Frage für einen Freund…

 

In einer Facebook-Gruppe stellte ein (selbstverständlich anonymer) Teilnehmer Fragen zu einem „heiklen Thema“. Meine Übersetzung:

Ein Freund und seine Ehefrau besuchten regelmäßig örtliche Milongas. Außer bei der ersten und letzten Tanda seien sie sehr viel mit anderen Partnern auf dem Parkett. Nun gebe es einen Mann, der seine Frau regelmäßig öfters auffordere. Der habe eine Vorliebe für diverse Beinhakeleien und eine Hebefigur, welche auch als „Sekretärin“ bezeichnet werde: Da setze man die Partnerin auf den Oberschenkel. (Gemeint ist wohl die „Asentada“.) Das mache der Typ mehrfach pro Stück. Dabei ergäben sich unvorteilhafte Anblicke.

Nun sei sein Freund ein gutaussehender Tanguero, der weder unsicher noch eifersüchtig sei. Und er schätze es, wenn seine frisch angetraute Gattin Spaß habe. Aber diese Bilder erzeugten bei ihm ein unangenehmes Gefühl, so dass er das Tanzen mit ihr nicht mehr genießen könne, weil es offenbar keine besonderen Figuren gebe, die ihnen beiden vorbehalten seien.

In seinen Augen werde seine Frau nicht respektvoll und damenhaft behandelt, sondern wie eine Puppe, was die vulgäre Konnotation des Begriffs „Sekretärinnen-Sitz“ noch verstärke.

Wenn er seinen Frust aber äußere, gerate er in Gefahr, als eifersüchtig und kontrollierend wahrgenommen zu werden – was nicht stimme. Seine Frau sei eine versierte Tänzerin und zudem Tangolehrerin. Sie sei zu höflich, um nein zu sagen, und wolle niemanden beleidigen. Daher lasse sie sich von jedem auffordern. Vielleicht spiele auch die PR für ihre Tanzschule eine Rolle.  

Daher habe er einige Fragen:

„An welchem Punkt wird die Grenze überschritten, wenn so viele dieser speziellen Bewegungen ausgeführt werden?

Kann eine Followerin einer Führung zu (einigen) Beinumschlingungen und Hebungen nicht mehr folgen, wenn es ihr nicht mehr gefällt?

Hat eine weibliche Teilnehmerin ein Mitspracherecht beim Tanz oder muss sie unterwürfig folgen und den Führenden gewähren lassen, der sie fast wie eine Puppe behandelt?

Ist es angemessen, eine Tangolehrerin zu mehreren Tandas einzuladen? Und kann sie bestimmte Führende ablehnen?

Tanzen Sie (führend oder folgend) anders, wenn Sie mit einem anwesenden Ehepartner tanzen, was den Grad der Sinnlichkeit und spezielle Bewegungen angeht?“

Zunächst bin ich schon mal erstaunt, dass es Tangolehrerinnen gibt, die so selbstverständlich Aufforderungen annehmen – ja auf Milongas überhaupt tanzen. Sehr ungewöhnlich und durchaus nachahmenswert!

Darf man sie dann gleich zu mehreren Tandas einladen? Ich meine, wenn man nicht eng befreundet ist, sollte man es lassen – eine Runde reicht. Schließlich wollen andere auch mal!

Na ja, wenn ein Mann ständig auf solche nahen Aktionen besteht, käme mir schon ein gewisser Verdacht – muss echt nicht sein!

Tanzt man mit der eigenen Frau anders? Sicherlich in dem Sinne, dass man genau weiß, was sie kann, und auch bei schwierigeren Sachen nicht in Panik gerät. Erotiktriefenden Kram vermeide ich eh – ob mit der Gattin oder einer fremden Tanguera. Und wenn ich merke, dass sich eine Tänzerin bei bestimmten Aktionen unwohl fühlt, nehme ich mich sofort zurück. Es soll ja beiden Spaß machen!

Wenn man aber noch fragen muss, ob die Tänzerin ein „Mitspracherecht“ habe oder „unterwürfig folgen“ müsse, bin ich schon entsetzt über das Elend im heutigen Tango. Selbstverständlich muss die überhaupt nichts! Wenn sie eine bestimmte Aktion nicht mag, tanzt sie diese nicht. Basta. Wenn es der Typ dann immer noch nicht verstanden haben sollte, würde ich ihm das laut und deutlich mitteilen. Sollte die Botschaft dann noch nicht ankommen, steht er halt allein auf dem Parkett!

Ich nehme an, dass es sich bei dem Schreiber um den Betroffenen selbst handelt. Er fragt ja für einen Freund… Und das lässt tief in die Missstände des derzeitigen Tango blicken:

Da kann man eine Frau für erotische Turnübungen missbrauchen, weil sie Angst ums Geschäft hat? Ich dachte, diese Bezüge zur Prostitution hätte unser Tanz hinter sich gelassen!

Und ein Mann wendet sich an die Facebook-Gemeinschaft, weil er es nicht fertigbringt, über seine Empfindungen mal mit seiner Partnerin zu reden! Die Grundfrage wäre für mich, ob sie sich wirklich auf solche Sachen einlässt, weil es ihr Freude bereitet. In dem Fall würde ich es tolerieren. Beide haben kein Recht, auf den anderen Druck auszuüben. Wenn diese Geschichten dem eigenen Tanz miteinander nicht guttun, ist das halt der Preis, den man im Leben für vieles andere ebenfalls zahlen muss.

Auch im Tango sollte sich der Unterschied zwischen Partner und Eigentümer herumsprechen.

Ganz schlimm fände ich es aber, wenn eine Tanguera etwas mit sich machen lässt, das ihr nicht gefällt, weil sie zu feige ist, das einem Tanzpartner im Klartext mitzuteilen. Sind Frauen auch im 21, Jahrhundert noch derart zaghafte, unentschlossene Wesen? Oder finden sich solche Relikte nur noch im Tango?

Ebenso verstehe ich nicht, dass ein Mann das stellvertretend für seine Frau fragen muss. Kann sie sich nicht selber dazu äußern – vielleicht im direkten Gespräch?

Eifersucht wäre für mich dennoch kein Thema. Ein solches Sinnlichkeits-Gedüdel ist ja kein Ausweis dafür, dass es hinterher in die Waagrechte geht. Wer sowas auf dem Parkett nötig hat, zeigt damit eher, was ihm im wahren Leben fehlt. Lästig ist diese blöde Turnerei dennoch, weil es die Tänzerin meist nicht gut aussehen lässt. Und das sollte sich jede Frau mit einiger Selbstachtung verbitten.

Ja, selbstbewusste weibliche Wesen, die wissen, was sie wollen, sind im Tango nicht gefragt. Wenn sie sich nicht mit der Eleganz eines nassen Handtuchs herumzerren lassen, laufen sie Gefahr, von gewissen Kerlen künftig ignoriert zu werden. Und die sind auf manchen Milongas nicht selten.

Die Damen könnten sich bei derartigen Typen ja mit dem Charme eines Türstehers erkundigen:

„Brauchst du Zentralgancho, oder was?“

Ich frage für eine Freundin…

Illustration: www.tangofish.de

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