Unter dem Deckmantel der Satire

 

Neulich amüsierten wir uns im kleinen Kreis über die vielen Schöpfungen des (leider inzwischen verstorbenen) Karikaturisten Martin Perscheid, der für seine bitterbösen Anspielungen bekannt und gefürchtet ist.

Als Beispiel erinnerten wir uns an einen Cartoon, in dem eine Nonne gefragt wird: „Sie sind mit einer Leiche verheiratet und essen täglich davon?“

Ein solcher Satz dürfte gerade religiös gebundenen Menschen die Stimmung ziemlich verhageln. Gerne ist dann sogar von „Gotteslästerung“ die Rede.

Tatsächlich gibt es in unserem Strafgesetzbuch den Paragrafen 166, der sich „Beschimpfung von Bekenntnissen, Religionsgesellschaften und Weltanschauungsvereinigungen“ nennt.

https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__166.html

Stellt die Aussage der Karikatur eine „Beschimpfung“ dar, und kann sie den „öffentlichen Frieden“ stören? Ich würde sie eher als Veralberung religiöser Glaubenssätze sehen.

Immerhin wird die Satire von unserem Grundgesetz geschützt: Der Artikel 5 garantiert sowohl die Freiheit der Meinung als auch die der Kunst.

https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_5.html

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts ist ausgesprochen liberal: Weder muss Kunst einem bestimmten Mainstream entsprechen noch hat sie sich sittlich, ethisch oder moralisch irgendwelchen Normen zu fügen.

Die Schranken ergeben sich aus dem allgemeinen Persönlichkeitsrecht sowie der strafrechtlich verbotenen „Schmähkritik“ im Sinne einer Beleidigung (§ 185 StGB). Zu bedenken ist auch der Tatbestand der Volksverhetzung (§ 130 StGB).

https://www.gesetze-im-internet.de/stgb/__130.html

Im Einzelfall ist stets eine Abwägung erforderlich. Die folgende Quelle bietet eine gute Zusammenstellung:

 https://kunstrechtblog.de/pervertierung-der-kunstfreiheit-wie-weit-darf-satire-gehen/

Gegen Satire juristisch vorzugehen bringt daher oft nichts. So hat Franz Josef Strauß die Zeitschrift „Pardon“ 18mal verklagt – und ebenso oft verloren.

Die Einstellung der Lesenden zu dieser Kunstform ist zudem stark abhängig von ihrer jeweiligen Meinung: Trifft die Satire Gegenstände oder Personen, die einem selber äußerst unlieb sind, kann sie gar nicht scharf genug sein. Im anderen Fall aber reagiert man ziemlich empfindlich.

Nun hat sich aber inzwischen herumgesprochen, dass satirische Texte grundsätzlich weder ungehörig noch gar verboten sind. Reflexartig kommt ersatzweise der Einwand, das sei „doch keine Satire mehr“ oder einem sei „das Lachen im Hals steckengeblieben“.

Zu einer Kabarett-Nummer von Lisa Eckhart zitiert die „Jüdische Allgemeine“ beispielsweise den Antisemitismus-Beauftragten der Bundesregierung, Felix Klein: Über Geschmack und die Frage, was Satire sei und was sie dürfe, lasse sich zwar streiten. Doch Eckhart suche leider Beachtung, indem sie bewusst Grenzen überschreite und ihre Pointen auf der Basis von Antisemitismus, Rassismus sowie allgemeiner Menschenfeindlichkeit setze.

Der Grünen-Politiker Volker Beck legte eine Programmbeschwerde ein: „Der WDR präsentiert wieder einmal mit Lisa Eckhart ein Potpourri aus antisemitischen Klischees und schenkelklopfendem Humor, bei dem einem das Lachen nur im Halse stecken bleiben kann.“

https://www.juedische-allgemeine.de/kultur/judenhass-im-deckmantel-der-satire/

Geradezu chronisch ist hierzulande die Verwechslung von Witz respektive Humor mit Satire. Der Lacher ist für den Satiriker höchstens ein Beiwerk, damit das Publikum den Inhalt leichter schluckt. Die Botschaft aber ist ernst, oft sogar bitterböse. Sie verletzt vorsätzlich Gefühle oder gar die „Stimmung“, um auf Kritikwürdiges hinzuweisen. Satire ist die gewaltlose Alternative zur Option, dem Gegner eine aufs Maul zu geben.

Man wirft solchen Autoren auch gerne vor, sie würden Krawall veranstalten, um Aufmerksamkeit zu erzeugen. Klar kann das ein Motiv sein, da man ja gegen etwas anschreibt, das oft von einer großen Mehrheit akzeptiert wird. Die ehemalige Podcasterin Sabine Holl unterstellte mir im Interview, ich würde nur deshalb „auf die Kacke hauen“. Ich füge hinzu: Damit es funktioniert, muss es sich aber auch um Kacke handeln…

Häufig werden dem Satiriker finstere Absichten unterstellt. So attestierte mir ein streitbarer Tangolehrer:

Da sich dieser besagte Blogger nicht mit seinen Antworten in die Öffentlichkeit traut, weil er hier meistens klug gekontert wird, zitiert er einzelne Passagen auf seinem Blog, um die Autoren dieser Texte unter dem Deckmantel der Satire zu konterkarieren.“

https://milongafuehrer.blogspot.com/2019/10/die-wendelschen-regeln.html

Eine andere Charakterisierung meiner Person lautete:

Komischer Typ. Hetzen und beleidigen am laufenden Band und sich unter dem Deckmantel einer Satire verstecken.“

https://milongafuehrer.blogspot.com/2021/05/in-der-offentlichkeit-pupsen.html

Es geht auch ernsthafter:

„Humorseiten entfalten im Social Web große Reichweite und sind vor allem bei Jugendlichen beliebt. Die Erfahrung zeigt: Je anstößiger, provokanter und umstrittener ein Witz ist, desto eher verbreitet er sich schneeballartig. Viele Beiträge transportieren dabei Hassbotschaften und kursieren unter dem Deckmantel der Satire im Netz.“

https://www.vielfalt-mediathek.de/wp-content/uploads/2020/12/jugendschutznez_dossier_humor.pdf

Klar ist natürlich: Hassbotschaften oder Fake News kann man nicht mit Satire rechtfertigen. Beim Thema Beleidigung unterscheiden die Juristen, was im Vordergrund steht: Die Herabsetzung der Person oder der Streit um die Sache. Ich finde diese Abgrenzung sehr vernünftig.

Was ist nun aber ein „Deckmantel“? Ich kenne Winter-, Pelz- oder Regenmäntel. Sogar „Übergangsmäntel“. Und kann man unter einem Deckmantel auch etwas anderes verstecken, oder gilt das nur für die Satire? Kann darunter auch gar nichts liegen?

Meine Recherchen ergaben: Es gibt Deckmäntel tatsächlich! Im Shop der „Titanic“ (in Koproduktion mit „Die Partei“) kann man einen „Deckmantel der Satire“ zum Preis von 7 Euro (plus Versandkosten) bestellen: ein rotes Regencape aus kompostierbarem Bioplastik.

Ich habe mir eins zu Weihnachten gewünscht!  

https://shop.titanic-magazin.de/accessoirs/regencape/regencape-deckmantel-der-satire.html

Und hier nochmal Satire juristisch erklärt:

https://www.youtube.com/watch?v=cKMdwXXw7AM

Kommentare

  1. Wer Satire erklären muss, macht irgendetwas falsch.

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    1. Das Problem sind eher Leute, die Satire nicht kapieren.
      Aber ich muss sie ja nicht erklären. Ist ein freiwilliger Service für eine bestimmte Gruppe von Lesenden.

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