Ein klebriger Protest

Neustadt an der Nitze (dpa)

Ein skandalöser Zwischenfall ereignete sich gestern im festlich geschmückten Sportheim der „Neustädter Kickers“, wo an diesem Wochenende eine überregional gebuchte Tango-Tanzveranstaltung, das „Encuentro con Amigos“ stattfand.

Nach Recherchen des „Nitzetal-Boten“ klebten sich drei Aktivisten der „Letzten Tango-Generation“ auf dem Parkett fest, verhinderten den Fortgang des Tanzvergnügens und forderten lautstark das Abspielen moderner Tangomusik. Vorher hatten sie den Computer des DJ mit Apple-Kompott beworfen. Nach Angaben des Polizei-Pressesprechers soll es sich dabei um die szenebekannten Personen Manulela B., Gerhard R. sowie Cäsar H. handeln.

Der DJ Bodo Meisegeier („El Pájaro Buitre“) unterbrach daraufhin sein Musikprogramm, was einige Paare allerdings erst nach zirka zehn Minuten mitbekamen. Immerhin hatten die Protestierer aber eine Rettungsgasse für Tänzer über 80 freigehalten.

Sie verteilten auch ein Flugblatt, in dem unter anderem zu lesen war:

„Wir kommen zusammen und leisten entschlossen gewaltfreien Widerstand gegen den fossilen Wahnsinn im Tango. Wir sind der Überlebenswille der Szene! Wir haben noch zwei bis drei Jahre, in denen wir den fossilen Pfad der Vernichtung moderner Tangomusik noch verlassen können.“

https://letztegeneration.de/

Wie der Aktivist Gerhard R. unserer Zeitung sagte, kämpfe seine Initiative für eine Erwärmung des Tangoklimas. „Steinzeitliche Musik, prähistorische Verhaltensnormen und elitäres Getue haben die Atmosphäre auf den Tangoveranstaltungen zu Eiseskälte gefrieren lassen und den Tango der alten und noch älteren Bevölkerung übereignet. Die Jugend wendet sich ab. Wenn es so weitergeht, werden wir die letzte Generation sein, welche die Vielfalt des Tangos noch kennengelernt und gelebt hat.“

R. beklagte auch den Machismo und die fehlende Diversität im Tango: „Die grassierende sexuelle Diskriminierung der Frauen und die Missachtung nicht-binärer Lebensformen muss endlich aufhören. Parolen wie ‚Der Mann führt‘ sind mit den Grundrechten unvereinbar.“

Die „Letzte Tangogeneration“ kritisierte in einer Pressemitteilung auch heftig, dass jüngst während eines süddeutschen Tangofestivals mehrere Vertreter des so genannten „Tango Nuevo“ in polizeilichen Unterbindungsgewahrsam genommen wurden: „Glaubt man wirklich, dass man uns damit von weiteren Aktionen abhalten kann? Wir werden fortgesetzt die Códigos übertreten. Sollen sie uns halt einsperren – aber bitte paarweise und mit einer Piazzolla-CD!“

Führende Vertreter des Tango haben die Aktivitäten dieser Gruppierungen heftig kritisiert. So äußerte der bekannte Tangoblogger C. im „Focus“:

„Denn schon lange sind es keine harmlosen Proteste mehr, es sind teils fremdgefährdende Straftaten. Sachbeschädigung, Nötigung, Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte, Hausfriedensbruch, gefährlicher Eingriff in den die Ronda, öffentliche Aufforderung zu Straftaten – es reicht! Der Staat muss endlich einen Plan entwickeln, wie er mit diesen Chaoten umgeht und diese Proteste mit harter Hand unterbindet.“

https://www.business-leaders.net/klimakleber-klimaaktivisten-ihre-ziele-ihre-sponsoren/:

Auch der bekannte Facebook-Influencer Arthur D. sprach von „politischen Erpressungsversuchen“. Die „Letzte Tango-Generation“ „gängele“ die Szene. Es müsse geprüft werden, ob die Gruppe inzwischen eine kriminelle Vereinigung sei, da sie bundesweit koordiniert agiere. „Dieser Verdacht drängt sich auf.“

https://taz.de/Innenminister-contra-Letzte-Generation/!5897194/

Der Tangolehrer Klaus W. kritisierte den Verfassungsschutz-Präsidenten Thomas Haldenwang, der seine Warnung vor einer „Tango-RAF“ aus „fachlicher Perspektive“ als „Nonsens“ bezeichnet hatte:

„Ich hätte erwartet, dass ein Sicherheitsbehördenchef solche Warnungen ernst nimmt“, sagte W. der BILD am SONNTAG. „Wer einfach nur an dem Begriff Tango-RAF Anstoß nimmt, scheint der Realität nicht in die Augen schauen zu wollen.“

W. forderte zugleich bundesweit härtere Strafen für die Tangoaktivisten. „Die Tango-Chaoten kündigen aktuell weitere Straftaten an. Es ist die Aufgabe der Politik, darauf zu reagieren“, so W. in der BILD am SONNTAG. „Frau Faeser muss das Strafrecht anpassen, damit härtere Strafen und vorbeugender Gewahrsam für Wiederholungsstraftäter unter den Tango-Chaoten bundesweit möglich sind.“ Die Tangostraftäter forderten den Rechtsstaat und die Gesellschaft immer stärker heraus, so der Tangolehrer. „Ich habe null Verständnis für die Behinderung von Tanzenden, die Gefährdung des Milongaverkehrs oder die Beschädigung von Tango-Kulturschätzen.“

https://www.focus.de/panorama/welt/haertere-strafen-fuer-klimaaktivisten-klima-raf-debatte-dobrindt-kritisiert-verfassungsschutz-praesident_id_180427065.html

Die Neustädter Veranstalter haben gegen die Störer Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs, Nötigung und Sachbeschädigung gestellt. Die Behinderung des Bewegungsdrangs der Tanzenden könne auch zu schweren psychischen Schäden führen. Ein Sprecher der Staatsanwaltschaft erklärte, es werde zusätzlich wegen gefährlichen Eingriffs in den Tangoverkehr ermittelt.

Im Neustädter Sportheim gestaltete sich die Wiederherstellung geordneter Tanzverhältnisse schwierig. Obwohl der DJ minutenlang Cortina-Musik einspielte, gelang eine Räumung der Tanzfläche zunächst nicht. Pozilei und Feuerwehr konnten keine Kleber-Lösungsmittel einsetzen, da diese schon durch die Enteisung der Einsatzfahrzeuge verbraucht waren. Schließlich hatte DJ Meisegeier die rettende Idee: Durch Auflegen einer besonders schmierigen Tanda gelang die Erweichung des Klebstoffs, so dass man die Aktivisten mühsam von der Piste ziehen konnte.

Jörg B., Vorsitzender des Vereins „Tango nur für Kohle e.V.“ erklärte, die Abkehr von herkömmlichen Finanzprodukten verspreche keine Rettung des Tango-Klimas. Er kündigte die Erstellung einer bundesweiten „Kleber-Datei“ an. Per Anmeldepflicht mit Personalausweis für alle Milongas seiner Mitglieder sollte es zukünftig möglich sein, Andersdenkende von den Veranstaltungen fernzuhalten. Zudem werden ab jetzt die Schuhbeutel nach Behältnissen für Kartoffelbrei, Apfelkompott und Ketchup durchsucht.

Die Neustädter Aktivisten haben im Internet zu einer Solidaritätsaktion aufgerufen. Unterstützer sollten sich durch Posten einer UHU-Tube unter dem Kennwort „Tango adhesivo“ zu erkennen geben. Tesafilm sei weniger geeignet.

P.S. Ich danke Manuela Bößel herzlich für die Idee zu diesem Artikel und die Mithilfe bei der optischen Gestaltung. Wir hatten wirklich großen Spaß bei dieser Aktion! 

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