Schimpfe am Vatertag

Ein Leser machte mich heute auf eine interessante Veröffentlichung bei Facebook aufmerksam. Die Veranstalterin einer Milonga richtete den folgenden Appell an ihre weiblichen Gäste:

Liebe, liebe Tangotänzerinnen,

es ist hammerschade, dass dienstags im Tango Salon viele erfahrene Tango-Tänzer-Herren rumsitzen müssen und nicht zum Tanzen kommen, weil zu wenig Damen da sind.

Es ist auch schön, in der Woche zu tanzen statt am Wochenende, wo dann meistens zu viele Damen da sind.“

Garniert war das Ganze mit einem Foto, das sechs sitzende Herren zeigt. Ein weiterer steht in der Tür – ob der grade gekommen ist oder gleich wieder gehen wird, weiß man nicht.

Na, wenn‘s sogar „hammerschade“ statt jammerschade ist, muss die Not der Herren wohl riesig sein!

Der Post erregte nun bei einigen Damen die Freude an spöttischen Kommentaren:

„Liebe (…),

gibt es dann am Sonntag einen Post mit einem Aufruf an Führende, wenn samstags offensichtlich die erfahrenen Damen sitzen?

Ich finde es auf der einen Seite wirklich engagiert von dir, dass du dich um Gleichverteilung der Rollen bemühst. Super! Andererseits ist es natürlich Realität, dass in der Regel zu wenig Führende auf den Milongas sind, und ich finde es schon bemerkenswert, dass es da bisher keinen Post gibt, wohl aber, wenn die Männer mal etwas Sitzfleisch beweisen müssen.

Meine Erfahrung: Wenn Folgende/Frauen unglücklich sind, wird auf ‚mehr Geduld haben‘, ‚besser Tanzen lernen‘, ‚mehr lächeln‘, ‚besser positionieren‘, ‚ist doch gar nicht unausgeglichen, kommt dir nur so vor‘ verwiesen; wenn Führende/Herren sitzen, wird der/die Veranstalterin/in aktiv. Hab ich leider häufiger erlebt, auch weil sich (zumindest in den von mir erlebten Fällen, hier weiß ich das ja nicht) die Herren einfach eindringlicher beschwert haben.

Also liebe Dienstagsherren: Vielleicht lernt ihr Folgen und findet Spaß daran? 😉Es ist wirklich eine Bereicherung, beides zu können und macht auch flexibler und unabhängiger. Und wenn ihr mögt, führe ich euch dann auch gerne.“

Ja, warum fehlen mittlerweile die Frauen? Weil frau in den letzten Jahren kaum bis gar nicht aufgefordert wurde, da sie nicht die erste Wahl war. Vielleicht sollten die Männer da mal drüber nachdenken, und der Veranstalter sollte da auch Einfluss drauf nehmen. Wenn man sich irgendwie zu abgehoben fühlt, wird es auch schwierig. Ich kenne mittlerweile viele, die einen großen Bogen um (…) machen, obwohl sie gute Tänzerinnen sind und auch international auf großen Events tanzen.

 Übrigens trifft das auch für manch einen Mann zu, der keine Lust hat, sich nur Körbe einzufangen.“

Genau, jetzt sehen die Herren mal, wie sich das anfühlt, als Frau rumsitzen zu müssen. Aber jetzt, wo es um sie geht, gibt's einen Post.“

„Die Rolle der genügsamen Frau auf der langen Warteliste ist über die Jahre so in Fleisch und Blut übergegangen, dass das Umdenken erst erlernt werden muss. Zugegeben auch von mir. Und wohl auch von den Herren. Die überzähligen Damen hätten vermutlich längst die Initiative ergriffen und miteinander getanzt (oder strahlend schön in die Kamera gelächelt).“

„Würden denn die erfahrenen Tangotänzer auch gern mit unerfahrenen Anfängerinnen tanzen, ohne sie auf der Tanzfläche zu belehren? Würden sie die Damen abholen auf dem Kenntnisstand, auf dem sie sich bewegen, so wie es gerade im Tango sein sollte, der eine sensible Kommunikation zwischen Mann und Frau bedeutet? Ich bin zwar in anderen Tänzen eine sehr erfahrene Tänzerin, aber sich in Tango Argentino in den Dialog zu begeben, ist nochmal eine ganz andere Herausforderung. Na, liebe Tangueros, wie sehr ihr das?“

Quelle: https://www.facebook.com/paloma.chamrai/posts/pfbid02KRfTn9fEfskynTFeHQ69Wk2wdR8s4FJo5GATjgAsQXHAqj5PLEnVepx1vSgyfmual

Na, ich vermute mal: anders.

Erfreulich ist jedenfalls, dass es doch ab und an mutige Tangueras gibt, die auf ein Faktum hinweisen, von dem ich fest überzeugt bin: Das Geschwätz von der Gleichberechtigung im Tango ist reine Chimäre.

Männer würden sich nie auf Zumutungen einlassen, welche man den Frauen gerne abverlangt: Wie wäre es beispielsweise, sich mal ein wenig aufzurüschen, um das weibliche Interesse zu erwecken? Oder gar das Folgen zu erlernen, um dann mit männlichen Kollegen aufs Parkett zu gehen? Oder halt so lange stille zu sitzen, bis sich eine Tänzerin ihrer erbarmt? Und auf gar keinen Fall eine Frau direkt um einen Tanz zu bitten?

Oder wie wäre es, wenn die Kerle sich anmelden müssten, und sie bei „Männerüberschuss“ einfach nicht zur Milonga zugelassen würden? Da wäre sicherlich schnell von „sexueller Diskriminierung“ die Rede…

Nachdem ich solche Praktiken des geschlechtlichen Ausschlusses heftig und auch konkret kritisiert habe, sprechen manche Veranstalter bei ihrer Quotierung statt von „Frauen“ nun von „Folgenden“. Wirklich besser wird die Situation dadurch nicht. Die Herren würden es sich auch nicht gefallen lassen, bei Damenmangel als „Führende“ von einer Veranstaltung ferngehalten zu werden.

https://www.tango-kaufbeuren.de/event/milonga-mit-anmeldung-3-2-2-3

Ich halte es daher für dringend nötig, dass noch viel mehr Frauen öffentlich und mutig solche Praktiken anprangern. Nicht nur am Vatertag!

Woher kommt eigentlich diese komische Uminterpretation des 1500 Jahre alten Festes Christi Himmelfahrt? Meine Recherchen haben mich nicht überrascht: Hierzulande wurde der Vatertag Ende des 19. Jahrhunderts von Berliner Brauereien ins Leben gerufen. Von wem auch sonst?

Während der Anlass in vielen Ländern dieser Welt als Familienfest gefeiert wird, an dem – analog zum Muttertag – die Ehefrauen und Kinder den Vätern Geschenke machen, ist er bei uns zum männerbündischen Saufritual verkommen. Die Kerle feiern allein und sich selbst.

https://de.wikipedia.org/wiki/Vatertag

Wie wäre es dann mal mit einer „Vatertags-Milonga“? So ganz ohne Frauen? Da könnten die Typen eine donnernde Erfahrung machen: Wie schön es ist, mit angesoffenen Kollegen zu tanzen und von ihnen belehrt zu werden!

P.S. Auch im Haushalt herrscht ja inzwischen volle Gleichberechtigung:

https://www.youtube.com/watch?v=ZRaPyllN1BI

Kommentare

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