Hula Hoop-Tango

In der Facebook-Gruppe „Tango Friends – What’s going on?“ gab es am 19.8.24 eine lustige Anfrage. Garniert war sie mit dem Foto einer größeren Tanzfläche, auf der einige Paare jeweils nur innerhalb von Reifen tanzten, die man auf der Piste ausgelegt hatte. Text (von mir übersetzt):

„Nachdem ich schon wieder eine Beschwerde darüber gehört habe, dass unsere Führenden unfähig sind, sich bei unseren Milongas in der Tanzlinie vorwärts zu bewegen (und damit die Autobahn wie festgefahrene Autos verstopfen), wäre es vielleicht eine Lösung, sie in einem richtigen Kreis tanzen zu lassen, wie ich es in so vielen anderen Partnertänzen gesehen habe! Dann gäbe es kein Vorwärtskommen mehr, kein Hinterherhinken, kein Zurückgehen in der Tanzreihe und kein ständiges Wechseln der Spur – alles Dinge, in denen unsere Führenden Experten sind! Wenn ihr nicht gerade der legendäre Riga-Marathon in Europa mit seiner unglaublichen Navigationskunst seid, könnte dies eine Lösung sein. Was denkt ihr?“

Tatsächlich werden etliche „Latein-Tänze“ wie Cha-Cha-Cha, Rumba, Jive oder auch Salsa eher stationär getanzt. Beim Tango, so habe ich es in vielen Jahren gelernt, sei die Grundbewegung das „Caminar“, also das Fortschreiten. Inzwischen muss man leider feststellen, dass es mit dem Fortschritt im Tango insgesamt eher mau aussieht. Der Vergleich mit dem Autobahnstau ist also durchaus berechtigt.

Nun also statt des „Caminar“ das „Girar“, sprich Kreiseln? Diese Reifen erinnern mich an einen früheren Modetrend: 1958 brachte ein kalifornischer Spielwarenhersteller das Sportgerät „Hula Hoop“ auf den Markt, das man um die Hüften kreisen lassen konnte. In vier Monaten verkaufte man 25 Millionen dieser Dinger. Ich erinnere mich, damals auch ein solches Gerät besessen zu haben.

https://de.wikipedia.org/wiki/Reifen_(Spielzeug)

Bei älteren Menschen, so die Warnung der Orthopäden, könne dieses Spiel zu Bandscheibenschäden führen. Legt man aus diesem Grund beim Tango die Reifen lieber flach und tappt darin herum?

Welche Fläche hat dann ein Tanzpaar zur Verfügung? Für Erwachsene werden Hula-Hoops mit einem Durchmesser von einem Meter empfohlen, was knapp 0,8 m2 entspricht. Auf dem oben beschriebenen Foto waren die Reifen aber größer: ein guter Quadratmeter sollte schon drin sein – oder, auf Encuentro-Deutsch: eine Riesenfläche!

https://www.fitnesshulahoop.de/de/wahlen/wie-gross-sollte-mein-hula-hoop-reifen-sein

Für Menschen, die sich noch nicht der im heutigen Tango erforderlichen mentalen Degeneration unterzogen haben, könnten solche Probleme ziemlich abgefahren (oder, auf Trump bezogen, „weird“) erscheinen. So schrieb eine Kommentatorin:

„OMG....Ich habe darüber nachgedacht, Tango zu tanzen, aber nachdem ich die Kommentare hier gelesen habe, bleibe ich lieber bei Salsa.... Zu viel Drama für mich.... Tanzen soll doch Spaß machen.“

Mit bislang 41 Antworten wurde die unbedarfte Dame aber auf den Ernst des Tango hingewiesen. Kostproben:

„Jedes Mal, wenn wir unser Auto starten, wissen wir, dass die Gefahr eines Zusammenstoßes mit anderen Autos auf der Straße besteht. Das Gleiche gilt für Tango,(…), nur dass wir keine Sicherheitsgurte haben.“

„Komm mal zu einer Milonga und sieh selbst. Bring einfach einen Helm mit.“

„Es ist alles gut..., bis das Parkett überfüllt ist. Dann neigen unsere Führenden dazu, auszuflippen.“

„Wenn du einmal die Schönheit seiner Komplexität verstanden und erlebt hast, wirst du andere Tänze einfach uninteressant finden.“

„Vielleicht macht es dir Spaß, aber nicht den Leuten, die du trittst oder denen du auf die Füße steigst. Die Salsa-Tanzfläche ist besonders schrecklich.“

„In der Salsa sind Flying Kicks, Low Kicks, Fragezeichen-Kicks, Ellbogenschläge zum Kopf und alle Arten von Schlägen erlaubt? Denn angeblich ist das in einer Milonga nicht gestattet, es sei denn, es handelt sich um eine Show (tango escenario oder nur eine Vorführung, etc.)“

„Die Tango-Etikette scheint aus der Mode gekommen zu sein. Ich möchte nicht zur Tanzpolizei gehen. Lehrer, bitte verstärkt wieder die Etikette.“

„Wo ich herkomme, haben wir das gleiche Problem. Wir haben einiges unternommen, um die Tanzrichtung, den Cabaceo und das Betreten der Tanzfläche zu fördern. Wir haben Schilder aufgehängt, welche die korrekte Navigation und die Abstände zwischen den Paaren zeigen und erklären. Wir haben Erklärungen auf Facebook veröffentlicht, in denen wir die Gebote und Verbote bei einer funktionierenden Milonga erläutern. Die Leute scheinen es langsam zu kapieren.“

Na eben – man muss nur genug Schilder aufhängen, dann wird das schon was mit dem Tanzen!

Halten wir fest: Tango ist ein hoch gefährlicher Tanz, bei dem man froh sein muss, zehn Minuten auf dem Parkett zu überleben. Daher sollte man jedem Paar den Quadratmeter zuweisen, welchen es nicht verlassen darf – Abgrenzung mit Wassergräben plus Krokodilen optional.

Und  die Teilnahme an entsprechenden Einweisungen muss eben Pflicht werden – freiwillig geht dieses blöde Volk nämlich nicht hin:

„Es tut mir leid, aber die ganze Schuld den Lehrern zuzuschieben, ist einfach nicht richtig. Echt jetzt? Fragen Sie irgendeinen Schüler, wann er das letzte Mal an einem ‚Codeseminar‘ teilgenommen hat, und ich bin sicher, er wird Ihnen sagen, dass er noch nie davon gehört hat oder dass er andere ‚wichtigere Dinge zu tun‘ hatte.

Jedes Mal, wenn wir diese Art von Seminaren anbieten, sind sie leer.“

Unvorstellbar – bei diesem spannenden Stoff!

Irgendwie ertrage ich dieses Thema nur mit Bezug auf den hawaiianischen Fassreifen-Calypso, der sogar einen Filmtitel geprägt hat: In „Hula-Hopp, Conny“ spielte der damalige Teenie-Star Cornelia Froboess 1959 eine junge Dame, die sich als ihr eigener Bruder ausgibt. Rex (damals noch „Alexander“) Gildo gibt den jungen Mann, den sie schließlich erobert (ob als Bruder oder Schwester, sei dahingestellt).

https://de.wikipedia.org/wiki/Hula-Hopp,_Conny

Wie üblich in diesen Schlagerfilmen dient die Handlung lediglich dem Verkauf der Musik – im heutigen Tango ist es leider umgekehrt. Als weiterer Unterschied regen die Titel des Films gewaltig zum Tanzen an – und Conny hat dazu weit mehr als einen Quadratmeter Platz. Aber klar, das ist ja reiner Bühnen-Hula"!

https://www.youtube.com/watch?v=QtoJGt23Fkc

Und die Schauspielerin haute in dem Film sogar den Kracher „Diana“ heraus, den der 15-jährige Paul Anka ersonnen hatte. Ja, der Nachwuchs… Aber selbst den Ollen scheint es zu gefallen!

https://www.youtube.com/watch?v=zo8pGR0fki4

Kommentare

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