Auf zur Diskussion!

Derzeit kämpft sich mein Blog wieder einmal durch schweres Fahrwasser. Ein Kritiker schickte mir täglich mehrere Kommentare, die sich im Wesentlichen um meine charakterliche Nicht-Eignung als Autor drehen. Ein anderer, mir bekannter Troll folgte. Mit anderen Worten: Meine Person wurde einer messerscharfen Diagnostik unterzogen – mit alarmierenden Befunden.

Selber bleiben solche beeindruckenden Denker natürlich anonym. Man will ja keine „Selbstbeweihräucherung“ (seit Jahren ein Lieblingswort) betreiben.

Wichtig ist auch, die Sehnsucht nach einer wahren Debatte herauszustellen, welche natürlich von mir immer wieder hintertrieben wird:

„Ein Blog lebt vom Austausch – und ja, manchmal auch von Kontroversen. Die Spam-Taste mag dir kurzfristig Ruhe verschaffen, langfristig vertreibst du damit aber genau das, was eine Plattform lebendig macht: echte Diskussionen.“ (aus einem nicht veröffentlichten Kommentar).

Ja, ich sehe gerade wieder, dass Krawall die Zugriffszahlen deutlich steigert. So wie schwere Unfälle die Schaulustigen anziehen, sammeln sich dann im Blog auch die Gaffer.

In der analogen Welt sind ähnliche Verhaltensweisen inzwischen verboten: Mit Geldstrafe oder Haft bis zu zwei Jahren ist bedroht, wer per Bildaufnahme die Hilflosigkeit einer anderen Person (oder einen Toten) zur Schau stellt. 

https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__201a.html

Na gut, im Tango gibt es hoffentlich keine „hilflosen Personen“ (oder gar Leichen). Dennoch mag ich auf meinem Blog keine Gladiatorenkämpfe für ein blutrünstiges Publikum zeigen. Daher habe ich die Kommentarfunktion meines Blogs einmal mehr gesperrt und hoffe, dass man sich demnächst wieder abregt.

Ein Gedanke, der mich seit einiger Zeit beschäftigt: In der Politik, aber auch sehr vielen gesellschaftlichen Bereichen sind inzwischen Podiumsdiskussionen und ähnliche Veranstaltungen üblich – ob es sich dabei nun um „große“ Themen oder die Aufstellung eines Windrades handelt. Im Fernsehen gar wird getalkt bis zum Umfallen. Da geht es bisweilen ziemlich heftig zu – dennoch ist meist ein inhaltliches Thema erkennbar, und die Kontrahenten vermeiden es halbwegs, einander mit allzu groben persönlichen Herabsetzungen zu malträtieren. Manchmal ergeben sich fürs Publikum sogar neue Erkenntnisse.

Im Tango dagegen gilt ein solcher öffentlicher Meinungsaustausch als ungehörig. Bestenfalls darf man Menschen, die eine andere Vorstellung von diesem Tanz haben, als Quertreiber und Störenfried hinstellen. Natürlich meist anonym.

Einzig in einem Tango-Podcast ließ man mich vor gut einem Jahr zu Wort kommen – unter dem Titel, ob der Tango „die Kontroverse“ brauche. Natürlich nicht, weshalb die Herausgeber meine Arbeit nachträglich so charakterisierten:

„Von der wahren Vielfalt und der Freude am Shitstorm“

Ob es daran liegt, dass die Seite inzwischen brachliegt, weiß ich nicht.

https://milongafuehrer.blogspot.com/2024/09/es-soll-wieder-getalkt-werden.html

Vor Jahren hätte ich es fast in eine öffentliche Diskussion mit dem damaligen Blogger-Guru Cassiel geschafft. Offenbar wäre der sogar bereit gewesen, zu diesem hehrem Zweck sein Pseudonym aufzugeben. Leider scheiterte das Projekt daran, dass mein Kritiker nur gegen Honorar aufzutreten bereit war. Ich habe diese einmalige Chance damals verpasst, statt notfalls in die eigene Tasche zu greifen und den Mann zu entlohnen. Ein krasser Anfänger-Fehler!

Heute lautet die generelle Ansicht, ein rechter Tanguero habe mich und meine Arbeit zu ignorieren, was jedoch die Zahl der Zugriffe auf mein Blog nicht verringert. Man muss meine Texte wohl heimlich lesen, um der Exkommunikation auf den Milongas zu entgehen…

Eine Podiumsdiskussion zum Tango wäre hierzulande wohl nur möglich, wenn man lauter Gleichgesinnte einlüde oder – bis auf mich – alle Beteiligten (meist Männer) in eine Burka gehüllt aufträten. Als Moderator könnte ich mir den schonungslos neutralen Thomas Kröter vorstellen. Ich nehme an, in der ersten Runde sollte es um meine charakterliche Eignung in diesem Metier gehen. Ich erwarte unter anderem die folgenden, auf mich bezogenen Begriffe:

„Boomer-Oberlehrer“, „zensieren“, „Moralapostel“, „Selbstgefälligkeit“, „Tugendwächter“, „Arroganz“, „Wahrheitsverkünder“, „gekränkte Eitelkeit“, „moralisches Geschwurbel“, „Gejammer“, „ohne den Hauch von Cleverness“, „Doppelmoral“, „untergriffig“, „erbärmlich dünnhäutig“, „überhebliche Empörung“, „Pseudomoral“, „oberlehrerhaften Belehrungen“, „Überheblichkeit“, „Heuchelei“. (Zitate aus den Kommentaren ab 22.11.24)

Im zweiten Teil der Diskussion sollte man sich dann aber schon der Sache zuwenden, vielleicht unter dem Motto: „Wieso Riedl irrt“. Für die Schlussrunde schlage ich das Thema vor: „Wieso der Tango so schön ist“.

Vor einiger Zeit habe ich mich intensiv mit den „Zeugen Jehovas“ beschäftigt. Es gibt auf YouTube eine ganze Reihe von Videos, in denen Aussteiger ihre Geschichte erzählen. Der Grund für den Rückzug ist oft, dass sie sich in einen Partner verlieben, der kein Mitglied dieser Sekte ist – also eine Beziehung eingehen, die streng untersagt ist. Liebe ist halt wieder mal stärker als Religion…

Jehovas Zeugen wachsen weitgehend isoliert von Andersgläubigen auf. Tritt jemand aus, so müssen auch Eltern, Geschwister und Freunde den Kontakt abbrechen. Es ist für Renegaten also sehr schwer, in der „Außenwelt“ Fuß zu fassen. (Übrigens sollte man auch im Tango nicht als Encuentro-unwürdig" gelten.)

Ich empfehle den folgenden Bericht einer Aussteigerin:

https://www.youtube.com/watch?v=MldVZZrJsps

Offizielle Vertreter der Sekte (übrigens ausschließlich Männer) weigern sich strikt, öffentlich mit Ausgeschlossenen zu diskutieren. Besser, die sind einfach „Luft“, statt sich mit deren Sichtweisen abzugeben. Und natürlich sind die Grundlagen des Glaubens einer Debatte nicht zugänglich.

Nach der herrschenden Lehre wartet man ja auf die „Endschlacht“ (Harmagedon), welche nur 144000 Fromme überleben würden.

Ich meine, dass auch der Tango sich immer sektenartiger entwickelt und hoffe nur, dass die Erlösten nach dem Weltuntergang wenigstens die 1300 tanzbaren Titel der EdO ins Paradies mitnehmen dürfen!

https://de.wikipedia.org/wiki/Zeugen_Jehovas

Übrigens ist Tanzen auch in dieser Sekte erlaubt, aber halt ebenfalls „anständig“:

„Statt Tanzpartys für Teenager zu besuchen, ist es viel sicherer, in christlicher Gemeinschaft zu tanzen, weil dann die entsprechende Aufsicht gewährleistet ist. Bei gut beaufsichtigten Feiern sind Jugendliche nicht unter sich, sondern profitieren von der Gemeinschaft mit Christen aller Altersgruppen.“

https://wol.jw.org/de/wol/d/r10/lp-x/102004290

Was man von Ronda und Cabeceo hält, konnte ich leider nicht herausfinden.

Klar kommen solche Vergleiche nicht ohne Satire aus. Ich frage aber ernsthaft, wieso man sich im Tango mit offenen, fairen Diskussionen so schwertut. Jede Beschäftigung hat ihre Licht- und Schattenseiten, die man doch ehrlich ansprechen sollte! Im Tango aber hat man offenbar eine Heidenangst, das Image der „liebevollen Gemeinschaft“ zu verlieren, in der sich alle so prima verstehen und demselben Rhythmus folgen. Dies sichert am besten den kommerziellen Erfolg in der Branche. Daher werden Kritiker im Zweifelsfall heruntergeputzt und böser Charaktereigenschaften geziehen.

Womit wir wieder bei den Sekten wären…

Vielleicht erlebe ich es ja noch, mal zu einer Tango-Talkshow eingeladen zu werden. Ich meine, sie könnte – wie im Fernsehen – einen friedlichen Verlauf nehmen. Vor allem, wenn Männer am Werk sind:

https://www.youtube.com/watch?v=G_5d4xpMS8w

P.S. Kommentare sind derzeit nur per Mail an mich möglich (siehe Hinweise nach dem Artikel).

Kommentare

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