Resonanz auf dem Ponyhof



Kommen wir nun also zum Modell der Resonanz. Der Begriff wurde bereits im Jahr 1986 von Niklas Luhmann in die sozialwissenschaftliche Systemtheorie eingeführt (Resonanz ist gem. seiner Definition eine ‚rekursiv - geschlossene Reproduktion bei umweltoffener Irritierbarkeit‘)."
(Cassiel: „Resonanz und Stabilität – zwei Begriffe aus der Soziologie im Tango“,


„Von außen macht der Hottemax auf stubenrein und nett,
doch jetzt legt mir der gute Gaul ein Apfel aufs Parkett.“
(Klaus & Klaus: „Da steht ein Pferd auf’m Flur“,

Einen herzlichen Dank an Andreas Lange, welcher mich auf ein Video aufmerksam gemacht hat, das eigentlich selbsterklärend ist:

„Personal associations on traditional milongas and neolongas”


Wundersam fügt es sich, dass kürzlich der allseits gerühmte Tangoblogger Cassiel sein Schweigen gebrochen und uns mit obigem Artikel zum Effekt der „Resonanz“ beglückt hat.


Er verwendet dort das Bild eines Tanzpaars als zwei auf verschiedene Schlagzahlen eingestellte Metronome, welche durch diesen Effekt zu einem gemeinsamen Tempo finden. Nun, das habe ich auf traditionellen Milongas schon oft beobachten dürfen, jedoch nicht immer mit glücklichem Ausgang.



Klar, dass moderne Tangomusik dies verhindert:

„Der aktuell zu beobachtende Trend zu Musik mit klar erkennbaren Beat (z.B. d'Arienzo aus den 50ern, 60ern oder gar 70ern, später Caló, französische Tangos usw.) hält das System des Tanzpaares in permanenter Bewegung. Diese – soziologisch betrachteten – Systeme können nur in der permanenten Bewegung (oder anders formuliert: dynamisch) Stabilität erlangen. Das widerspricht nach meinem Verständnis der grundlegenden Idee des Tangos. Die Nicht-Bewegung bzw. Ruhe als Kontrapunkt zur Bewegung etabliert nach meinem Verständnis erst den Rahmen, in dem Resonanz (siehe oben) möglich wird.“

Die Gäule im zweiten Teil des Videos erreichen nur durch permanente Bewegung ihre synchronen Bewegungsabläufe. Es fehlt der Stillstand.

Folgerung: Wildpferde sind für traditionellen Tango völlig ungeeignet – eine Erkenntnis, die mir schon immer schwante. Für einen Ponyhof ist diese Musik jedoch ideal.
Und in der Jahrmarkts-Ronda wird auch der Begriff des „Führens“ evident!

So stehen wir betroffen vor der Schlussfrage des wunderbaren Bilddokuments:

Is it similar to you?“

Kommentare

  1. Lieber Gerhard,

    dieses Experiment ist in der Tat sehr interessant. Aber wie um alles in der Welt kommt jemand auf die Idee, zwei tote Metronome, zwei tote Dosen und ein halbtotes Holzbrett mit einem (hoffentlich lebenden!) Tanzpaar zu vergleichen? Ich weigere mich hiermit vehement, als denkender, fühlender und jede Sekunde meines Lebens auf's neue entscheidender Mensch zu diesem Experiment eine Verbindung her zu stellen.
    Und nebenbei bemerkt: es gibt auch noch Chaostheorie...

    Liebe Grüße
    Sandra

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    1. Liebe Sandra,

      es ist ja nicht "jemand", sondern unser Freund Cassiel. Man muss halt genügend verkopft sein...

      Aber die Idee, dass im traditionellen Tango zwei Partner mit unterschiedlichen Schlagzahlen zu tanzen beginnen, bis sich dann durch die Vibration des Parketts (hoffentlich) eine gemeinsame ergibt, finde ich schon berauschend.

      Danke und liebe Grüße
      Gerhard

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  2. Schon toll, welchen philosophischen Tiefgang man aus einem physikalischen Modell rauskitzeln kann. Nein. Scherz (bin Physiker). Eigentlich meine ich, mit wie einfach es ist, etwas Common Sense mit ein paar Fremdworten zu einem pompösen soziologischen Feuerwerk aufzublasen. Beim Lesen von Cassiels Originaltext habe ich mich aber mal wieder gefragt, wofür er eigentlich die Tradi-Tangomusik braucht. Eigentlich müßte er totaler Nontango-Fan sein. Für Anfänger sagen wir Slowmotion zu Brothers in Arms (wobei ich zögere das zu schreiben, weil es wirklich ein tolles Stück ist, um Ruhe und den Herzschlag der Partnerin zu erleben). Oder gleich ein durchgehender Sinuston. Fortgeschrittene Tantra-Tangueros suchen dann die Stille in Speed Metal.

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    1. Lieber Yokoito,

      ich merk schon, dass du vom Thema (musikalisch und physikalisch) mehr verstehst als ich. Drum bin ich bei den Pferden (Biologie) geblieben).

      Wäre doch ein guter Grund, dazu einen Blogartikel zu verfassen, oder?

      Beste Grüße
      Gerhard

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  3. Lieber Gerhard, in der Tat hat mein Schreibfinger schon vernehmlich gejuckt. Wird aber ein leicht anderes Thema. Aber nur leicht...

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