Die Kinder-Kleber

Mit heutigen Fernsehkrimis haben Zausel aus der „Stahlnetz“-Generation ihre Probleme – ich jedenfalls. Vor allem, wenn man schon in den ersten Minuten eine Melange aus psychisch defekten Charakteren – manchmal sogar nicht auf Polizei-Seite – sowie übel zugerichteten Leichen plus vernuschelten Dialogfetzen ertragen muss. Laiendarsteller inklusive. Man weiß nicht, was das Schlimmste ist!

Eine rühmliche Ausnahme bietet der „Münsteraner Tatort“ mit dem herrlichen Cat and Dog-Exposé des prolligen Kommissars Thiel und der intellektuellen Bestie Professor Börne. Dialogwitz vom Feinsten – die Ergreifung des Täters wird zur Nebensache. Wie schön!

Letzten Sonntag mussten die Prahl- und Liefers-Fans allerdings ohne Vorwarnung noch eine Viertelstunde warten. „Kinder stören“ lautete der Hashtag (für mich allein schon eine Kotz-Vokabel), unter dem uns die gefühlte Komikerin Carolin Kebekus eine Zwangsbelehrung zu den „Kinderrechten“ zuteilwerden ließ.

Ich gestehe, öfters Probleme mit Frauen zu haben, die sich auf der Bühne komisch finden. Ich bin dann schon dankbar, dass sie mich nicht sofort mit ihren Unterleibsproblemen verwöhnen, sondern erst im Laufe des Programms.

Nun ja – auf „ccol“ getrimmte Kinder-Models, welche ihre Texte auch nicht schlechter aufsagen als die Kebekus, könnte ich ebenfalls verzichten. Außerdem dachte ich, der Schutz von Kindern stehe eh schon im Grundgesetz, da es sich bei ihnen ebenfalls um Menschen handelt, deren Rechte unsere Verfassung ausführlich festlegt. Aber gut, dass wir mal drüber gesprochen haben…

Im Internet tobt nun ein erbitterter Kampf zwischen Befürwortern und Gegnern dieser TV-Störaktion. Wobei man den Leuten, die am Sonntag um 20.15 Uhr ihren Fernsehkrimi sehen wollen, „Kinderfeindlichkeit“ unterstellt.

Ich hoffe nur, in der hehren Welt derer mit dem erhobenen Zeigefinger ist man auch bereit, mal über Steuererhöhungen oder die Wiedereinführung der Vermögensteuer nachzudenken, um Kinder in prekären Verhältnissen zu unterstützen. Gerne auch über die Besteuerung von Flugbenzin oder die Streichung des Dienstwagenprivilegs. Oder den Mindestlohn zu erhöhen, damit alleinerziehende Mütter nicht drei Jobs nebeneinander annehmen müssen. Respektive mehr Frauenhäuser zu bauen, so dass weibliche Wesen von ihren Expartnern nicht zusammengeschlagen oder gar ermordet werden. Man könnte sich auch darum kümmern, dass sich Väter nicht massenweise um den Unterhalt drücken, im Extremfall sogar gleichen Lohn für gleiche Arbeit erwirken. Ob man dafür eine Viertelstunde der besten Sendezeit bekäme, scheint mir fraglich. Da könnte man nämlich nicht via Stupsnase und Pausbacken das brutpflege-fördernde Kindchenschema bedienen, damit wir die Kleinen süß finden.

Die Methode, gut gemeinte Absichten dadurch zu diskreditieren, indem man seinen Mitmenschen auf den Wecker geht, haben ja die „Klima-Kleber“ zur Perfektion gebracht. Nun also auch die Kinder-Kleber. Und im Tango diejenigen, welche absichtlich die Tanzfläche verkleinern oder irgendwelche Möbel in die Mitte der Piste stellen, um kleinschrittiges Tanzen und eine „gepflegte Ronda“ zu erzwingen. Hinter beidem steckt die unglaublich hochnäsige Attitüde, andere zu ihrem Glück zwingen zu dürfen. Im Kommunismus scheitert diese Methode immer wieder – im Tango sowie im Fernsehen scheint sie mehr Chancen zu haben: Zwangserziehung zum Guten!

Ich habe in einem Artikel schon einmal vorgeschlagen, Tango nuevo-Fans sollten sich mal auf das Parkett eines Encuentros kleben, um Piazzolla-Beschallung zu ertrotzen. Hashtag vielleicht: „Geschrammel stören“.

https://milongafuehrer.blogspot.com/2022/12/ein-klebriger-protest.html

Oder man könnte mit einem beherzten Boleo die störende Stellage auf der Tanzfläche einfach schreddern – notfalls samt dem zugehörigen DJ – begleitet vom Disney- Onomatopoetikum „Klickeradomms!“. (Mir fällt dabei ein konkretes Szenario ein – aber lassen wir das…) Nach eigener Einschätzung hätten wir jedenfalls die Rechtfertigung, einen Zweck mit geheiligten Mitteln zu verfolgen.

Nähere Einzelheiten der Fernseh-Störaktion am vergangenen Sonntag habe ich nicht mitbekommen, da ich nach dem Auftauchen von Frau Kebekus nach der Fernbedienung hechtete und die Mute-Taste drückte.

Im heutigen Tango fehlt leider diese technische Einrichtung.

P.S. Hier noch ein ziemlich böser Kommentar in der „Neuen Züricher Zeitung“, die in der fernen Schweiz die Qualität des deutschen Journalismus verteidigt:

https://www.nzz.ch/der-andere-blick/vor-tatort-belehrung-ueber-kinderrechte-mit-carolin-kebekus-bitte-nie-wieder-ld.1844532

Und wer die Nerv-Einblendung noch nicht gesehen hat:

https://www.youtube.com/watch?v=58aSekfPEco

Kommentare

  1. Herr Riedl,
    da hat Ihnen wohl die NZZ einen Floh ins Ohr gesetzt. Wenn ich mir alleine diesen Artikel der NZZ durchlese, weiß ich, wo Sie der Hafer gebissen hat. Dass Sie als SPD-Anhänger mal einen Beitrag mit dieser ultrakonservativen Zeitung zum Aufhänger machen, hätte wohl niemand gedacht; schon garnicht mit so einem Grünen-Bashing-Artikel.
    Aber das ist heute zum Grundtenor vieler Ärgernisse geworden: Stört etwas, waren es immer die Grünen.
    Aber nicht, dass Sie jetzt denken, ich wäre ein blütenreiner Grüner, aber wenn ich mir manche Ideen dieser Partei für unserer Grundbedürfnisse des alltäglichen Lebens anschaue, sind sie näher dran als viele andere Parteien.
    Natürlich gehören zu Ihrem lebenswerten Alltag ein störungsfreier Tatort-Sonntagabend, da nerven solche Themen einfach, oder? Und belehren lassen wir uns schon gar nicht!
    Da hat man es sich gerade im Sessel bequem gemacht, und da taucht so eine nervige Tusse auf, die in anderen Sendungen komisch sein will, redet 15 Minuten über Kinderrechte, und schon kommt das zeitliche Gleichgewicht eines Durchschnittsrentners gewaltig aus dem Tritt und dieser bekommt dann einen Tatort-Jetlag - da geht gar nichts mehr. Da wird dann die auftretende Störung des Tatort-Schlaf-Wach-Rhythmus eines Fernsehzuschauers zum echten Problem. Und wenn dann auch noch eine berechtigte Kritik gegen Lindner ausgesprochen wird, der lieber das Dienstwagenprivileg der überbezahlten Manager als die Kindergrundsicherung finanziert, wittert auch der letzte Tatort-Freak eine grüne Verschwörung, zumal auch noch die Produktionsfirma von Böhmermann dahinterstecken soll.
    Wenn ich mir mal die Missstände in Deutschland ansehe, die Kinder betreffen, sieht es eigentlich noch schlimmer aus, als in diesem klauen Beitrag angesprochen.
    Und wenn eine Kritik daran einen „grünen Geruch“ bekommt, dann kommt sofort die Keule mit der Kündigung des Staatsvertrages dieses Senders.
    Ich wette mit Ihnen, dass dieser Artikel nur geschrieben wurde, weil die Grünen hinter dieser Aktion stecken sollen.
    Dass Sie dann auch noch einen irrwitzigen Bogen zum Tango schlagen mussten, versteht sich ja von selbst. Denn Sie sehen ja in jeder negativen Nachricht aus der realen Welt eine Analogie zur schlechten Tangowelt, in der die Elite der hungernden Tangowelt den Piazzolla vorenthält.
    Mit freundlichen Grüßen
    Klaus Wendel

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    1. Ach, Herr Wendel,
      Anlass für meinen Text war nicht der Kommentar in der NZZ. „Aufhänger“ schon gar nicht. Tatsächlich habe ich die Nerv-Tötung am Sonntagabend live abgekriegt. Schlimm genug!
      Weiterhin müssen Sie sich halt entscheiden, ob Sie den Zeitungsartikel besprechen wollen oder meinen Beitrag. Auf den Text in der NZZ habe ich empfehlend hingewiesen, ohne mir jeden Satz dort zu eigen zu machen. Aber ich fand den Beitrag sehr flott und mit spitzer Feder geschrieben.
      Wie man wissen könnte, schlage ich mich nie bedingungslos auf eine Seite. Daher gibt es auch konservative Journalisten, die ich schätze.
      In meinem Artikel habe ich nicht ein einziges parteipolitisches Wort verloren. Ich fürchte, solche dümmlichen Bekehrungsversuche gibt es in jeder Couleur.
      Übrigens bin ich seit 1980 sogar Mitglied der SPD. Ich hoffe, Sie nicht. Die Vorstellung, Sie dann auch noch mit „Genosse“ anreden zu sollen, ängstigt mich. Dennoch erlaube ich mir stets ein eigenständiges Urteil – in der Politik wie im Tango.
      Und wenn Sie meine Texte mal lesen würden, hätten Sie mitbekommen, dass ich beispielsweise das Dienstwagen-Privileg kritisiere.
      Den „Tatort“ schaue ich sonst eher nicht. Auch das hätten Sie lesen können. „Börne und Thiel“ bilden da eine Ausnahme.
      Aber Sie haben recht: Die „auftretende Störung des Tatort-Schlaf-Wach-Rhythmus“ ist bei Pensionisten wie mir echt ein Problem. Daher fordere ich schon lange, die Rechte älterer Menschen ins Grundgesetz aufzunehmen.
      Die Brücke zum Tango musste ich tatsächlich schlagen, weil mich sonst wieder ein Dödel fragt, was denn ein solcher Text in einem Tangoblog zu suchen hätte.
      Und ja: Die Elite enthält der hungernden Tangowelt den Piazzolla vor. Schöner könnte ich es nicht sagen.
      Give me five, brother!
      Gerhard Riedl
      P.S. Was ist ein „klauer“ Beitrag?

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  2. …der Hafer gestochen… ich weiß, hatte Ihnen bereits eine Korrektur per Enail zugesendet, bevor Sie mit dem Rotstift reagieren.

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    1. Ja, nur werde ich keine Büroarbeiten für Sie erledigen.
      Innerhalb eines Kommentars kann man nicht korrigieren. Man müsste den Text kopieren, verbessern, den alten Beitrag löschen und den neuen einstellen.
      Mag ja sein, dass Tangolehrer Bedienstete haben - ich gehöre aber nicht dazu!

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    2. Antwort auf Ihr P.S. sollte "kleiner Beitrag" heißen.
      Antwort auf Ihren 2.Kommentar:
      Wo ist denn jetzt Ihre vollmundig versprochene Veröffentlichung von Korrekturen. Wieder wohl nur heiße Luft?

      Ihre Antwort lässt ja noch Schlimmeres vermuten: Da war jemand genervt.
      Da wurde das Ziel des Beitrags wohl mindestens 1x erreicht, mitten in einer Pörnbacher Wohnlandschaft. Bravo, ARD!
      (Übrigens: Bei Nervtötung durch unliebsame Sendebeiträge hilft oft der Ausschaltknopf. Der Tip war von Ihnen: Nicht lesen!)
      Dann bedaure ich, dass Sie in Ihrer Sonntagskomfortzone so einen Tatort-Jetlag erleiden mussten. Dass Ihnen das überhaupt einen Beitrag wert war, von Ihrem Fensterkissen herab so einen "Skandal" zu thematisieren, wird von manchen "Wohlstandsverwahrlosung" genannt.

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    3. Ich habe angeboten, Kommentare zu veröffentlichen, die ich per Mail erhalte. Mithilfe bei Korrekturen war nie versprochen. Glauben Sie im Ernst, ich helfe noch dabei, mich hier runterzumachen?
      Zum übrigen Gedöns mag ich nichts mehr antworten. Suchen Sie sich andere Seiten! Hier haben Sie erstmal Sendepause.

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  3. Lieber Herr Wendel,
    schön, dass Sie so genau wissen, wie meine Artikel zustande kommen!
    In Wirklichkeit war es in diesem Fall nicht ganz so: Tatsächlich wurde ich von diesem Fernsehbeitrag – wie wohl fast alle Zuschauerinnen und Zuschauer – ziemlich überrascht. Und ja: auch genervt. Dass ihn auch noch Frau Kebekus moderierte, lieferte eine zusätzliche satirische Fallhöhe.
    Ich trug mich schon zu diesem Zeitpunkt mit dem Gedanken, ungefähr den Artikel zu schreiben, der es dann auch wurde.
    Im Internet las ich am folgenden Tag heftige Debatten, wobei nach meinem Eindruck die Befürworter der Aktion in der Mehrzahl waren. Das hat mich erst recht in meinem Vorhaben bestärkt. Da ich erst noch andere Projekte in Arbeit hatte, verfasste ich meinen Text erst am Mittwoch – ziemlich genau in der Art, wie er mir bereits Sonntagabend vorschwebte. Besonders gut gefiel mir die Idee, die Sendung mit „Zwangsbekehrungen“ zu verbinden, wie man sie auch im Tango findet.
    Vom Kommentar in der NZZ erfuhr ich erst beim Schreiben, als ich einige Details in der Presse recherchierte. Da mir der satirische Zuschnitt gefiel, habe ich ihn zum Lesen empfohlen. Nirgends steht, dass ich mich mit dem Inhalt völlig identifiziere. Weil ich’s auch nicht tue. Aber gelesen habe ich den Text natürlich genau. Da bin ich ziemlich gründlich.
    Die NZZ kenne ich seit längerer Zeit; mir gefällt der handwerklich gute Journalismus. Dass die Zeitung einen konservativen Kurs verfolgt, stört mich nicht. Auch aus der „Zeit“, der „Welt“, dem „SPIEGEL“ oder der SZ zitiere ich häufig. Manchmal auch die BILD oder Helge Schütt. Ein breites Spektrum!
    Ich schreibe meine Artikel vor allem, um meine Leserinnen und Leser zu unterhalten. Wer will, darf auch darüber nachdenken. Doch das zwinge ich niemandem auf. Die Welt zu retten ist nicht meine Absicht – nicht mal die im Tango. Skandalisieren gehört ebenfalls nicht zum Geschäftsmodell.
    Aber wenn Sie im gleichen Atemzug von „sachlich kontern“ und „Armutszeugnis“ schreiben, zeigt das die ganze Erbärmlichkeit Ihrer Argumentation.
    Im Gegensatz zu Ihnen stecke ich nicht erst den angefeuchteten Finger in die Luft, um zu prüfen, woher der Wind weht. Wenn ich eine Mehrheit gegen mich haben sollte, stört mich das nicht. Ich muss weder Wahlen gewinnen noch Tangostunden verkaufen – ein ungeheures Privileg!
    Daher ist es mir auch völlig egal, ob Sie 12 oder 1200 Mails erhalten, in denen man Ihnen rechtgibt. Die Qualität solcher Äußerungen sieht man doch schon daran, dass keiner dieser „Helden“ mir seine Ansichten mal mit vollem Namen zusendet. Wäre ja technisch machbar. Mit vollen Hosen allerdings nicht.
    Fehler und Mängel in meinen Artikeln bessere ich gerne aus – erst neulich auf Ihr Betreiben. Aber ich werde keine Fehler zugeben, die ich nicht für solche halte. Aber Ihnen geht es doch vor allem um abweichende Ansichten – sie wollen schlicht recht behalten.
    Wie ich meinen Leserinnen und Lesern in Erinnerung bleibe? Nun, ich habe vor, noch einige Zeit zu schreiben. Und ansonsten nehme ich demütig das Urteil meines Publikums entgegen. Nur hat es kein Recht, über meinen Stil zu bestimmen.
    Was man auch weiterhin hier lesen wird, ist „Riedl pur“ – ohne Anpassung an Mehrheiten, ewig nachgeplapperte Floskeln oder giftige Widerreden.
    Beste Grüße
    Ihr Gerhard Riedl

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