Warum ich schreibe

„Herr Wendel hat doch bereits, mit hilfe von künstlicher Intelligenz bewiesen, dass sie gar nicht erfolgreich sind.“ (aus einem Kommentar vom 16.8.24)

In einer Mail hat mich ein Leser als „Mimose“ und „Narzisst“ bezeichnet und bekannt, es sei ihm eine „Wohltat“, mich zu kränken. Wortwahl in der Tangoszene von heute…

Derzeit häufen sich wieder einmal die Anwürfe gegen mein Blog. Die Behauptungen allerdings sind alles andere als neu:

·       Mir fiele nicht mehr viel ein.

Faktencheck (Stand 24.8.24): In diesem Monat gibt es 16 neue Beiträge – im Jahr 2024 sind es bislang 147.

·       Kaum jemand kommentiere noch.

In den letzten 30 Tagen gab es 68 Kommentare, insgesamt sind es auf meinem Tangoblog 4812.

·       Gerne zweifelt man auch die Tatsache von Zugriffen an.

Ich kann nur das berichten, was meine Blogstatistik anzeigt. Danach sind es im aktuellen Monat mehr als 13000, in der gesamten Zeit über 1,5 Millionen.

·       Unentwegt beleidige ich andere.

Nun ist „Beleidigung“ ein sehr weiter Begriff und reicht von einer Straftat bis zum Eindruck, unhöflich behandelt zu werden. Fest steht jedenfalls: Seit Bestehen meines Blogs (Ende 2013) gab es keinerlei juristische Maßnahmen gegen diese Seite.

Ich glaube, Ziel solcher Attacken ist, mir nachzuweisen, ich würde mit meinem Tangoblog die angestrebten Zwecke verfehlen. Das Problem ist nur:

Es gibt gar keine!

Bei vielen, die sich im Tango öffentlich äußern, sind die Ziele leicht erkennbar. Manche Autoren wollen sich als Tangolehrer profilieren und auf diese Weise Kunden gewinnen. Oder ihre Bekanntheit als Tangoveranstalter oder DJs erhöhen. Auch die Verfasser von Büchern brechen gerne Diskussionen vom Zaun, um die Verkaufszahlen zu erhöhen. In fast allen Fällen kann man wirtschaftliche Interessen zumindest vermuten.

Besonders deutlich wird das an den allergischen Reaktionen, wenn ich schreibe, man könne im Tango auch ohne Lehrveranstaltungen weiterkommen. Klar – das ist ganz schlecht fürs Geschäft!

Sicher, auch ich habe vor Jahren den einen oder anderen Artikel geschrieben, um mein Tangobuch zu promoten. Nur stellte ich den Werbezweck offen dar. Und Netto-Einnahmen habe ich dadurch nicht erzielt. Der Erlös reichte aber, meine Aufwendungen zu finanzieren. Bei den anderen Büchern habe ich erheblich draufgezahlt.

Fürs Auflegen habe ich nie Geld eingesteckt, ebenso wenig wie als Gastgeber unserer privaten Wohnzimmer-Milongas, für die wir nie Eintritt verlangt haben. Und die vielen Stunden, in denen wir mit anderen übten, ihnen auch Tipps gaben (so sie diese wollten) waren vielleicht vergeblich, auf jeden Fall aber umsonst. Mein Blog gar ist gratis und werbefrei.

Daher kann ich mit Fug und Recht sagen: Meine Frau und ich sind – was das Tanzen betrifft – lupenreine Amateure, die nicht mal durch öffentliche Förderungen alimentiert werden.

Doch es gibt ja auch nicht geldwerte Zwecke, warum man zum Tango geht:

Viele tun es, um in Gesellschaft zu sein, andere Menschen zu treffen, zum Ratschen, gerne auch zum Abgreifen von Informationen, die man dann weitertragen kann.

Ein weiteres Motiv ist, was eine Tangofreundin uncharmant als „Weiber anfassen“ bezeichnet. Na ja, Männer schon auch! Sonst würde ja die glückselige „enge Umarmung“ nicht derart gepriesen. Beim Tango trifft man viele Menschen, die dort etwas entdecken wollen, mit dem sie bislang nicht umgehen konnten: Gefühle. Oder die gar kapieren wollen, wie das andere Geschlecht tickt. Beides natürlich meist erfolglos. Daher scheitern „Tango-Paarbeziehungen“ fast immer kläglich.

Nicht wenige wollen nicht nur sehen, sondern vor allem gesehen werden. Tango ist gerade für das rangordnungs-affine männliche Geschlecht eine ideale Spielwiese, seine verknüllte Persönlichkeit aufzustylen und sie mit Talmi-Glanz zu illuminieren.

Einen wichtigen weiblichen Antrieb wollen wir nicht verschweigen: Viele wollen sich – mit Hilfe von entsprechendem Aufputz – auch jenseits der Fünfzig noch begehrenswert vorkommen. Würden sonst auf den Tangofesten so viele Fummel und Schühchen verhökert?

Ein Motiv können wir derzeit ausschließen: die Musik. Hauptsache, sie klingt antik-schrammelig oder nach poppigem Humptata. Und der Tanz? Na ja, in der heutigen degenerierten Form gehört er als Alibi mit dazu. Mehr nicht.

Halten wir fest: Für viele, die heute Milongas besuchen, ist der Tango ein Mittel, mit dem sie bestimmte Zwecke anstreben. Bei Menschen, die mit dem „Tanz-Gen“ ausgestattet sind, ist er Selbstzweck: Sie können nicht stillsitzen, wenn sie rhythmische Musik hören, sondern müssen sie durch Bewegungen interpretieren. Natürlich ist das völlig sinnlos, aber schön.

So ist es auch mit dem Schreiben: Sätze, die in meinem Gehirn kreisen, geben so lange keine Ruhe, bis ich sie als Text formuliere. Zu welchem Zweck? Zu gar keinem! Einfach, weil ich sie für sinnvoll halte – oder vielleicht lustig, gar provokant.

Sprache ist etwas Wunderbares – in früheren Zeiten sprach man sehr treffend vom „Wortschatz“. Bücher zu verbrennen, egal welche, ist daher eine Barbarei.

Vor vielen Jahren inszenierte meine Frau als Schulspiel Ray Bradburys „Fahrenheit 451“, zu dem ich die dramatisierte Fassung schrieb:

In einem autoritären System gelten Bücher als gefährlich, weil sie die Menschen zum Nachdenken, zur Entwicklung eigener Auffassungen verleiten. Da sie also Zwietracht schüren könnten, wird die Feuerwehr dazu eingesetzt, Bücher zu beschlagnahmen und zu verbrennen. Das ist umso leichter, da die Bürger durch die elektronischen Medien auch das Interesse an Gedrucktem verlieren. In einem Reservat leben Dissidenten, von denen jeder ein Buch auswendig lernt, um so dessen Inhalt vor der Vernichtung zu bewahren.

https://de.wikipedia.org/wiki/Fahrenheit_451

Diese geniale Idee begleitet mich seither. Ja, ein Buch, jede einzelne geschriebene Seite ist ein lebendiges Wesen. Meinungen können sich bilden, widerstreitende Auffassungen, Diskussionen. Wer totalitär denkt, hält das für eine Gefahr. Selbst in Form eines Tangoblogs.

Daher ist es lächerlich, mir vorzuhalten, ich würde mit meiner Arbeit keinen „Erfolg“ haben. Na und? Deswegen würde mein Antrieb zu schreiben nicht geringer.

Ich kann halbwegs begründen warum ich schreibe. Das Wozu beim besten Willen nicht.

Punx, einer meiner großen magischen Vorbilder, hat die Zauberei als "Kunst der erhabenen Zwecklosigkeit" bezeichnet. Welches Ziel verfolgt ein Künstler, wenn er ein weißes Seidentuch rot färbt? Keines. Er kann höchstens erklären, wieso er das tut: Weil er es schön findet.

https://diemagiedesgr.blogspot.com/2020/12/punx-und-marvelli.html

Kurt Tucholsky, auch so ein „Sprach-Junkie“, beschreibt in seinem Text „Mir fehlt ein Wort“ seine Qual, die Bewegung von Birkenblättern nicht verbal beschreiben zu können. Er endet mit dem Satz:

„Was tun die Birkenblätter? Während ich dies schreibe, stehe ich alle vier Zeilen auf und sehe nach, was sie tun. Sie tun es. Ich werde dahingehen und es nicht gesagt haben.“

http://www.zeno.org/Literatur/M/Tucholsky,+Kurt/Werke/1929/Mir+fehlt+ein+Wort

https://www.youtube.com/watch?v=z_XSneXOvWU

P.S. Kollege Helge Schütt würde Tucholskys Problem vielleicht wie folgt beheben: "Da mach ich einen Podcast".

Kommentare

  1. Lieber Gerhard,
    einerseits bewundere ich ja deine Fantasie, mit der du dir jeden Tag frei erfundenen Unsinn über mich ausdenkst. Aber andererseits habe ich inzwischen keine Lust mehr, meine Zeit damit zu verschwenden, auf solchen Blödsinn zu reagieren. Ich werde also zukünftig auf deine Provokationen nicht mehr reagieren.
    Liebe Grüße und mach's gut,
    Helge

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    1. Woher weiß ich nur, dass ich mich nicht darauf verlassen sollte?

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