Neues zur Riedl-Exegese

 

Derzeit bewahrheitet sich wieder einmal eine Grundregel des Bloggens:

Gib dir keine große Mühe und haue in einer halben Stunde einen Text heraus – und du wirst Erfolg haben!

So erging es meinem Artikel „Ein Konzertstück“, der in kurzer Zeit eine Menge Zugriffe und Kommentare einbrachte. Worum ging es? Eines meiner Lieblings-Ensembles war bei Tangoleuten in Ungnade gefallen: Bestenfalls lieferten die „konzertante Musik“ – also zum Tanzen ungeeignete. Und so kenne man die Tangostücke ja gar nicht – was ich für eine Schreckreaktion bei der Begegnung mit Qualität hielt.

https://milongafuehrer.blogspot.com/2024/08/ein-konzertstuck.html

Auf die etwas härtere Tour wurde ich nun aufgeklärt, man müsse die Entscheidung, ob man zu einer Aufnahme tanzen könne oder gar wolle, musikalischen Experten überlassen. Unter anderem durfte ich im Kommentarbereich lesen:

„Als Lehrer sollten Sie wissen was eine Argumentation ist. Ich habe nur eine Feststellung gemacht. Ich finde es einfach unfair wenn man in Diskussionen Scheinargumente verwendet, weil man unfähig ist mit Inhalten zu argumentieren - so wie Sie es bei Herrn Wendel gemacht haben. Ich wollte dies einfach aufzeigen, damit es jeder Ihrer Leser auch sieht. In meinen Augen sind Menschen, welche in Diskussionen versuchen den Gegner lächerlich zu machen um vom Thema abzulenken, oft sehr bemitleidenswerte Subjekte.“

Mein alter Deutschlehrer hätte mit Rot „Thema!“ an den Rand geschrieben. Na gut, ein solcher Kommentar wird mir sicher helfen, wenn ich beim nächsten Mal unterscheiden muss, ob ein Stück als konzertant gilt oder zum Tanzen motiviert! Vielleicht sogar beides? Glücklicherweise sagt mir das mein Bauchgefühl.

Gestern Morgen nun der noch krassere Fall: Da meine Frau gerade einkaufen und auch sonst niemand greifbar war, den ich direkt ärgern konnte (nicht mal die ambulante Hauskatze), beschloss ich, meine gerade noch frische Destrudo abzuarbeiten, die ich mir auf einer Milonga eingefangen hatte. Aus Zeitgründen hielt ich mich an das denkbar simpelste Satire-Schema:

1.     Was mir missfiel: Ein Veranstalter hatte die Mitte der nicht sehr großen Tanzfläche mit der Tonanlage zugestellt.

2.     Vermuteter Hintergrund: Die Tanzenden sollten auf die Ronda-Reglements dressiert werden.

3.     Persönliche Stellungnahme: Sowas geht mir auf den Geist.

4.     Allgemeines Fazit: Tango scheint der einzige Tanz zu sein, bei dem man die Tanzfläche absichtlich verkleinert.

5.     Satirische Bewertung: In der heutigen Tangoszene möchte man nicht tanzen.

Eine nicht genannt sein sollende Tangolehrerin schrieb mir nun auf Facebook, durch solche Hindernisse habe sie das Manövrieren gelernt. Und außerdem glaube sie, mich schon in der Zeit von 1996 bis 98 auf einer Milonga gesehen zu haben, bei der man ein Tischchen auf der Piste umkurven musste. Wer es umwarf, hatte eine Lokalrunde Sekt zu spendieren.

Ich antwortete ihr, dass wir erst seit 1999 Tango tanzten. Zudem könne ich heute auf solche baulichen Hindernisse verzichten, da ja genug Paare auf dem Parkett herumstünden. Und die Sache mit dem Tischchen sei mir irgendwie erinnerlich – auch, dass ich sie für ziemlich dämlich gehalten habe.

Ein weiterer Schreiber bemerkte, woanders stünden „konzertrante Klaviere“ auf dem Parkett herum. Oder gar Flügel. Ach, echt?

Die Tangolehrerin stellte fest, sie schreibe halt von den Anfängen vor fast 30 Jahren, da ich ja behaupte, „früher sei das alles anders gewesen“. Ah so, gleich alles? Habe ich das in meinem Artikel wirklich ausgedrückt? Bitte nachlesen:

https://milongafuehrer.blogspot.com/2024/08/die-musik-im-zentrum.html

Aha, ich hatte ja geschrieben: „Der Umkehrschluss kann für mich nur sein, dass man in der heutigen Tangoszene nicht tanzen möchte.“ Okay – streng genommen trifft man damit aber keine Aussage, ob man in der gestrigen, vorgestrigen oder morgigen Tangoszene tanzen wollte oder will.

Aber gut, sei’s drum. Als missliebiger Autor muss man halt auf jedes einzelne Wort aufpassen, welches er publiziert. Sonst drohen semantische Analysen.

Den Vorhang zu und alle Fragen offen steht man dann vor den rauchenden Trümmern seines Artikels, mit dem man eigentlich nur zum Ausdruck bringen wollte, man finde es – akademisch formuliert – einfach Scheiße, wenn irgendwelche Hirnis das Parkett zustellen. Weil man darauf eigentlich tanzen wollte.

Stattdessen hat man zu kapieren, ein weinerlicher alter Mann habe nostalgisch von alten Zeiten geschwärmt, in denen vermeintlich alles besser gewesen sei. Und das darf man im Tango halt nur, wenn man von der unvergleichlichen Musik aus den 40-er Jahren schwärmt oder die verhaltensmäßigen Rituale aus alten Macho-Zeiten rechtfertigt. Ansonsten ist man ein Pörnbacher Pensionist, der nichts vom Tango versteht, nicht tanzen kann und zur Bewältigung seiner Einsamkeit grantelnde Texte verfasst. Mit denen er die Menschen in die Irre führt – falls sie sich nicht schon dort befinden.

Was soll’s? Der gemeine Lesende erkennt in den Texten eh nur, was er erwartet. Aber vielleicht erscheinen in ferner Zukunft sowie post mortem gelbe Reclam- Heftchen mit dem Titel „Gerhard Riedls Satiren – Erläuterungen und Dokumente Band…“ Also zur Frage: Was wollte der Dichter uns damit sagen?

Doch so lange die „Riedl-Exegese“ noch nicht so weit gediehen ist, halte ich mich an die Ratschläge des genialen Zynikers Harald Schmidt, der von den US-Talkmastern die Regel gelernt hat: „Don’t complain, don’t explain“. Angeblich eine Strategie, welche sogar die britische Königsfamilie im Umgang mit den Medien anwendet. Ich werde mich dem adeligen Mantra anschließen!

https://fortune.com/2024/03/20/royal-family-never-complain-never-explain-kate-middleton/

Man sollte also nie versuchen, Witze zu erklären – oder gar die eigenen Texte. Und sich schon gar nicht über dämliche Klischees beschweren, die einem angehängt werden. „Dirty Harry“ erinnert dabei an den Satz: „Was man nicht verbergen kann, muss man ausstellen“.

Freuen Sie sich also auf meinen nächsten Artikel mit dem Arbeitstitel:

„Opa erzählt vom Tangokrieg: Wie alles begann – und warum“

Für heute aber Harald Schmidts Beitrag zur „Evolution der Grünen“, mit dem er sich bei dieser Partei ähnlich viele Fans erworben haben dürfte wie ich bei den „Säulen-Umrundern der Letzten Tage":

https://www.youtube.com/watch?v=K5EqHaU6BOs

Kommentare

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