraftwerks mit den Sicherungen eines Kuhstalls. Irgendwo dazwischen rangiert Wendel.

Sich wegen Anfeindungen aus Facebook zurückziehen und damit den Lautsprechern und Backenaufbläsern das Feld überlassen? Das könnte gewissen Herrschaften so passen! Aber man sollte sich auf Seiten beschränken, die einigermaßen ordentlich moderiert werden. Die Dame, die sich „Filbustan“ nennt, ist als Administratorin ein Totalausfall: Auf Grenzverletzungen reagiert sie verspätet oder gar nicht, nicht selten parteiisch und hektisch. Wer ihren Vorgänger noch kennt, empfindet den Unterschied umso schmerzlicher.

Nach Thomas Kröter, Martin Ziemer und meiner Wenigkeit hat sie es nun geschafft, den vierten nicht unwichtigen Meinungsbildner im Tango aus ihrer Facebook-Gruppe zu vertreiben. Da kann man nur herzlich gratulieren…

Allmählich ödet mich das Gejammer über die Hetze im Internet gewaltig an. Klar, dort tummelt sich ein nicht ganz repräsentativer Querschnitt durch den menschlichen Zoo. Was man aber tun kann: Auf Personalisierung bestehen und sich nicht scheuen, „Zensur“ auszuüben. Dafür habe ich mir jahrelang Breitseiten derer eingefangen, welche ihre Aggressionen unbehelligt ausleben wollten.

Das Resultat: Mein Blog gibt es nun seit 2013. In der Zeit habe ich manche Tango-Sternschnuppe verglühen sehen – und auch größere Kometen sind inzwischen in den Weiten des Alls verschollen.

Daher kann ich Klaus Wendel nur raten, sich auf sein Blog zu konzentrieren, das er im März dieses Jahres unter erheblicher Beachtung aus der Taufe gehoben hat, Nach einigen durchaus wichtigen Artikeln ist nun seit Mitte Juli Sendepause. Wer Chancen so großzügig verschenkt, darf hinterher nicht klagen.      

Ich finde es jedenfalls richtig, die Ruinen einer Seite zu verlassen, die sich dereinst dem konstruktiven und kollegialen Austausch über Tangothemen verschrieben hatte. Der Text der DDR-Hymne, die ich als Wortspiel im Titel verwendete, gibt eine schöne Parallele her:

„Alte Not gilt es zu zwingen, und wir zwingen sie vereint“ heißt es bei Johannes R. Becher. Auch das beschrieb nicht ganz die Realität im Arbeiter- und Bauernstaat.  

Doch „der Zukunft zugewandt“ zu agieren, schadet nie – weder in der Politik noch im Tango.

Quelle: https://www.facebook.com/groups/tangoforum

Update: Inzwischen ist auch Wendels Austritts-Post" gelöscht. Tja...

P.S. Meine Illustratorin und Heilpraktikerin Manuela Bößel warnt mich stets davor, mich mit schlimmen Facebookseiten zu beschäftigen, welche mein Immunsystem schwächten. Zu Abschirmung böser Strahlungen hat sie mir nun eine bildliche Anweisung geschickt:

Kommentare

  1. Lieber Herr Riedl,
    Sie könnten Recht damit haben, wenn Sie meine in der Facebook-Gruppe KoKo gestellte Frage als provokant und missverständlich bezeichnen und den dadurch mißglückten Verlauf als zwangsläufig darstellen.
    Einen Thread mit einer Frage zu starten, indem man eine gewisse Mindestkompetenz voraussetzen möchte, ist natürlich in einer Facebook-Gruppe, deren Mitglieder vorwiegend Laien im Fachbereich Bewegungslehre sind, nicht unbedingt der geeignetste Ort dafür.
    Insofern hätte man meine Frage als überhebliche Besserwisserei oder Fangfrage verstehen können. Diese Kritik ist natürlich nachzuvollziehen.
    Und natürlich klingt meine Aufforderung, erstmal eine Informationen über das schwierige Thema zu recherchieren, etwas überheblich.

    Aber ist diese Bitte nicht auch berechtigt?

    Zumal, wenn ich die üblichen Fehlinterpretationen des Begriffs "Achse" bei vielen Tänzern bereits kenne und eine entgleisende Diskussion vermeiden wollte?

    Natürlich erscheinen vielen Beobachtern einer solchen Diskussion die Bewegungstheorien im Tango als typisches Beispiel für das "verkopfte" Tango-Tanzen der Deutschen Tangoszene.
    Dann muss ich aber mal fragen, warum so viele Tänzer sagen, dass sie ihre "Achse", statt ihres Gleichgewichts, verloren haben? Auch jene, die immer über notwendiges Körpergefühl reden. Soll diese Feststellung nicht etwa die eigene Fachkompetenz suggerieren? (Übrigens: Kann man eigentlich auch seinen Schatten verlieren?)

    Nun zu meinem Austritt aus dieser Gruppe KoKo:
    Zuviel wurden mir der Kommentar von einer Tango- und Reitlehrerin, die mir darin ihren Erfolg Unterrichtserfolg dadurch begründete, dass man offenbar Methodik und Didaktik im Unterricht brauche (was mir natürlich nach Jahren Unterricht völlig fremd war ;-) Ironie aus) und über allgemein übliche Begriffe wie Körpergefühl, Körperspannung usw. - nach dem verbreiteten Prinzip "mein Unterricht ist sowieso der beste" - ihre Kompetenz beweisen wollte.
    Auch hier nicht der geringste Versuch einer Antwort auf meine Frage.

    Der zweite Angriff eines Bekannten von mir ging sinngemäß in Richtung 'was fällt Dir eigentlich ein, um Kompetenz zum Mitreden zu bitten?'
    Ich stelle mal fest, dass eigentlich niemand zu einer Beantwortung gezwungen wurde, sondern nur bei Sachkenntnis darum gebeten wurde. Wenn man diese nicht einmal in manchen Diskussionen in einem kollegial anmutendem Umfeld erbitten darf, sehe ich auch keinen Bedarf an weiteren Diskursen darin.
    
Denn die oft beobachtete Verwechslung von Meinung und Fakten ist leider auch in Diskussionen im Fachbereich Tango leider sehr verbreitet. Mit dieser Kritik kann ich auch Sie leider nicht ausschließen. 
Auch vermisse ich oft den Geist der Neugierde, des ständigen Lernens und die Erkenntnis, dass man immer weniger zu „wissen“ scheint, je intensiver man sich mit einer Sache beschäftigt.

    Im Übrigen kann ich auch Ihre Kritik an der Moderatorin nicht so ganz nachvollziehen: 
Elijah Filbustan, die Moderatorin, hat mich übrigens in keiner Weise aus der Gruppe gedrängt, eher das Gegenteil.
    Mir aber aus Ihrer Sicht zu unterstellen, ich würde im Meinungsaustausch immer wieder mal anklingen zu lassen, andere Diskussionspartner rangierten deutlich unter meinem Niveau, ist wohl aus Ihrer Feder etwas lustig (oder eine Projektion):
    Ich verliere schon mal die Geduld, wenn sich nach langem Diskussions-Hick-Hack jemand als "Sesselpupser“ (als erfahrungsloser Tanztheoretiker mit großem Belehrungsbedürfnis, wie zum Beispiel der von Ihnen als wichtiger Diskussionsteilnehmer gelobte Martin Ziemer, mit dem ich lange sinnlose Selbstzweck-Diskurse hatte) herausstellt. Nötiger Respekt vor jedem Menschen ist mir durchaus geläufig, aber nicht vor jeder ihrer noch so irrigen Meinung.

    Aber ich denke, von „unangreifbar über den Dingen stehender Kritik" strotzt doch auch ihr gesamter Blog, denn Ihre oft dargestellte "Erhabenheit" in vielen ihrer gesalzenen Beiträge lässt zumindest den Verdacht aufkommen.
    Mit Freundlichen Grüßen
    Klaus Wendel

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    1. Lieber Herr Wendel,

      wenn ich es einmal etwas drastisch ausdrücken darf: Eine Diskussion damit einzuleiten, die Deppen sollten sich lieber nicht beteiligen, killt das vorgesehene Thema – dann wird vorwiegend darüber debattiert, wer ein Depp ist und wer nicht.

      Sie können den Verlauf eines Meinungsaustausches in einer Facebook-Gruppe mit über 800 Mitgliedern nicht wirklich steuern – da redet halt dann jeder mit, der es möchte. Und wenn es nicht erwünscht ist, umso mehr.

      Wenn Sie ein Gespräch nur unter Leuten wollen, deren Fachkompetenz Sie ausreichend hoch einschätzen, dann machen Sie halt selber eine private Gruppe auf – ob auf FB oder woanders. Da können Sie entscheiden, wen Sie reinlassen (oder gegebenenfalls wieder rausschmeißen).

      Ein weiterer Unterschied, den ich für ausschlaggebend halte: Wenn ich mich auf „fremden“ Seiten äußere, muss ich stets bedenken, dass es dort vielleicht manche gibt, die auf meine Beiträge keinen Wert legen oder mich persönlich nicht mögen. Um dort überhaupt eine Chance zu haben, muss ich zurückhaltend bleiben. (Oder ich will halt Krawall und kalkuliere ein, dass ich gelöscht oder gesperrt werde).

      Die Situation auf eigenen Seiten, gar auf einem Blog, ist völlig anders: Da darf ich alles schreiben, was nicht gegen die Gesetze verstößt. Ich kann stets davon ausgehen, dass es die persönliche Entscheidung des Einzelnen bleibt, ob er mitliest oder sich mit Grausen wendet. Oder mitliest, weil er sich so schön grausen kann.

      Da gibt es nur zwei Kriterien: Ich muss damit gut leben können und genug Interesse finden.

      Noch zwei Anmerkungen zu den Personen:

      Bei Frau Filbustan bleibe ich dabei: Sie ist als Moderatorin eine Katastrophe. Vor allem auch, weil sie voreingenommen agiert. Manche können pöbeln, wie sie wollen, andere werden sofort verwarnt und schnell ausgeschlossen. Dass sie Ihren Ausschluss betrieben hat, habe ich nicht behauptet – im Gegenteil: Vermutlich hat sie Ihren Austritt bedauert, da Sie durch Ihre Beiträge viele Kommentare generieren.

      Und was Martin Ziemer und die anderen drei Herrschaften betrifft: Ich habe sie überhaupt nicht gelobt, sondern lediglich festgestellt, dass sie „nicht unwichtige Meinungsbildner im Tango“ sind. Eine sachliche Aussage anhand der Aktivität in sozialen Medien.

      Also genau lesen, gell?

      Mit besten Grüßen
      Gerhard Riedl

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  2. So so, ist es doch aufgefallen, dass ich nicht mehr in der KoKo-Gruppe war ... wenn auch vielleicht nur weil Klaus Wendel dort trotzdem nicht glücklich wurde. Ja, die Moderatorin und ich hatten unterschiedliche Auffassungen was passende Themen sind und vor allem auch ob man dieses Blog hier verlinken darf. Einmal in 30 Jahren Maus-Netz, Usenet, WWW-Foren und Facebook war das eine interessante Erfahrung. Vielleicht hat auch die Pandemie der Auffassung Vorschub geleistet, dass alle die "richtige" Meinung kund tun müssen - oder "wir alle" sind dem baldigen Untergang geweiht.

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    1. Ja, so ungefähr...

      Danke jedenfalls für die interessante Information. Ja, andere Blogs darf man in dieser Gruppe schon verlinken - die Frau ist ein Muster an Unparteilichkeit.

      Ich kann euch allen nur raten: Macht selber ein Blog auf und zieht ihr die Leser weg. Die Sprache verstehen selbst solche Administratorinnen!

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