Merz und die linken Spinner
Ich gehöre zu den Wählern, die es als ihre Pflicht betrachten, sich auch die Argumente der Gegenseite anzuhören. Daher verfolgte ich im Fernsehen die Abschlusskundgebung der Union in München kurz vor der Bundestagswahl.
Markige Sprüche sind da zu erwarten – von den CSU-Vertretern eh. Und wenn ein Spitzenkandidat aus dem Reich der CDU eingeladen ist, muss der natürlich beweisen, dass er die krachlederne Rhetorik mindestens so arg hinbekommt wie seine Kollegen aus dem Bayernland.
Kanzlerkandidat Friedrich Merz jedenfalls war in Hochform: Unter dem Jubel der Anwesenden rief er aus:
„Und jetzt werden wir, liebe Freundinnen und Freunde, wieder Politik für die Mehrheit der Bevölkerung machen, für die Mehrheit der Menschen in diesem Lande machen, für die Mehrheit, die gerade denken und die auch noch alle Tassen im Schrank haben, und nicht für irgendwelche grünen und linken Spinner. Die sollen da draußen rumlaufen, aber die haben mit der Mehrheit dieser Bevölkerung gar nichts zu tun!“
https://www.youtube.com/watch?v=Q_K8K-yxU1s
Welche grünen und
linken Spinner Friedrich Merz genau gemeint hatte, beschrieb er nicht näher. „Irgendwelche“
schloss ja nun niemanden a priori aus. Immerhin aber konnte man in etwa ahnen,
auf wen sich sein Zorn richtete:
„Ich frage mal die Ganzen, die da draußen rumlaufen, Antifa und gegen
Rechts: Wo waren die denn, als Walter Lübcke in Kassel ermordet
worden ist von einem Rechtsradikalen? Wo waren die da?"
Das rief nun sogar Irmgard Braun-Lübcke, die Witwe des Ermordeten, auf den Plan, die berichtete, dass es nach der Ermordung ihres Mannes „ein starkes gesellschaftlich breites Bekenntnis zu unserer Demokratie und ihren Werten" gegeben habe. Tausende Menschen seien in Lübckes Heimatort Wolfhagen, in Kassel und in sehr vielen weiteren Orten in Deutschland auf die Straße gegangen – ob „linke, liberale oder konservative Demokratinnen und Demokraten".
Als Kanzlerkandidat sollte man eventuell bedenken, dass man im Erfolgsfall der Regierungschef aller Deutschen wird – nicht nur von denen, die einem politisch nahestehen!
Friedrich Merz verfügt über ein gepflegtes rhetorisches Kopf ab-Talent, mit dem er schon sintemalen Angela Merkel nervte. Bekanntlich hat das jahrelang seine politische Karriere behindert. Doch nun hat er es geschafft – und das müssen etliche Leute büßen.
Bei Bundestagsdebatten ist mir immer wieder seine dreckige Lache aufgefallen, mit der er sich mit dem parlamentarischen Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei, über die blöden Linken amüsierte.
Schade, dass SPD-Urgestein Herbert Wehner diese Performance nicht mehr erlebte. Frei hätte sich wohl eine ähnliche Grobheit anhören müssen wie sein Vorgänger Philipp Jenninger:
„Mann, hampeln Sie doch nicht so herum! Sie sind doch Geschäftsführer, nicht Geschwätzführer!“
https://www.youtube.com/watch?v=Xnc3GmSB4Us (ab 1:52)
Es liegt mir fern, mich über den politischen Stil von Friedrich Merz zu mokieren. Es muss jeder selber entscheiden, wie er sich darstellt. Der CDU-Vorsitzende hat riesiges Glück, dass die Mehrheitsverhältnisse im Bundestag eine Zweier-Koalition mit der SPD hergeben. Warum er diese recht bequeme Option mit einer vergifteten Rhetorik belastet, weiß wohl nur er selber. Auf jeden Fall wäre es sinnvoll, bei künftigen Kabinettssitzungen ein Messerverbot zu erlassen.
Die Jusos und andere Parteilinke betonen jedenfalls, die Sache mit der „großen Koalition“ sei noch lange nicht gegessen. Und das letzte Wort haben die Parteimitglieder. Da muss ich also auch noch in mich gehen…
Aber es läuft ja fröhlich weiter: 551 Fragen haben nach dem Willen der Union diverse staatlich geförderte Organisationen zu beantworten – in Sachen „politische Neutralität“. Ob konservativen Verbänden solche Fragen ebenfalls gestellt werden, ist mir nicht bekannt.
https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/union-anfrage-organisationen-104.html
Klar – kann man alles machen. Ist nur die Frage, für wie dumm man den eventuellen Koalitionspartner hält. Ich sage jedenfalls voraus: Den Preis für eine Zusammenarbeit hat man durch solche Aktionen nicht verringert.
Aber ich möchte mich nicht zu sehr in die „große Politik“ mischen. Als Satiriker sage ich nur: Das wird noch richtig lustig. Stichwort: „Rambo-zambo" im Adenauer-Haus! Auch die „Männerfreundschaft“ mit dem bayerischen Ministerpräsidenten wird uns viel Freude bereiten. Zumal Fritze Merz genau den Typus des „Preißn“ darstellt, der in bayerischen Heimatfilmen gegen Ende pflichtgemäß in der „Odelgruam“ („Güllegrube“) landet. Ein Ereignis, auf das sich der bayerische Zuseher bereits den ganzen Film über freut.
Daher möchte ich dem Politstar aus dem Sauerland noch ein Wort Herbert Wehners widmen:
„Sie sind nicht in einer Verfassung, in der es Ihnen hier jetzt ansteht, mir jetzt zu sagen, was ich denken sollte!“
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