Musik für Knete
„Wir pfeifen nicht nach Ihrer Tanze“ – Hans Ulrich Klose (Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion)
In einem Facebook-Forum für Tango-DJs wurde kürzlich eine interessante Frage gestellt:
„1. Was halten Sie als DJ von Ihren DJ-Kollegen, die ihre Dienste nicht in Rechnung stellen?
2. Was halten Sie als Veranstalter von DJs, die ihre Dienste kostenlos anbieten? Akzeptieren Sie sie?“
Aus den Kommentaren ist zu schließen, dass die meisten DJs schon Geld sehen wollen – zumindest als Erstattung für ihre Kosten:
„Ich habe ein stärkeres Gefühl für die Tatsache, dass man dadurch manchmal ziemlich schlechte Sets erlebt. Wenn jemand umsonst spielen will – zur Unterstützung des Veranstalters oder zur Eigenwerbung usw. – müssen wir das akzeptieren und uns dem stellen. Da ich selbst eine Milonga betreibe, weiß ich, dass das Budget immer knapp ist.
Aber wenn das Ergebnis eines kostenlosen Auftritts ein schlechter Milonga-Abend ist, vor allem bei einer internationalen Veranstaltung, dann frage ich mich, warum der Veranstalter sich entschlossen hat, der Person dieses Set anzuvertrauen...“
„Als ich anfing, als DJ aufzulegen (oder besser gesagt ‚Musik in der Milonga zu spielen‘), tat ich das umsonst, weil ich einfach nicht wusste, dass dies als kostenpflichtige Arbeit galt. Später, als ich mehr Angebote bekam, manchmal auch von außerhalb der Stadt, begann ich, ein kleines Honorar zu verlangen, um meine Reisekosten (teilweise) zu decken. Erst als ich mehr Angebote bekam, als ich bewältigen konnte und wollte, begann ich, meinen DJ-Service mit einem Preisschild zu versehen, das eine anständige Gewinnspanne enthält, auch um den guten Glauben des Veranstalters zu testen. Und in letzter Zeit habe ich mich dabei ertappt, dass ich sogar über diese angemessene Schwelle hinausgegangen bin, nur um Angebote von Veranstaltern abzuwehren, für die ich nicht arbeiten möchte.“
„Wenn du als DJ noch nicht bereit bist, aber größere Sets spielen darfst, weil du nichts verlangst, tust du dir auf lange Sicht keinen Gefallen. Nimm dir Zeit, die Musik und die Psychologie des Auflegens zu studieren und sammle Erfahrungen bei lokalen Veranstaltungen. Die Angebote werden kommen, und sie werden mit einer Vergütung einhergehen.“
„Die Veranstalter müssen verstehen, dass es sich nicht um einen Beruf handelt, wenn ein Tango-DJ nicht zumindest ein wenig davon leben kann, sondern eher um eine Leidenschaft oder ein teures Hobby mit einigen Vorteilen. Und als solcher steht es jedem DJ frei, einen beliebigen Preis für seine Dienste festzulegen, einschließlich eines Nullpreises, und dennoch nicht verpönt zu sein.“
„Abgesehen von Ausnahmen (enge Freundschaft mit den Organisatoren, besondere Anlässe, bei denen Geld für die Organisatoren ein Problem sein kann, aber die ‚Sache‘ wertvoll ist, besondere Absichten beim Anbieten eines DJ-Sets, usw.) denke ich, dass ein DJ immer eine Gebühr verlangen sollte, sogar am Anfang seiner Karriere (wenn er bei Veranstaltungen auflegt, bei denen die Leute Eintritt zahlen, vielleicht mit einer niedrigen, angemessenen Gebühr beginnen).
Außerdem sollte ein DJ immer für die Zeit seiner Anwesenheit Reisekosten, Essen und Unterkunft erstattet bekommen.“
Um die beiden Ausgangsfragen zu beantworten:
Was halte ich von DJs, die kostenlos auflegen? Dasselbe wie von denen, die eine Bezahlung verlangen!
Offenbar lautet die landläufige Ansicht, gut bezahlte DJs würden besser auflegen als solche, die wenig oder kein Geld kosten. Ich konnte einen solchen Zusammenhang noch nie feststellen.
Eher scheint mir ein Spruch zuzutreffen, den ich einmal zur Erlangung von Orden gelesen habe. Die könne man sich verdienen, erdienen, erdienern oder erdinieren…
Was ich in 25 Jahren Tango in einem Großteil der Fälle zu hören bekam, waren fantasielose Musikprogramme, die sich auf das Abnudeln der allseits bekannten EdO-Aufnahmen beschränkten. Motto: Wiederholen bis zur Besinnungslosigkeit.
Das tangomusikalische Schaffen ab den 1960er Jahren ist für mindestens 90 Prozent der DJs überhaupt kein Thema. Gut – inzwischen legt man gelegentlich aktuelle Orchester auf, die den alten Kram täuschend ähnlich nachspielen. Oder man lässt den ganzen Abend Klänge wummern, die mit Tango kaum etwas zu tun haben. Euphorie oder übersteigerte Zahlungsbereitschaft löst das bei mir nicht aus.
Ich habe in all den Jahren einige wenige DJs kennengelernt, die wirklich vielgestaltige Musik boten. Die haben alle kaum etwas eingenommen. Und sie mussten sich manchmal sogar ob ihrer „untanzbaren" Titel dumm anreden lassen.
Klar, heute behandeln viele den Tango als Branche, die man nach wirtschaftlichen Kriterien betreibt. Man inszeniert riesige Events, bei denen dann auch mächtig Knete über den Tresen geht. Und davon möchten die DJs ihren Teil abhaben. Na gut – sollen sie doch! Besser wird die Musik dadurch nicht.
Die schönsten Milongas habe ich immer wieder als privat organisierte Veranstaltungen erlebt, wo sich Enthusiasten betätigten. Man gab halt ein paar Euro in die Kasse, um die Kosten zu decken. Es kann wunderbar funktionieren, wenn man auf internationale Stars und den Zubehörhandel verzichtet. Und oft entsteht das „Tangogefühl“ in ganz kleinen Gruppen.
Ich lasse das Argument nicht gelten, man stecke als Aufleger doch so viel Zeit und Geld in seine Arbeit. Na und? Das ist bei vielen Hobbys so. Und als DJ erfüllt man sich immerhin den (vor allem männlichen) Wunschtraum, wichtig zu sein und andere nach seiner Pfeife tanzen zu lassen. Das ist doch auch was!
Ich hatte noch nie den Eindruck, dass der Tango umso besser wird, je mehr Geld im Spiel ist. Eher wird der Charakter schlechter.
So erhielt ich einmal das Angebot, bei einem mehrtägigen Festival in einer 700 Kilometer entfernten Großstadt aufzulegen. Freilich: Irgendeine Art der Erstattung von Reise-, Übernachtungs- oder Verpflegungskosten sei natürlich nicht drin. Ob ich wenigstens freien Eintritt hätte, wollte ich dann gar nicht mehr wissen. Im besprochenen Post schildert ein DJ ähnliche Wahrnehmungsstörungen:
„Vor einigen Jahren fragte mich eine Organisatorin, ob ich bei ihrer Veranstaltung auflegen wolle. ‚Klar‘, sagte ich. ‚Wie viel zahlst du denn?‘
Sie sagte, ich würde freien Eintritt zum Festival bekommen.
Ich sagte, dass ich es im Gegenzug für Privatunterricht machen könnte, obwohl ich eigentlich kein Interesse an Unterricht bei ihr hatte.
Sie antwortete: ‚Ich bin Profi und gebe keine kostenlosen Stunden‘.
Es kam kein Geschäft zustande.“
In solchen Fällen tröste ich mich stets damit, unbezahlbar zu sein…
Die führende Rolle * www.tangofish.de
Quelle: TDJF - Tango DJ Forum | Facebook (Post vom 13.11.24)
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