Wo der Mann noch Macho sein kann
Nachdem man
im Münchner Tango inzwischen
offenbar gelernt hat, dass Kreuzzüge
gegen mein Blog nichts helfen (außer es populärer zu machen), steht diese
Erkenntnis in Berlin wohl noch aus. Seit
einiger Zeit wird auf der FB-Seite meines Blogger-Kollegen Thomas Kröter fröhlich gegen mich gepöbelt.
Der Stein
des Anstoßes: Am 8.10.19 hatte ich über einen Artikel in der New York Times berichtet, der sich mit
feministischen Bestrebungen im argentinischen Tango beschäftigt und
insbesondere die Aktivistin (hier stimmt das vielfach missbrauchte Wort einmal)
Liliana
Furió vom „Tango Feminist Movement“ zitiert.
Meine
Eindrücke dieses (von mir übersetzten) Artikels fasste ich in einem Fazit zusammen:
„Ich bin immer wieder froh, solche ‚O-Töne‘ zu entdecken. Sie zeigen in
schöner Regelmäßigkeit, dass letztlich im Tango-Mekka – bei allen kulturellen
Unterschieden – ähnliche Gegensätze
ausgefochten werden wie bei uns. Wer sich auf Buenos Aires als ‚Hort der
Tradition‘ beruft, ist schief gewickelt. Auch dort behaupten viele Machos, keine zu sein, während dies
etliche Frauen ganz anders sehen: Aus deren Perspektive ist man im Tango
von einer umfassenden Gleichberechtigung noch weit entfernt, begünstigen
die allfälligen ‚Códigos‘ eindeutig die Männer. Und das liegt am wenigsten am
stets beschworenen ‚Frauenüberschuss‘!“
Als Kollege Kröter meinen Text auf seiner FB-Seite
verlinkte, war die Empörung einiger
Berliner „Tango-Platzhirsche“ groß. Ich musste nun für alles einstehen, was
etliche Frauen in Buenos Aires behaupteten. Kostproben davon habe ich dann veröffentlicht:
Jürgen Kühne forderte umgehend eine Ausgrenzung von Liliana Furió:
„Sie will den
anderen vorschreiben, wie sie nach ihrem Gusto zu tanzen haben… und ich denke,
die Dame wird mit ihrer revolutionären Idee ziemlich einsam dastehen, soweit
ich die Tangoszene in BsAs nach vier Aufenthalten kennengelernt habe... (…) Ich
glaube, die Furiosa sollte was anderes tanzen als Tango Argentino.“
Ebenso
offenbarte sich Christian Paschen
als Feminismus-Gegner:
„Ich kann mit dem
Tango Feminist Movement absolut nichts anfangen. Es geht um einen sehr
traditionellen Paartanz, etwas, was es sonst im Alltag kaum noch gibt, und viele
tanzen Tango eben gerade deshalb, nach meinem Eindruck insbesondere auch die
Damen. Wenn also die nächste feministische oder gegenderte Welle auf uns
zurollt: Augen zu, Luft anhalten, und darunter hindurchtauchen... (…) Ich
verbitte mir jegliche Missionierung.“
Michael Sacher
schließlich entdeckte bei mir sachfremde
Motive:
„Ich glaube ja nach
wie vor, dass diese ganzen Quixote'schen Windmühlenkämpfe mehr damit zu tun
haben, dass manche gern schreiben und Publikum brauchen, welches mit der
Pensionierung eben plötzlich abhandenkommt, und dann geht's eben online weiter.“
Als Meister
der verbalen Blutgrätsche erwies
sich der Berliner Tangolehrer und Musiker Pablo
Fernandez Gomez, der bereits so in die Debatte einstieg:
„Gerhard Riedl, ich
habe leider deinen Artikel gelesen... traurig... peinlich... lächerlich... kann
mich nicht für ein Wort entscheiden!! Wie schon viele da herum sagen: ‚Der ist
nur einer der nichts mehr zu tun hat und will noch glauben dass er etwas noch
zu beitragen hat... zwar online...‘. Kein einziges Argument dass man nicht ganz
leicht abreißen könnte. Also ich hatte recht! Du hast keine echten Argumente!
Danke, dass du es uns allen gerade aufgeklärt hast ;) (….) Es tut mir irgendwie
auch leid... es ist etwas traurig dass jemand mit den Jahren so wird, oder
warst du immer so? ... Trotzdem verstehe ich, dass du nichts mehr zu tun hast.“
Auch Jürgen Kühne zeigte sich weltoffen,
aufgeklärt und emanzipiert:
„Wenn hier eine
absolute Minderheit von Aktivisten lautstark meint, dass Tango eigentlich was
beliebig anderes sei, kann das gern in eigenen Kreisen tun und nennen, wie sie
es wollen, aber bitte nicht Tango Argentino.“
„Frauen, die
entsprechende Kleider und Schuhe tragen, tun es freiwillig! Niemand zwingt sie
dazu, sich schick zu machen. Wenn einige Frauen meinen, in bequemen
Gummistiefeln und Kittelschürze zum Tango zu gehen, sollen sie es tun...“
„Das ist für mich Tango Argentino: präsent
der Mann, elegant die Frau... das ist nicht durch zwei Frauen oder durch zwei
Männer auch nur annähernd zu leisten..."
Und Michael Rühl beliebte mich im Tonfall eines preußischen Oberleutnants anzuschnarren:
„was soll dieser ‚beitrag‘ von dir? so viel zu sagen hast
du wohl wirklich nicht.“
Als
ich die Herrschaften (nie war ein Wort treffender) in einem Beitrag als „Macho-Trolle“ bezeichnete, war
natürlich Schluss mit lustig.
O-Ton
Michael Rühl:
„selbstverständlich
habe ich nie behauptet, dass frauen nicht gleichberechtigt sind. griesgräme,
die mal wieder irgendwas an den haaren herbeigezogenes darniederkrizeln gehören
bei mir in die abteilung ‚gnome, die an
fakten überhaupt nicht interessiert sind‘.“
(FB-Post Thomas Kröter, 28.10.19)
Oh Gott, allein die Ausdrucksweise… Ich hätte mir nie
träumen lassen, welche Verwüstungen das Berliner Schulsystem angerichtet hat!
Damit
ich die Frauenquote nicht
unterschlage:
Ines Moussavi: „Er ist für mich der Obertroll, nichts was er schreibt,
findet meine Zustimmung, und sein Stil ist mir zutiefst zuwider. (…) Mir wäre
eine Antwort darauf schon zu viel der Würdigung“
(FB-Post
Thomas Kröter, 28.10.19)
Tja,
diese Achtsamkeit im Berliner Tango
fasziniert mich immer wieder…
Derzeit
werden nun alle möglichen Entschuldigungsgründe
für die widerlichen Äußerungen von Herrn Gomez zusammengeklaubt: Der arme
Kerl kann halt nicht richtig Deutsch, daher wusste er wohl nicht, was manche
Wörter bedeuten – und nur seine löbliche Leidenschaft hat ihn im Überschwang…
Pablo
Gomez selber schweigt nunmehr –
vielleicht hat ihm nun doch jemand klargemacht, der deutsche Tangoschüler
erwarte von seinem Lehrer ein wenig mehr Benimm?
Wollen mal sehen.
Auf
jeden Fall gilt: Der eigentliche
Extremist bin ich.
Na
gut, bin ich gewöhnt. Nicht selten wird nicht der Verursacher des Elends, sondern der Überbringer solcher Botschaften geköpft. Und immerhin hat der
Konflikt meinem Blog einen Zugriffsrekord
eingebracht: In diesem Monat dürfte die 20000-er Marke geknackt werden.
Mir
lag es daran, diese typische Entwicklung
darzustellen; viele FB-Konsumenten sehen ja nur eine Momentaufnahme und hacken dann aus dem Rückenmark heraus unter gelegentlicher Umgehung des Großhirns etwas ins Kommentarfeld.
Also:
Auch
im Jahre 2019 nach Christus ist es immer noch hoch riskant, über feministische
Aktivitäten im Tango zu berichten. Gerade dessen „traditionelle“ Spielart
bildet offenbar (außer AfD-Kameradschaftstreffen) ein letztes Refugium, wo man relativ widerspruchsarm männliche Geisteshaltungen pflegen
kann, die man ja sonst „nicht mehr sagen darf“:
Diese
blöden Emanzen sollen sich doch aus
dem Tango fortmachen, die können ja mit Gummistiefeln, Kittelschürzen und
Birkenstock-Latschen… hahaha! Und außerdem wollen es die Weiber doch nicht
anders, oder? Tango kann man’s doch nur nennen, wenn männliche Kraft und weibliche
Anmut sich paaren, alles andere ist doch, na, ihr wisst schon...!
Und manche Auswüchse der modernen Kunst sind einfach nur „Scheiße“ und „krank“. Da schämt man sich doch, in Deutschland zu leben!
Und manche Auswüchse der modernen Kunst sind einfach nur „Scheiße“ und „krank“. Da schämt man sich doch, in Deutschland zu leben!
Was
mich betrifft: inzwischen ja.
Illustration: www.tangofish.de |
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