Tango zwischen Nordsee und Seine

 

Der Tango hat auch die Nordsee erobert! In den „Amrum News“ wird aktuell Klaus-Peter Grezschke vorgestellt, der neben „Standarttänzen“ „ab etwa 1985 auch halbprofessionell Tango Argentinien“ tanzt. Vor über 20 Jahren habe er mit seiner Partnerin diesen Tanz auf die nordfriesische Insel gebracht.

Tango, so wird Grezschke zitiert, sei „ein sehr stark improversierender Tanz“. Originalton:

„In diesem sehr vielfältigen Tanz, mit all seinen improvisierenden Möglichkeiten, verbinden sich zwei Menschen durch die besondere Musik und die abgestimmten Bewegungen in einem gemeinsamen Schwingen! Man sagt, diese besondere Verbindung dauert nur einen… diesen Tanz lang! Alles passiert nur im Augenblick, ist nie zu wiederholen, und es bleibt nur die vage Erinnerung! Vielleicht ist das auch der ganz besondere Zauber, der weltweit und wachsend so viele Menschen fasziniert!? – ein sich gemeinsam Einlassen und Fallenlassen, Verantwortung abgeben, Tiefe und auch melancholische-sinnliche Nähe!?“

Quelle: https://www.amrum-news.de/2024/10/01/tango-mehr-als-nur-ein-tanz/

Wenn das schon bei den drögen Nordlichtern hinhaut – um wieviel mehr können wir es in Paris, der Stadt der Liebe, erwarten?

Glücklicherweise fand ich durch Thomas Kröter ein sowohl neues als auch ergreifendes Bilddokument von einem dortigen Festival. Bitte vor dem Betrachten anschnallen, um nicht von der sinnlichen Raserei mitgerissen zu werden!

https://www.facebook.com/100005505465629/videos/1239772070550029

Na gut, im Vordergrund scheint sich ein Herr mit Glatzen-Ansatz noch zu überlegen, ob er das temperamentvolle Tänzchen wagen soll.

Dann zeigt uns eine Dame mit nackendem Rücken eine wunderbare Idee zur „improversierenden“ Gestaltung: Sie hat sich anscheinend die Choreografie auf die Kehrseite tätowieren lassen. Man sollte daher als Tanguero nur hinter ihr bleiben, dann muss man sich nix mehr merken! So erschließt sich nun auch der Sinn der Ronda.

Nachfolgend erinnert uns ein junger Mann am Rand der Tanzfläche an das noch aufregendere „ecuadorianische Strohhutflechten“, welches ebenfalls zum UNESCO-Weltkulturerbe zählt.

https://panamahut24.de/montecristi-hut-unesco-immaterielles-kulturerbe-alles-was-sie-wissen-muessen/

Tja, was soll man da noch sagen? Mehr Improvisation und „gemeinsames Schwingen“ gehen nun wirklich nicht! Aber vielleicht sollte man die Damen und Herren von der Seine doch einmal in den Amrumer Kurpark einladen. „Das Limit“, so der dortige Tangolehrer, „bestimmt sich eigentlich nur durch das Können der Tanzenden.” So viel zum nackten Realismus des friesischen Volkes!  

„Tango – mehr als nur ein Tanz…“ – so der Titel des obigen Artikels im Online-Magazin.

Da können Leute wie ich leider nicht mithalten. Als wir den Tango vor 25 Jahren kennenlernten, war er ausschließlich ein Tanz – mehr nicht. Mit wehmütiger Nostalgie erinnere ich mich an Zeiten, in denen man mit Titeln wie dem folgenden eine ganze Festival-Ronda hätten sprengen können. Heute Vormittag haben wir das Stück mit Erfolg auf die Pörnbacher Bretter gelegt.

Der Tango „Bailarín Compadrito“ (Der Compadrito-Tänzer") von Miguel Bucino stammt aus dem Jahr 1929.

„Gekleidet wie ein Dandy, sein Haar mit Gel kämmend

und Besitzer eines Mädchens, das hübscher ist als eine Blume,

tanzt man auf der Milonga mit einem Hauch von Wichtigkeit.“

Grad schee war’s:

https://www.youtube.com/watch?v=LQkfpTXRneA

Kommentare

  1. Gerhard, das dürfte während Deiner tänzerischen Blütezeit in den Hinterzimmern zwischen Ingolstadt und Ausgsburg nicht viel besser ausgesehen haben. Sind denn nie VHS-Videos aus der Zeit aufgetaucht, die Deine Erinnerungen zurecht rücken könnten? Dann ist das die Gnade einer frühen Geburt. :-)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Lieber Martin,
      ich sehe es dir nach, dass du ein bisschen Altersdiskriminierung betreibst – das ist ganz typisch für die Midlife-Crisis.
      Danke für deine historischen Spekulationen. Ich habe mir nie überlegt, wann denn meine „tänzerische Blütezeit“ war. Vielleicht, weil ich auf solches „Niveau-Geplustere“ keinen Wert lege. Videos aus der besagten Zeit gibt es wohl kaum – man musste ja damals die Veranstaltungen nicht auf Facebook bewerben.
      Nachdem ich aber nun schon annähernd 60 Jahre tanze, kann ich dir versichern: Mir reicht ein kurzer Blick aufs Parkett, um tänzerisches Können einzuschätzen. Von daher weiß ich ganz sicher: Ich hätte mir bei einem solchen Anblick wie auf dem Pariser Festival damals ein anderes Hobby gesucht als den Tango.
      Und wer mir nicht glaubt, findet auf meinem Blog etliche O-Töne von „Zeitzeugen“. Einen Artikel habe ich gerade als Leseempfehlung verlinkt:
      https://milongafuehrer.blogspot.com/2020/05/als-wir-noch-auf-den-milongas-lernten.html

      Löschen
    2. Lieber Martin,

      ich bin keine VHS-Kamera. Trotzdem kann ich nur bestätigen, was Gerhard über frühere Tangozeiten schreibt. Er schreibt. Manche Tangoleute von damals sind uralt, tot oder in in andere Sparten, wo es unverkrampfter zugeht, geflohen. Ich dagegen krieche manchmal nach einer Milonga mit meinem Tango unter dem Teppich und weine leise. So verarbeitet jeder seinen Frust über dahingegangene, wildperlende Kreativität im Tango.

      Wie sehr hab ich mir gewünscht, einst am Rande der Tanzfläche zu sitzen, mit meinem Hackelstock den Rhythmus zu klopfen und jungen, energiegeladenen, leidenschaftlichen Menschen bei dem Unfug zuschauen zu können, zu dem ich selber nicht mehr in der Lage bin. Aber nein! Jetzt merke ich, dass ich trotz Gehbehinderung... Aber lassen wir das.

      Und welchen Zeitraum du mit „der Gnade der frühen Geburt“ etikettierst, weiß ich auch nicht. Gehst du ab einem bestimmten Alter von „nostalgischer Demenz“ aus? Gehört da mein Jahrgang (1972) auch hinein? Wie alt bist du eigentlich? Noch fitt im? Ist ja immer eine Frage des Standpunkts, gell?

      Auf jeden Fall gehöre ich einer Generation an, die Erlebtes für wahr halten kann, auch wenn niemand eine Kamera drauf gehalten hat. Und obwohl du und einige andere sich die unsere damalige Tangoszene nicht vorstellen können:
      Es war so. Ich war dabei. Du nicht.

      Beste Grüße
      Manuela Bößel

      Löschen

Kommentar veröffentlichen

Hinweis zum Kommentieren:

Bitte geben Sie im Kommentar Ihren vollen (und wahren) Namen an und beziehen Sie sich ausschließlich auf den Inhalt des jeweiligen Artikels. Unterlassen Sie herabsetzende persönliche Angriffe, gegen wen auch immer. Beiträge, welche diesen Vorgaben nicht entsprechen, werden – ohne Löschungsvermerk – nicht hochgeladen.
Sie können mir Ihre Anmerkungen gerne auch per Mail schicken: mamuta-kg(at)web.de – ich stelle sie dann für Sie ein.