Einfach ausgrenzen!

 

Vorgestern haben in Stuttgart zirka 15000 Gegner der Corona-Maßnahmen demonstriert. Masken trug fast nur die Polizei. Obwohl also Infektionsschutz-Auflagen bewusst ignoriert wurden, ließ man die „Querdenker/innen“ (hier möchte ich bewusst einmal gendern) weitgehend gewähren.

Nur einige Gegendemonstranten wurden ziemlich effektiv von der Straße geräumt. Den Unterschied erklärte ein Polizeisprecher kabarettreif: Bei der Auflösung einer solch großen Ansammlung wäre es zu noch größerem Gedränge und dadurch zu höherer Infektionsgefahr gekommen. Dies sei bei den Gegendemonstranten nicht zu befürchten gewesen: Die hätten ja Masken getragen. Darauf muss man auch erstmal kommen…

In Deutsch-Südwest war man in Politik und Verwaltung nach Kräften bemüht, den Schwarzen Peter jeweils dem anderen unterzujubeln: Die Stadt forderte vom Land präzisere Bestimmungen zu Genehmigung oder Verbot von Aufmärschen, der grüne Gesundheitsminister wiederum meinte, Stuttgart hätte die Demo durchaus verbieten können. Man habe das der Stadt auch nahezubringen versucht. Ansonsten große Worte:

„Das, was gestern passiert ist, ist ein Schlag ins Gesicht all jener, die sich an die Pandemieregeln halten. Es ist eine gesamtgesellschaftliche Gefährdung und dazu geeignet, die dritte Corona-Welle zu befördern."

Man werde „die Situation analysieren“. So äußern sich sonst nur Fußballtrainer kurz vor ihrer Entlassung…

Sauer ist auch die Deutsche Polizeigewerkschaft. Ihr Landesvorsitzender gab zu Protokoll:

„Das versteht keiner – auch wir nicht. Während in anderen Teilen des Landes die Versammlungsbehörden und die Polizei hart und konsequent reagieren und agieren, scheint es so, dass in Stuttgart alles möglich ist." Die Zuständigkeit für ein Verbot liege bei der Stadt, die Polizei werde aber kritisiert, weil sie nicht eingeschritten sei. „Offensichtlich scheint es ein Missverständnis zu geben, wenn die Stuttgarter Stadtverwaltung und damit die Versammlungsbehörde sich um klare Entscheidungen drückt und der Polizei dann den Mist vor die Füße kippt."

„Ich glaube, wir haben das Beste daraus gemacht", so der Stuttgarter (für Ordnung zuständige) Bürgermeister Maier. „Wenn die Polizei die Versammlung auf Geheiß der Versammlungsbehörde aufgelöst hätte, hätte sie versuchen müssen, 15000 Menschen nach Hause zu schicken." Diese wären aber nicht freiwillig gegangen. Die Polizei hätte massiv Gewalt einsetzen müssen.

https://www.n-tv.de/politik/Stuttgarter-Querdenken-Demo-hat-Nachspiel-article22469699.html

Echt? Na, das geht natürlich gar nicht… Obwohl man sich bei den Ordnungskräften schon dazu durchringt, wenn es gegen linksgrünes Gesindel geht – so wie beim berüchtigten „Schwarzen Donnerstag“ (30.9.2010) in Stuttgart, als weitgehend friedliche Demonstranten gegen das Bahnhofsprojekt „Stuttgart 21“ mit Schlagstöcken, Wasserwerfern und Pfefferspray traktiert wurden. Es gab hunderte teils schwer Verletzte.

https://de.wikipedia.org/wiki/Protest_gegen_Stuttgart_21#30._September_2010:_R%C3%A4umung_des_Schlossgartens_%E2%80%93_%E2%80%9ESchwarzer_Donnerstag%E2%80%9C

Diesmal dagegen wurden ja lediglich Journalisten attackiert – so ein ARD-Team, das die Berichterstattung wegen Steinwürfen abbrechen musste. Der Vorsitzende des Deutschen Journalistenverbandes erklärte dazu: „Wütend macht mich die offensichtliche Untätigkeit der Polizeibeamten, die nichts für den Schutz unserer Kolleginnen und Kollegen unternehmen."   

Na ja, Angriffe auf Journalisten gehören inzwischen bei Querdenker-Aufmärschen zur Folklore. Mit der Pressefreiheit haben es die Kämpfer für die Grundrechte nicht so – insbesondere, wenn die Medien sich weigern, ihre Ideologien verbreiten.

Welche gesundheitliche Gefährdung geht eigentlich von einer Demonstration aus, die sich für den Erhalt von Bäumen einsetzt? Sicherlich weniger als von einem Massenauftrieb ohne Masken und Abstand zu Corona-Zeiten. Inzwischen gibt es dazu ja auch ungefähre Zahlen:

Nach einer Berechnung des Leibnitz-Zentrums Mannheim und die Humboldt-Universität Berlin wurde das Infektionsgeschehen in Landkreisen untersucht, aus denen besonders viele Teilnehmer der Querdenker-Demos am 7.11.20 in Leipzig und am 18.11.20 in Berlin anreisten. Grundlage waren Busfahrpläne von Unternehmen, die sich auf den Transport von Kundgebungs-Teilnehmern spezialisiert haben.

Das Resultat: Bis Weihnachten hätten zwischen 16000 und 21000 Covid-Infektionen verhindert werden können, wenn diese Veranstaltungen unterblieben wären.

https://www.zew.de/presse/pressearchiv/mehr-covid-19-infektionen-nach-querdenken-demonstrationen

Klar, dass man in der Querdenker-Szene weitere, wohl noch heftigere Provokationen des Staates inszenieren wird. Die Eiertänze der Verantwortlichen laden nicht nur zur Osterzeit geradezu ein, es immer ärger zu treiben.

Was soll der geplagte Staat denn auch tun? Das Gesindel mit Gewalt von der Straße räumen? Dann dürfte die Zahl der Märtyrer die der katholischen Kirche noch übersteigen. 

Ich hätte da eine Idee, für die man mich sicher wieder schelten wird: Der Mensch ist ein soziales Wesen. Man könnte dieses Gesocks einfach ausgrenzen.

Um nicht missverstanden zu werden: Ich bin ein glühender Anhänger der Meinungsfreiheit. Daher ist es mir völlig schnurz, ob einer an Corona als harmlose Erkältungskrankheit, die flache Erde oder den Mork vom Ork glaubt. Kann er gerne, und er darf seinen Quatsch auch nach Herzenslust verbreiten.

Da ich aber außerdem ein Demokrat bin, erwarte ich auch von solchen Leuten, dass sie Entscheidungen von frei gewählten Regierungen respektieren und nicht als diktatorische Unterdrückung bezeichnen. Aber auch das darf man. Wobei ich froh wäre, wenn solche Zeitgenossen nie als Mehrheit unser Land regierten.

„Warum erreicht die Politik Teile der Gesellschaft nicht? Das ist das eigentliche Problem", meint der Stuttgarter Bürgermeister Clemens Maier. Ich hätte da einen Tipp für ihn: Weil es in jeder Gesellschaft einen Anteil gnadenloser Egoisten gibt, deren ganzes Denken sich ums eigene Wohlergehen dreht. Dass durch ihr Verhalten Menschen jämmerlich an Corona krepieren, ist ihnen scheißegal. Was die verstehen, sind saftige Strafen – weil die ihr Ego beeinträchtigen.

Selbstverständlich kann ich alle verstehen, die sich für Corona-Verlierer einsetzen – von Kindern über Alleinerziehende bis zu Gastronomen, Soloselbstständigen und Künstlern. Vielleicht auch nicht nur dadurch, dass man auf der Straße Schildchen hochhält. Wer sich aber unter den heutigen Bedingungen zu Tausenden ohne Vorsichtsmaßnahmen zusammendrängt und die Polizei provoziert, mit dem will ich nichts mehr zu tun haben. Auch nicht mit denen, die so etwas billigen.

Gesellschaftliche Ausgrenzung könnte einiges bewirken. Diese Herrschaften entwickeln nämlich durchaus ein Hochgefühl aus der Tatsache, beachtet zu werden – positiv wie negativ. Genau dort sollte man ansetzen.  

Keine sozialen Kontakte mehr – ob real oder digital! Auch nicht beim Tango. Und ich will auch nicht mehr diskutieren. Nach einem Jahr langt das jetzt. Vielleicht lernen es dann einige von denen doch noch, dass gesellschaftliches Miteinander aus Nehmen und Geben besteht. Dass Freiheit immer auch die Freiheit der anderen ist.

Und wenn nicht: Dann sollen sie sich halt in ihrer Meinungsblase verschanzen. Aber total von der Mehrheit der Anständigen isoliert.

Ich glaube, das wäre ein gewaltfreier, aber sehr wirksamer Weg!

Hier noch ein Video zur polizeilichen Sicht vor der Demo. Tenor: Hauptsache, es bleibt friedlich. Und wenn man wegen der missachteten Auflagen einschreite, gäbe es noch mehr Ansteckungen. Dass man damit zur Wiederholung solcher Aufzüge und damit zur weiteren Virusverbreitung geradezu einlädt, ist kein Thema. Wenn man Diktion und Körpersprache betrachtet, wird klar: Hier riecht‘s nach Achselnässe.


https://www.youtube.com/watch?v=AxwGoeZUTy0

Weitere Quellen:

https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/corona-querdenken-stuttgart-demo-polizei-100.html

https://taz.de/Querdenken-Demo-in-Stuttgart/!5764060/

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