Das Wort zum Samstag

 

Auf Facebook habe ich einen gar köstlichen Videoschnipsel gefunden, in dem ein Tanzpaar sich nach längerem Zögern entschließt, doch ein paar Schritte zu unternehmen. Der Text erklärt uns die Situation:

„Glücklich sind wir, wenn die Tänzerinnen und Tänzer zu Musik tanzen, die ihre Seele berührt, und ihre Körper sich in perfekter Harmonie mit dem Rhythmus bewegen. Es ist ein Gefühl der reinen Freude und Freiheit, bei dem alle Sorgen und der Stress dahinschmelzen.

Die Tanzfläche wird zu einem heiligen Raum, in dem die Menschen sich frei entfalten und sich ohne Vorurteile und Hemmungen ausdrücken können. Es ist eine wunderbare Erfahrung, die Menschen zusammenbringt und ein Gefühl der Einheit und Verbundenheit schafft.“

Quelle: https://www.facebook.com/reel/8377753672272881

Ja, uff erstmal… Gibt es eigentlich schon eine Tangoversion von „Großer Gott, wir loben dich“?

Okay, dann muss es halt, wie im Video, der Encuentro-Hit „Invierno“ („Winter“) tun, den 1937 Francisco Canaro aufgenommen hat.

Doch woran leidet der Sänger hörbar? Ich hab’s mir mal übersetzt:

„Er ist wieder da...

Der Winter mit seinem weißen Gewand

Schon begann der Frost zu leuchten

In meinem lieblosen Leben.

Tiefes Leid

Das mich verstehen lässt,

dass das Alleinsein ein Graus ist.

Und wenn ich sehe...

Wie sie in meinem Herzen wehen,

Die kalten Winde der Trostlosigkeit,

Möchte ich weinen.

Denn meine Seele trägt

Die Nebel eines Winters,

Den ich heute nicht vertreiben kann...“

Ich frage mich nur auch aus aktuellem Anlass: Wenn man schon so scheiße drauf ist – wieso dann noch tanzen und den anderen die Laune verderben? Mehr als göttliche Posen können doch dabei nicht herauskommen!

Aber wir leben ja in einer Jahreszeit, in der die Balkongeländer niedriger werden. Und statt eine Dosis Depressiva einzuwerfen, hier noch die vollständige Version des Songs von Horacio Petorosi und Enrique Cadícamo:

https://www.youtube.com/watch?v=W8VAd3YrWAs

Kommentare

  1. Zu obigem Artikel erhielt ich einen anonymen Kommentar in Form einer ultimativen Voraussage: „Sie werden den Tango nie verstehen.“
    Leider teilt der Schreiber uns nicht mit, ob er ihn selber verstanden hat. Ich nehme an, das ist der Fall, sonst könnte er ja nicht beurteilen, dass einem anderen der Durchblick fehlt. Belege hierfür bietet er nicht an.
    Interessant wäre auch, welchen „Tango“ er meint. Diese Musik, dieser Tanz haben sich ja in bald 150 Jahren ziemlich entwickelt. Oder gibt es für den Kommentator nur den einen Tango, den er halt mag – und daher spricht er allen anderen Tangoformen die Daseinsberechtigung ab?
    Persönlich täte ich mich ein bisschen schwer, jemandem totale Ahnungslosigkeit in einem Gebiet zu unterstellen, mit dem sich dieser seit 25 Jahren als Tänzer, Buchautor und Blogger beschäftigt hat. Aber gut – zum Tanzen gehören Mut und Selbstvertrauen.
    Aber ich kann den Schreiber trösten: Grundsätzlich hat er ja völlig recht. Jedenfalls, wenn man mit „Verstehen“ das Ergebnis heftiger Gehirnkribbelei meint. In dieser Weise habe ich nie versucht, den Tango zu kapieren. Sicherlich kann man sich Gedanken über verschiedenste Aspekte dieses Tanzes machen, und das habe ich wahrlich getan. Man kommt dann meist zum Ergebnis, dass der Tango voller Widersprüche ist, die man nicht auflösen, sondern nur auf dem Parkett darstellen kann.
    Also habe ich oft empfohlen, bei diesem Thema die Birne zu dimmen und sich kreativ und improvisiert zur Musik zu bewegen. Dann könnte ein Flow entstehen, der einen immer wieder zum Tango zieht.
    Aber den Tango „verstehen“? Je länger ich tanze, desto mehr wird mir klar: Das kann man in Blog-Kommentaren versuchen, wenn es darum geht, möglichst gescheit daherzureden. Rauskommen wird dabei wenig.

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